Schnappatmung
Lobbyaffäre in der Schweiz Hierzulande fast unbemerkt bot sich in den vergangenen Wochen in der Schweiz ein amüsantes Schauspiel. Es ist rasch zusammengefasst: Eine liberale Abgeordnete hat einen Vorstoß ins Parlament eingebracht, der sich nach Recherchen der „NZZ“ als Lobbying kasachischer Auftraggeber offenbarte. Die Lunte legte offenbar ein Hacker, der E-Mails von einem kasachischen Server abrief, die dann an die Medien kamen. Darunter: Schriftverkehr und Rechnungen von Burson-Marsteller an den Kunden in Kasachstan. Die Agentur und eine freiberufliche Lobbyistin stehen seitdem in der „Kasachstan“- oder „Lobbyaffäre“ am Pranger. Die Politikerin, die sich des Whitepapers, das Burson geliefert hatte, bediente, will nicht gewusst haben, wessen Geistes Kind der Schrieb war.
Genüsslich sezierten die Medien die Positionen der Rechnung, etwa Textentwurf und dessen Abstimmung mit dem Kunden, Arrangements für Treffen zwischen Auftraggebern und Politikern – Standardwerkzeuge aus der Toolbox des Lobby- und damit des politischen Betriebs. Es ist Usus, auch in Berlin, das Abgeordnete initiativ Papiere bei Lobbyisten abfragen und verwenden. Nicht selten arbeiten Lobbyisten direkt in den Ministerien. Während Befürworter Lobbyismus als Bedingung für eine pluralistische Gesellschaft glorifizieren, verteufeln Gegner Lobbyisten als Bedrohung für die Demokratie.
Das muss ganz gewiss diskutiert werden – neue Erkenntnisse bietet uns der konkrete Fall aber kaum. Regelmäßig tauchen „interne Dokumente“ auf, die auf der Medienseite mit Schnappatmung verarbeitet werden. Im aktuellen Beispiel mag der Kunde einmal mehr fragwürdig sein, und der
Funke fiel wohl auf trockenen Boden, weil im Herbst Wahlen anstehen. Wie in Deutschland schwelt außerdem die Debatte um ein Lobbyregister.
Ich bin für Transparenz in der Lobbyarbeit. Für eine ernstzunehmende Debatte darüber aber, müsste man zunächst den Realitäten des
politischen Betriebs offen ins Auge sehen – und dazu stehen.