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Larissa Hozki (Foto: Max Brunnert)
20.08.2025   Wissen & Praxis
Die Pressemitteilung ist (schon wieder) tot. Oder doch nicht?
Ein Linkedin-Post der KI-Chefin des Handelsblatts, Larissa Holzki, sorgt für eine Flut von lesenswerten Reaktionen. Holzki hatte die Pressemitteilung für nutzlos erklärt. Was Medien- und Kommunikationsprofis ihr antworten.
„Das größte Missverständnis von Pressemitteilungen ist, dass sie für die Presse sind", schrieb Larissa Holzki, Leiterin des KI-Teams beim Handelsblatt, auf LinkedIn. Der Versand der Pressemitteilungen sei nur ein Alibi. Und die Journalistin spitzte es noch weiter zu: "Die Pressemitteilung ist dazu da, damit die Kommunikationsabteilung intern sagen kann: Das ist das, was wir an die Presse gegeben haben. Warum im Handelsblatt keins der [verschachtelten] Zitate auftaucht und von unseren [sieben unbekannten] neuen Investoren nur drei in einer ganz anderen Reihenfolge genannt sind, wissen wir auch nicht." Holzki benutzt Pressemitteilungen übrigens nur, um zu schauen, ob sie die Namen richtig geschrieben habe. "That’s it." 
 
Stefan Hencke, CEO von Convensis antwortet ihr auf LinkedIn: "Bei rund 2700 Start-ups pro Jahr in Deutschland, davon rund 600 im Bereich KI / IT / Software ist es für wahrscheinlich schon eine Challenge, den Überblick zu behalten. Hier können aus meiner Sicht sinnvolle PM‘s einen Beitrag leisten. Ein weitere Punkt ist der massive Stellenabbau in den Redaktionen. Wer recherchiert Unternehmen und Themen? Das Handelsblatt ist hier sicherlich noch gut aufgestellt, aber viele andere Redaktionen? Hier können PMs eine sinnvolle Informationsquelle sein. Der entscheidende Punkt ist vielmehr, ob die Information für die spezifische Leserschaft des Mediums eine Relevanz hat oder nicht. Und eine PM muss relevant sein, sonst braucht sie weder geschrieben noch verschickt werden."
 
In eine ähnliche Richtung argumentiert Kommunikationsprofi Maria Timtschenko: "Ich verstehe den Unmut über scheinbar unbrauchbare PMs. Ich glaube, die meisten in den Kommunikationsabteilungen würden auch lieber knackige Zitate und spannende Geschichten anbieten, das ist aber aus vielerlei Gründen nicht immer möglich. Trotzdem glaube ich, dass hier aus der privilegierten Brille einer Handelsblatt-Journalistin argumentiert wird. In (Lokal-) Redaktionen, denen das Geld zusammengestrichen wird, haben die Leute nicht die Zeit, sich für jede Nachricht ans Telefon zu hängen und sich selbst ein Zitat abzuholen....dass die PMs besser sein könnten, gehe ich gern mit."
 
Tech-PR-Profi Frank Bärmann füttert die spannende Diskussion mit Zahlen: "[...] Dennoch wünschen sich laut CISION-Umfrage 'State of the Media 2025' immer noch 72% der befragten Journalisten/innen News-Ankündigungen/Pressemitteilungen von PR-Vertretern. Im EMEA Raum sogar 75%." Bärmann fragt: "Wie passt das zusammen, wenn hier die allermeisten Pressevertreter die PM verpönen?"
 
Dass die Pressemitteilung tot sei, werde schon so lange behauptet, wie er diesen Job mache. Aber es gebe sie immer noch, erinnert Felix Altmann. Das spreche dafür, dass sie doch gewisse Mehrwerte für beide Seiten liefere - auch für den Journalismus.
 
Markus Stefan Wohsmann gesteht: "Als Journalist haben mich Pressemitteilungen zwar meist nur mäßig interessiert, aber als PR-Mann bin ich heute fast verwundert, wie gut die - auch von mir todgeredete - PM noch wirkt." Allerdings sei sie nur ein Mittel von mehreren. Wohsmann antwortet Larissa Holzki: "Ich kenne auch keine lebenden Comms-Manager oder Vorstände, die erwarten, dass der Text 1:1 übernommen wird. Aber ich gestehe: natürlich gibt es PM, die nur geschrieben werden, um wenigen Stakeholdern Genüge zu tun. Die verschickt man dann aber auch an einen kleinen, sorgfältig ausgesuchten Verteiler." Aus Sicht von Wohsmann werden Pressemitteilungen gerade wieder wichtiger: "nämlich als Inhalte auf der Webseite, die dann von den Crawlern der LLM abgegriffen und im Chat als Versatzstücke inkl. des Spins dem Fragenden geantwortet werden".
 
Jo Klein, in der Kommunikation von Microsoft beschäftigt, plaudert aus dem Nähkästchen: "[...] Es gibt da draussen aber viele kleinere Fachmedien, Blogs, Newsletter und ähnliches, die gerne unsere Pressemitteilungen aufgreifen, teilweise auch 1:1 übernehmen. Eine Pressemitteilung oder ein Blog, diszipliniert intern eine Organisation eine News zu einer bestimmten Deadline auf den Punkt zu bringen. Sie dient immer weniger dazu einen Medienbericht zu erreichen, sondern dient als Informationsquelle für Interne und Externe. Und irgendwo müssen wir ja auch den Content ins Web hinlegen, damit es auffindbar ist für Search aber auch die LLMs. Sozusagen als Content Drehscheibe, die sehr viele verschiedene interne und externe Kanäle bedient. Zum Beispiel verlinken gerne unsere Kolleg*innen auf LinkedIn die Pressemitteilung mit ihrem Post dazu, da sie sich dann sicher sein können, dass der Content offiziell freigegeben wurde. Der klassische Begriff Pressemitteilung ist damit komplett überholt und wir müssten der PM eigentlich einen anderen Namen geben. Und: es geht auch nie um Schönheit oder stilistische Meisterwerke, hauptsache, wir kriegen den Content irgendwie rüber und alle sind glücklich:)"
 
Digitalberater Thomas Knüwer erinnert daran, dass Pressemitteilungen auch das digitale Ökosystem befeuern: "Wenn ich mit dem entsprechenden Mitteleinsatz arbeite, landet eine PM bei zahlreichen Plattformen und Medien (auch dem Handelsblatt) als Paid Media. Hinterher kann man dann wunderbar sagen, dass renommierte Medien das Unternehmen erwähnt haben, denn nicht bei allen steht wirklich transparent über dem Artikel, dass es sich um eine Werbebuchung handelt. Insofern dient eine PM natürlich auch unternehmensinternen Zielen. Als Sprecher*in kann man sich über solche Dienste den Rücken freihalten, weil sie gekaufte Reichweite ermöglichen. Hinzu kommen SEO und GEO. Auf diesen Plattformen/Medien wird die PM von Suchmaschinen und Large Language Models abgegriffen und in deren Ergebnisse einmassiert." 
 
Der Lenker der Berliner PR-Agentur Twenty-Eight, Lukas von Zittwitz, hatte am Montag in einem Kommentar für kress.de ChatGPT und Co. ins Spiel gebracht: "Gerade im Zeitalter der KI, für das Frau Holzki ja Expertin ist, gewinnt die PM an neuer Bedeutung. Künstliche Intelligenz, die längst Texte und Zusammenfassungen erstellt, bezieht ihr Wissen eben nicht nur aus redaktionellen Artikeln. Sie scannt auch die Newsrooms von Unternehmen und die großen Presseportale auf der Suche nach exklusiven Formulierungen." Eine akurat formulierte, faktenbasierte Pressemitteilung sei somit nicht mehr nur eine Nachricht an einen Journalisten, sondern auch direktes Futter für die Wissensdatenbanken von ChatGPT, Gemini, Perplexity und Co. "Wer heute eine saubere PM veröffentlicht, prägt die Faktenlage, auf die sich KI-Systeme künftig beziehen werden", meint der Agenturchef. 
 
Autor: Marc Bartl. Dieser Text erschien zuerst bei kress.de. Dort finden Sie auch eine Umfrage zum Thema.

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