Zum 60. Geburtstag des PR Reports haben wir renommierte PR-Profis nach Meisterleistungen der Kommunikation gefragt. Barbara Schädler schreibt über einen Meister der Krise.
Es ist ein sommerlicher Freitagabend im Juli. Marcus da Gloria Martins, Pressesprecher der Münchner Polizei, hat Feierabend. Er steht in seiner Küche und kocht das Abendessen für seine Familie. Doch plötzlich kommt seine elfjährige Tochter aufgelöst in die Küche gelaufen: „Papa, die haben im Radio gesagt, in München wird geschossen!“ Da Gloria Martins schaut überrascht auf sein Diensthandy. Akku leer. Kaum hat es wieder Saft, hört es nicht mehr auf zu klingeln. Dann die schreckliche Gewissheit: Ein Amokläufer hat mehrere Menschen erschossen.
Und damit beginnt eine der größten Meisterleistungen der Kommunikation der vergangenen Jahre: Da Gloria Martins schaffte es, ein ganzes Land zu beruhigen. Was damals in München geschah, ist vielen von uns noch präsent: Ein 18-Jähriger tötete am 22. Juli 2016 in einem Einkaufszentrum neun Menschen und verletzte etliche weitere, bevor er sich selbst tötete.
Die Stadt steht unter Schock. Wie ein Lauffeuer verbreiten sich in den sozialen Medien Gerüchte über weitere Schießereien und Täter. Zehntausende Rettungskräfte sind im Einsatz – ohne gesicherte Lagebilder haben sie keine Möglichkeit, Entwarnung zu geben. Eine Panik droht auszubrechen.
Souveränität, die ihresgleichen sucht
Unvollständige Informationen, Zeitdruck, Ängste, eine unübersichtliche Faktenlage – dieses Szenario ist geradezu lehrbuchhaft für eine Krise. In den ersten Stunden gibt es mehr Fragen als Antworten, jedoch ein besonders hohes Informationsbedürfnis. Dieses Vakuum ist ein Nährboden für Spekulationen, Dramatisierung und Falschmeldungen. Wie aber trotz fehlender Gewissheit schnellstmöglich kommunizieren, ohne die Lage zu verschlimmern?
Genau in diesem Ausnahmezustand überzeugte da Gloria Martins mit einer Souveränität, die ihresgleichen sucht: Er sprach klar, ruhig und mit fester Stimme. Er war transparent, benutzte kein verklausuliertes Beamtendeutsch, sondern eine Sprache, die jeder verstand. Er sagte, was die Polizei gesichert wusste – und was noch nicht. Dieses Eingeständnis von Wissenslücken schaffte eine enorme Glaubwürdigkeit – und erstickte Spekulationen im Keim.
Er zeigte Empathie für die Sorgen der Bevölkerung und strahlte zugleich Professionalität aus. Er machte keine Versprechen, die er nicht halten konnte – aber versprach, sofort wieder zu informieren, sobald es Neues gab.
Was in Krisen unbezahlbar ist
Und tat es: Unter da Gloria Martins Leitung nutzte die Polizei alle zur Verfügung stehenden Kanäle – von Live-Pressekonferenzen bis zu Twitter-Nachrichten – um in Echtzeit zu informieren. Vor den Kameras wiederholte er geduldig die Antworten auf immer dieselben Fragen. Hinter den Kameras arbeitete er mit seinem Team unter Hochdruck daran, neue Informationen zu konsolidieren, alle auf den gleichen Kenntnisstand zu bringen und konsistent mit „one voice“ auf allen Kanälen zu kommunizieren. Dadurch schaffte er etwas, das in Krisen unbezahlbar ist: Vertrauen. Die Lehren daraus sind zeitlos:
1. Aktualität und Transparenz schlagen Perfektion: Schnell informieren, Wissenslücken zugeben, keine vollständige Kontrolle vorgaukeln!
2. Einfach und klar kommunizieren: Komplizierte, zweideutige Formulierungen schüren Spekulationen. Keine Behördensprache!
3. Balance zwischen Empathie und Professionalität finden: Ruhig, souverän und sachlich bleiben, aber Verständnis für Sorgen und Ängste zeigen.
4. Kontinuität und One Voice: Konsistente Updates auf allen Kanälen sind wichtiger als sofortige Antworten auf jede Frage.
Krisenkommunikation ist und bleibt die Königsdisziplin. Marcus da Gloria Martins hat sie mit Bravour gemeistert.
Tipp: Legendäre Kampagnen, ikonische Marken, mächtige Narrative und Worte, die die Welt bewegten: Unser Special zu den größten Meisterleistungen der Kommunikation lesen Sie im PR Report 5/2025. Wir zeigen darin auch, welche zeitlosen Lehren sich daraus für die Praxis ableiten lassen.