Ein Kommentar zum Lobbyregister von Michael Wedell und Cornelius Winter.
Nun ist das neue Lobbyregister also in Kraft getreten. Und um es vorwegzunehmen: Trotz vieler Probleme und Ungereimtheiten bleibt das Lobbyregister ein richtiger und wichtiger Schritt für die demokratische Kultur und die Nachvollziehbarkeit von politischen Entscheidungswegen.
Bereits im Februar 2022 hatten wir den Wunsch geäußert, dass ein Lobbyregister auf Bundesebene
kein Bürokratiemonster sein darf. Nun müssen wir feststellen, dass der Aufwand zur Pflege des erweiterten Registers für alle Teilnehmenden stark angestiegen ist. Schade eigentlich.
Wenn mit mehr Aufwand auch mehr Transparenz einherginge, würde davon wenigstens das Gemeinwohl profitieren. Aber das ist leider nicht der Fall – denn in seiner jetzigen Form sorgt das Register an einigen Stellen für mehr Aufwand als für tatsächliche Transparenz.
Ganz grundsätzlich sind wir weiterhin der Meinung, dass es keine Unterscheidung zwischen vermeintlich „guten und bösen“ Interessen geben darf. Ein wesentlicher Grundsatz eines jeden Lobbyregisters muss sein: Gleiches Recht für alle. Auch darum braucht es eine Registerpflicht für alle an der Interessenvertretung Teilnehmenden – also für Arbeitgeberverbände ebenso wie für Gewerkschaften, Kirchen und NGOs.
Auch scheint es so, dass die notwendige Äquivalenz zwischen Wettbewerbsrecht, Datenschutz und Transparenzanspruch aus dem Gleichgewicht geraten ist. Die vorjährigen Finanzoffenbarungen, die weit über die Dokumentation des Aufwands für Interessenvertretung hinaus gehen, sind kein sinnvoller Beitrag zur Transparenz und bringen hinsichtlich des gewünschten „Legislativen Fußabdrucks“ keine Erkenntnis.
Blick unter die politische Motorhaube
Eine plurale Gesellschaft lebt vom ungehinderten Blick unter die politische Motorhaube und auf die Transmissionsriemen der Willensbildung. Dazu gehört, dass alle Interessensvertreterinnen und -vertreter ihre Anliegen verantwortungsvoll, offen und transparent in den politischen Diskurs einbringen. Deshalb ist das Lobbyregister ein richtiger und wichtiger Schritt für die demokratische Kultur und die Nachvollziehbarkeit von politischen Entscheidungswegen – trotz vieler Probleme und Ungereimtheiten.
Außerdem ist das Transparenzregister auch eine Chance für die Beratungsbranche. Es ist ein Weg, um einer (kritischen) Öffentlichkeit zu zeigen, dass die allermeisten Beraterinnen und Berater ihren Job professionell, seriös und ebenfalls transparent machen – und das seit Jahren. Gut ist deshalb auch, dass das Lobbyregister für jene, die sich nicht an die Regeln und den Verhaltenskodex halten, deutliche Sanktionen vorsieht.
Vor zwei Jahren haben wir gesagt, dass schon die immer präsentere und spürbare Dringlichkeit der Bekämpfung des Klimawandels dazu führen wird, dass noch viel genauer hingeschaut wird, welche Stakeholder ihrer Verantwortung nachkommen – das gilt gleichermaßen für alle am legislativen Prozess Beteiligten, ob Abgeordnete oder Interessenvertretende.
„Verantwortliche Interessenvertretung“ ist dabei transparent und konsistent. Sie trägt zu besseren politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen bei. Ihre Ziele und Instrumente sind klar erkennbar. Allen Gesprächspartnerinnen und -partnern gegenüber wird im Kern die gleiche Botschaft kommuniziert, mit offenem Visier.
Damit ermöglicht der Austausch von Sichtweisen und Argumenten den Raum für besseres Verständnis und manchmal auch Annäherung. So ergänzt verantwortliche Interessenvertretung die Transformations- und Nachhaltigkeitsstrategie des jeweiligen Unternehmens und der Beitrag zu gesamtgesellschaftlichen Zielen wird sichtbarer.
Und zum Austausch verschiedener Sichtweisen gehört auch die Ermöglichung des Kompromisses als „Übereinkunft durch gegenseitige Zugeständnisse“ (Duden). Und genau diese Übereinkunft ist ein grundlegendes Prinzip in einer Demokratie.
Werben für den Kompromiss
Denn Kompromisse sorgen dafür, unterschiedliche Meinungen und Interessen auszugleichen und Entscheidungen zu treffen, die für die Gesellschaft insgesamt akzeptabel sind. Kompromisse gelten oft aber auch als Zeichen der Schwäche. Doch für eine funktionierende Demokratie sind sie unerlässlich – und deshalb sollten die viel zitierten Stakeholder in Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft alles daran setzen, das Image des Kompromisses aufzuwerten.
Wie das gehen kann? Zum Beispiel, indem politische und wirtschaftliche Entscheidungsträger die Gründe für Kompromisse transparent machen, um das Vertrauen der Öffentlichkeit zu stärken; indem sie positive Beispiele für erfolgreiche Kompromisse hervorheben; oder indem sie die Vorteile von Kompromissen aktiv betonen. Für den einzelnen Bürger, die einzelne Bürgerin – und für die gesamte Gesellschaft.
Wir erleben fast jeden Tag, dass Politik zunehmend Schwierigkeiten hat, mit der Geschwindigkeit des Wandels substanziell mitzuhalten und Wandel aktiv zu gestalten. Politik ist deshalb bei Entscheidungen auf vertrauensvollen Rat und Information von Externen stärker angewiesen. Sie muss sich im eben beschriebenen Sinne besser erklären und Hilfe da annehmen, wo sie nötig ist.
Denn in dieser Dekade der Transformation brauchen nicht nur Unternehmen Unterstützung im Interessen- und Regulierungsdschungel. Transparente Interessenvertretung kann dabei nur ein Puzzleteil für die Vertrauensbildung in die Demokratie, ihre Institutionen, Repräsentantinnen und Repräsentanten, Mitspielerinnen und Mitspieler sein.
In diesem Zusammenhang braucht ein gelingendes Miteinander aller an der Interessenvertretung Beteiligten auch ein stärkeres Selbstbewusstsein der Interessenvertreterinnen und -vertreter. Besonders die Beratungsbranche hat viele gute Gründe, offen für ihre Arbeit einzutreten. Als Beraterinnen und Berater bringen wir hier mehr Licht ins Dickicht und tragen zu Begegnung auf Augenhöhe bei – auf allen Seiten.
Das ist eine gute, lösungsorientierte und ehrenwerte Arbeit – auch für die politische Willensbildung. Diese Reputation und Expertise bringen wir gerne ein. Denn wir wollen unseren Beitrag zur Steigerung des Vertrauens in unsere Demokratie leisten.
Die Autoren: Michael Wedell ist Gründer und Managing Partner von The Partners. Cornelius Winter ist Gründer und Principal Partner von 365 Sherpas. Beide sind Gründungsmitglieder der de’ge‘pol (Deutsche Gesellschaft für Politikberatung e.V.).