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Kai Diekmann (Foto: Jan Zappner)
16.04.2020   News
Kai Diekmanns Storymachine im Visier der Ethikwächter
Der Deutsche Rat für Public Relations (DRPR) wird den Fall des sogenannten „Heinsberg Protokolls“ und die Rolle der Agentur Storymachine untersuchen. Welchem Verdacht das Selbstkontrollorgan nachgeht und was Storymachine sagt.
Worum geht es?
Storymachine ist eine von Ex-„Bild“-Boss Kai Diekmann, dem früheren „Stern“-Online-Chef Philipp Jessen und dem bekannten Event-Manager Michael Mronz gegründete Agentur. Die Berliner Firma kümmerte sich um die Social-Media-Kommunikation auf Twitter und Facebook rund um eine Studie des Bonner Virologen Hendrik Streeck zur Verbreitung des Corona-Virus im besonders von der Pandemie betroffenen Kreis Heinsberg. Name des Projekts: „Heinsberg Protokoll“. Auftraggeber der Studie war die von CDU-Ministerpräsident Armin Laschet geführte NRW-Landesregierung.
 
Nachdem Streeck am Gründonnerstag einen Zwischenstand präsentierte, kam massive Kritik auf. Wissenschaftler äußerten Zweifel an Methodik und Aussagekraft der Studie. Die Kommunikation und insbesondere der Zeitpunkt der Pressekonferenz kurz vor Ostern, also einige Tage nach Studienbeginn und eine knappe Woche vor der Entscheidung von Bund und Ländern über den weiteren Kampf gegen die Corona-Krise, wurden hinterfragt. Heruntergebrochen lauteten die Vorwürfe: Die Kommunikation sei voreilig und angeblich aus interessengeleiteten politischen und wirtschaftlichen Motiven erfolgt. Auch die Rolle und Arbeit von Storymachine sorgten für Argwohn und Kritik.
 
Streeck verteidigte sich in einem Interview mit dem „Tagesspiegel“. Darin sagte er zu der Agentur: „Storymachine hat mir angeboten, uns bei der Arbeit an der Studie zu beobachten, und diese Beobachtungen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Im Sinne der maximalen Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit habe ich dieses Angebot gerne angenommen, und mit der Leitung des Universitätsklinikums abgestimmt.“
 
Weder er selbst, noch das Universitätsklinikum, die Universität oder das Ministerium hätten für diese Öffentlichkeitsarbeit von Storymachine Geld bezahlt. Ziel sei es, die Arbeit für die Menschen besser sichtbar zu machen. An der inhaltlichen Vorbereitung der Pressekonferenz sei Storymachine nicht beteiligt gewesen.
 
Was hat der PR-Rat beschlossen?
Der Rat habe auf seiner virtuellen Sitzung am Donnerstag, dem 16. April, „einstimmig beschlossen, den Fall aufzunehmen und sich gründlich und zügig damit auseinanderzusetzen“, sagte Uwe Kohrs, Vorsitzender des Trägervereins von Deutscher Public Relations Gesellschaft, Gesellschaft Public Relations Agenturen und Bundesverband der Kommunikatoren.
 
Der Ratsvorsitzende Lars Rademacher, bei der selben Sitzung übrigens für drei Jahre wiedergewählt, sagte: „Wir untersuchen den Verdacht, ob Verstöße gegen das Transparenzgebot des Kommunikationskodexes vorliegen.“ Darin heißt es, dass PR- und Kommunikationsfachleute dafür sorgen, dass der Absender ihrer Botschaften klar erkennbar sei. Außerdem sollen sie ihre Arbeit offen und transparent machen, soweit dies die rechtlichen Bestimmungen und die Verschwiegenheitsverpflichtungen gegenüber den jeweiligen Arbeits- oder Auftraggebern zuließen. 
 
Rademacher sagte: „Es gibt viele Fragezeichen in Bezug auf die rechtzeitige Offenlegung der Arbeit von Storymachine, beispielsweise in Form eines ordnungsgemäßen Impressums auf dem Twitter-Profil ,Heinsberg Protokoll“, sowie in Bezug auf die rechtzeitige Offenlegung der Finanziers der Arbeit von Storymachine. Wir prüfen unter anderem, wie zu bewerten ist, dass die diesbezüglichen Informationen scheibchenweise erst im Nachhinein veröffentlicht worden sind.“
 
Kohrs zufolge würden in den kommenden Tagen sowohl Storymachine als auch das Universitätsklinikum Bonn zu einer Stellungnahme aufgefordert. Das Verfahren sei ergebnisoffen. Mit einem frühestmöglichen Entscheid sei in vier Wochen zu rechnen.
 
Was sagt Storymachine?
Auf Anfrage des PR Reports meldete sich der von Storymachine beauftragte Anwalt Christian Schertz. Er teilte folgendes mit: "Die Umsetzung des Heinsberg Protokolls und Begleitung durch meine Mandanten ist nicht zu beanstanden. Auch Verstöße gegen das Transparenzgebot des Kommunikationskodexes sind nicht im Ansatz erkennbar. Zunächst einmal ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei meiner Mandantschaft nicht um eine PR-Agentur handelt. Sie unterliegt damit auch nicht diesbezüglichen Selbstverpflichtungen des Kommunikationskodexes des Deutschen PR-Rates. Unabhängig davon wäre ein Verstoß gegen diesen überhaupt nicht im Ansatz erkennbar. Die Begleitung durch Storymachine wurde selbstverständlich im Impressum von Facebook mit Veröffentlichung des Heinsberg Protokolls offengelegt. Mir liegt das entsprechende vollumfängliche Impressum vor. Insofern wäre ein entgegenstehender Bericht auch wahrheitswidrig. Darüber hinaus hat meine Mandantschaft auch die Unterstützung durch Firmen transparent gemacht."
 
Dass Storymachine Kommunikation für die Studie macht, war spätestens durch ein am 9. April veröffentlichtes Interview mit Jessen bei Meedia einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden (schon am 7. April hatte Meedia kurz über die Tätigkeit von Storymachine berichtet). In dem Interview sagte Jessen unter anderem: "Für diese Kommunikations-Aufgabe haben wir uns für eine journalistische Herangehensweise entschieden. Dazu gehört auch eine klare redaktionelle Absenderschaft auf den entsprechenden Kanälen – die wir von Beginn an klargemacht haben."
 
Am 12. April nannte der Storymachine-Gründer auf Twitter das Telekommunikationsunternehmen Deutsche Glasfaser und die Einzelhandelsfirma Gries Deco als „Mitfinanzierer“ des PR-Projekts. Sie würden das Projekt mit 30.000 Euro unterstützen. Storymachine werde den Großteil der Kosten selbst tragen.
 
Außerdem schrieb Jessen bei Twitter: „Wir haben von Beginn an kommuniziert, dass Storymachine diese Dokumentation durchführt. Trotzdem gab es den Wunsch, unser Engagement noch deutlicher zu machen - dem kommen wir gerne nach. Auch hier.“ Dazu zeigt er das Foto eines Tweets des Projekt-Profils vom 6. April, dem Tag, als auf dem Account des Heinsberg Protokolls die ersten Tweets veröffentlicht wurden: „Die Studie wird durchgeführt von der Virologie an der Universitätsklinik Bonn und geleitet vom Direktor des Instituts, Prof. Dr. Hendrik Streeck. Unterstützt vom Kreis Heinsberg und seinen Bewohnern. Die Dokumentation wird von der Storymachine GmbH durchgeführt.“ 
 
Kai Diekmann und der PR-Rat
Im vergangenen Jahr hatte der DRPR im Fall des Heidelberger „Bluttest-Skandals“ den Vorstand des Universitätsklinikums Heidelberg und der Heiscreen GmbH wegen „bewusster Falschbehauptung und Täuschung der Öffentlichkeit" gerügt. Welche Rolle Kai Diekmann in diesem Zusammenhang gespielt habe, habe der Rat laut dessen Vorsitzendendem Rademacher nicht klären können.
 
In einem Artikel der „Rhein-Neckar-Zeitung“ über die Untersuchung einer vom Aufsichtsrat des Heidelberger Klinikums eingesetzten Kommission heißt es: „Auch Investor Jürgen Harder, der an der Mammascreen GmbH und am Bluttestvermarkter Heiscreen beteiligt war, wird in seiner Rolle positiv beschrieben. An keiner Stelle habe er auf eine frühzeitige, also voreilige, Veröffentlichung des Testergebnisses gedrängt. Das treffe auch auf seine Berater, den früheren „Bild“-Chef Kai Diekmann und den österreichischen Ex-Finanzminister Karlheinz Grasser zu.“
 
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