CEOs sollten nicht twittern? Der Leser-Beitrag von Jürgen Braatz gefiel Stephanie Tönjes von der Telekom gar nicht. Hier ist ihre Replik.
Als ich den Leser-Beitrag im PR Report mit dem Titel
„Warum der CEO nicht twittern sollte“ las, war ich wirklich interessiert daran zu erfahren, wie sich diese steile These begründet. Gute Gründe gegen eine Nutzung von Social Media auf CEO-Level gibt es, wie auch ich finde, tatsächlich viele.
Doch schon nach dem Lesen der ersten Abschnitte wollte ich meinen Augen nicht trauen. Eine Pauschalaussage jagt die nächste und ich konnte es mir nicht verkneifen nachzuschauen, ob der Artikel vielleicht ein Relikt aus früheren Zeiten ist.
Vorab soll gesagt sein, dass es natürlich jedem zusteht seine Meinung zu äußern. Dennoch wünsche ich mir ein bisschen mehr Reflexion und weniger Verallgemeinerungen — vor allem von Beratern.
Eine Provokation folgt der nächsten
Sieben gute Gründe gibt es laut Jürgen Braatz, die es einem CEO nahezu untersagen, sich kommunikativ auf Online-Plattformen zu äußern. Schon beim ersten Punkt wurde deutlich, dass es sich hier längst nicht mehr um die Nutzung von Twitter handelt, sondern um grundlegende Aktivitäten in Social Media. Der CEO sei ein Manager und Manager sollen sich auf das Wesentliche konzentrieren, die sogenannten „first things“. Er zitiert Fredmund Malik mit dem Satz „Managers do first things first and second things never“. Dieser stammt aus dem Klassiker „Führen, Leisten, Leben“.
Ist es eigentlich noch zeitgemäß, gerade in solch einem Kontext Klassiker zu zitieren, anstatt sich mit Literatur rund um neue Führungsmethoden und -modelle auseinander zu setzen, frage ich mich?
Heutzutage ist es geradezu fahrlässig, Kommunikation als „second thing“ zu betiteln. Bei jeder Gelegenheit fordern wir von Unternehmenslenkern eine Haltung, ein entsprechendes Mindset und klare, starke Statements. Wir heben die Verantwortung von Unternehmen in den Vordergrund, die sie der Gesellschaft gegenüber haben. Wir verlangen, dass sich Top-Manager gegen Populismus aussprechen, die Digitalisierung vorantreiben und wenn es geht, soll Deutschland von ihnen bitte endlich wieder wettbewerbsfähig gemacht werden. Authentischer als über eigene Social Media-Kanäle lassen sich die Positionen dieser Menschen doch gar nicht kommunizieren.
Der CEO macht nichts, was Praktikanten machen
Fakt ist — und da stimme ich Herrn Braatz zu — keiner der aktuellen (Dax-) CEOs lässt sich als Digital Native beschreiben. Folglich fehlt es tatsächlich häufig an einem geübten Umgang mit sozialen Medien. Dies jedoch als Grund anzuführen, warum sie erst gar nicht damit anfangen sollen, ist doch nahezu verrückt. Wie passt das zusammen mit lebenslangem Lernen? Mit dem Vorantreiben einer digitalen Transformation und einer Bereitschaft offen gegenüber Neuem zu sein?
Despektierlich ist der Vergleich, dass ihre Fertigkeiten denen eines Praktikanten gleichen. Oft sind es doch aber gerade die jungen Leute (ob Praktikant, Nachwuchskraft oder Junior-Kommunikator), die einen bestmöglich im Umgang mit neuen Medien schulen können!
Ich selbst arbeite in einem Unternehmen, in dem das sogenannte Reverse Mentoring groß geschrieben wird. Eine Gruppe von Digital Natives berät beispielsweise den CEO hinsichtlich aktuellen Trends, mit denen sich die Generation Y und Z auseinandersetzt. Im Gegenzug profitieren wir von Rat und Erfahrung des CEOs. Auf genau solch einen Austausch kommt es in der heutigen Zeit an. Offen zu sein ist eine Frage der Haltung. Und gerade diese Offenheit verlange ich vor allem von jemandem, der an der Unternehmensspitze steht!
Wer Digitalisierung nicht vorlebt, verliert
Hanebüchen ist die Heranziehung des Trust-Barometers der Agentur Edelman aus den Jahren 2017 und 2018. Der CEO soll demzufolge weniger glaubwürdig als das Unternehmen sein. Dieser Vergleich hinkt meines Erachtens von vorne bis hinten. Wie kein anderer verkörpert der CEO das Unternehmen, er ist Aushängeschild und Gesicht des Unternehmens. Er steht an der Spitze und ist demnach die Leitfigur für die Mitarbeiter, die er führt und für Kunden, die das Unternehmen mit diesem Menschen identifizieren.
In der heutigen Welt vertrauen Menschen immer weniger den Aussagen, die vom Unternehmen direkt stammen. Dies drückt sich bekanntermaßen in enorm sinkender Reichweite der Corporate Social Media-Kanäle aus. Nicht umsonst heißt es „Menschen vertrauen Menschen“. Nicht umsonst erhielt Influencer Marketing einen solchen Aufschwung. Menschen sind es leid, glattgebügelte Werbeparolen zu lesen. Sie wollen Empfehlungen von Menschen, denen sie vertrauen und die ihnen glaubwürdig erscheinen.
Uns allen, die wir in der Kommunikationsbranche tätig sind, sind Corporate Influencer ein Begriff. Das sind Menschen, die dem Unternehmen ein Gesicht geben und ihre Arbeit sichtbar machen. Sie sind es, die Unternehmensbotschaften viel glaubwürdiger vermitteln können, als es sterile Unternehmensaccounts es jemals könnten. Doch wer, wenn nicht der CEO selbst, ist mehr Corporate Influencer als jeder andere es sein könnte?
Aufgabe des CEO ist es, die Vision des Unternehmens zu vertreten
Nie war es wichtiger, ganz klar zu kommunizieren, wofür ein Unternehmen steht und welcher Vision es folgt. Diese Vision muss der CEO vertreten und verkörpern. In öffentlichen Auftritten, bei internen Veranstaltungen, dann wenn er sich an seine Mitarbeiter wendet oder wenn er seine Kunden anspricht.
Konzerne kranken am Image schwerfällig und starr zu sein. Die heutige Welt ist schnelllebiger geworden und getrieben von Innovationen. Deutschland ist gepackt von einem nie da gewesenen Gründergeist. Start-ups machen es vor, wie erfüllend es sein kann, auf ein großes Ziel hinzuarbeiten und etwas zu bewegen. Wir Digital Natives lesen überall, dass wir unser „Warum“ finden müssen, um in unserer Arbeit aufzugehen und einen Sinn in unserem Tun zu sehen.
Konträr dazu sind Abstimmungsschleifen und Silodenken in großen Unternehmen. Oftmals ist gar nicht klar, was die Vision eines Unternehmens ist, da jede Abteilung seine eigenen Ziele verfolgt. Welchen Reiz hat es heutzutage für Nachwuchskräfte, eine Karriere im Konzern anzustreben, wenn eine eigene Firmengründung viel erstrebenswerter erscheint?
Employer Branding ist das Stichwort. Nachwuchskräfte informieren sich heutzutage ganz genau, bei welcher Firma sie sich bewerben. Der sogenannte „War of Talents“ hat längst begonnen. Es werden Unternehmensprofile auf Social Media verglichen, wir suchen nach Mitarbeitern, die ihre Firma nach außen verkörpern, in der Hoffnung, dass wir uns mit diesen identifizieren können. Um zu sehen, ob das Unternehmen den eigenen Werten entspricht.
In Zukunft wird es auch der CEO selbst sein, dessen Social Media-Profile genauestens unter die Lupe genommen werden. Wir möchten für jemanden arbeiten, der Digitalisierung vorlebt, für den neue Medien kein Fremdwort sind. Jemand der eine echte Vision hat, diese vertritt und selbst artikuliert. Jemand, der nahbar erscheint - nicht nur durch ein angebotenes Du, sondern auch mal durch ein Like oder einen Kommentar auf Social Media. Dieser Realität müssen wir uns stellen. Wir können diesen Fakt nicht länger ignorieren und den Kopf in den Sand stecken - oder die Ausrede gelten lassen, dass ein Top-Manager keine Zeit für Kommunikation hat.
Auf die richtige Kommunikationsstrategie kommt es an
Zu profan ist mir alleine schon die Überschrift des Artikels und der starre Fokus auf Twitter. Es kommt auf eine richtige Kommunikationsstrategie an. Zieht man die Social-Media-Präsenz eines CEOs in Betracht, dann sollte man in erster Linie abwägen, welcher Kanal überhaupt der richtige für einen ist. Hier kommt es beispielsweise darauf an, wen man erreichen möchte und welche Art der Kommunikation dem CEO am meisten liegt. Sind es kurze Statements, lange Artikel oder visuelle Kommunikation? Auch der Faktor Zeit spielt bei der Wahl einer geeigneten Social Media-Plattform eine wesentliche Rolle. Vielleicht wäre die Headline „Warum nicht jeder CEO twittern sollte“ hier treffender gewesen.
Jeder Unternehmenslenker, ob DAX-CEO oder CEO eines Start-ups ,sollte sich überlegen, wie viel Zeit er in die Nutzung von Social Media investieren kann und möchte. Fakt ist ebenso: Social Media-Kommunikation ist nichts, das man weg delegieren kann! Es geht um einen echten Austausch, es geht darum, Debatten anzustoßen und offen für einen Dialog zu sein. Wenn ich dem nicht gerecht werden kann, sind möglicherweise monatliche LinkedIn-Artikel eher geeignet, als eine erzwungene tägliche Kommunikation auf Twitter.
Wichtig ist es ebenso, dass die Nutzung von Social Media der eigenen Überzeugung entspringt. Es bringt überhaupt nichts, Accounts nur zu eröffnen, weil man sich getrieben fühlt, einer vermeintlichen Verpflichtung nachzukommen. Viel zu oft sehe ich Accounts, die offensichtlich von Teams gepflegt werden, darüber jedoch überhaupt keine Transparenz herrscht!
Kommt eine redaktionelle Unterstützung des Teams in Betracht, ist es Pflicht, dies kenntlich zu machen. An dieser Stelle kann ich die Social Media-Accounts von FDP-Politiker Christian Lindner empfehlen. Auf einen Blick ist hier zu erkennen, ob Postings von ihm selbst oder dem Team entspringen.
Wir müssen offen sein für digitale Medien. Wir müssen offen sein für digitale Transformation. Und von einem CEO erwarte ich, dass er voranschreitet und genau diese Haltung vorlebt.
Autorin: Stephanie Tönjes ist seit mehr als zehn Jahren in der Unternehmenskommunikation der Deutschen Telekom tätig. Sie ist Autorin der PR-Werkstatt "Instagram: Wie PR-Profis die Fotoplattform optimal nutzen können" (als
Print-Ausgabe oder
E-Paper).
Tipp: Insights, Zahlen und Fakten zur Social-Media-Kommunikation von Siemens finden Sie im Artikel
"Social CEO: Wie Siemens-Chef Joe Kaeser twittert und wie das die Rolle der Kommunikation verändert".
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