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News / Wie man den CEO erledigt
Emilio Galli Zugaro (Foto: Oliver Soulas)
15.08.2025   Kolumne
Wie man den CEO erledigt
Schuss ins Knie: Wenn die Rotstiftberatung Smith & Wesson anrückt. Eine Kolumne von Emilio Galli Zugaro.
Anfangs fehlen Jenna Ramos die Worte. In der ganzen Zeit, in der ich sie nun coache, hatte ich das so bislang noch nicht erlebt bei ihr. Ich warte geduldig, bis sie ihren Erzählfluss beginnt. Die Kommunikationschefin kommt gerade aus einem Meeting mit Dr. Rolf Besser-Wiss, Senior Partner von Smith & Wesson, der führenden Rotstiftberatung der Republik – und Intimus ihres Chefs, der immer wieder von dessen Brillanz schwärmt. Besser-Wiss hat sie unterrichtet, was das Change-Programm mit dem originellen Namen „Fit for Future“ für die Kommunikation bereithält.
 
„Wir haben Ihre Funktion analysiert“, habe der Berater geprahlt, der vorher kein Wort mit Ramos oder deren Team gewechselt hatte, „und kommen zu einer klaren Schlussfolgerung: Sie müssen den medialen Output halbieren und entsprechend die Arbeitskapazität Ihres Teams. Und inhaltlich: Sie müssen sich jetzt zu 100 Prozent auf Change- und Restrukturierungsthemen, auf die Krise fokussieren, damit wir auch da draußen Dringlichkeit vermitteln.“
 
Gut, in Wahrheit habe er gesagt, „damit wir eine burning platform schaffen“, aber Ramos versucht, BS-Gelaber zu vermeiden.
 
Ein wahrer Gentleman
Ich dachte, ich sei einiges gewohnt. Doch so etwas hatte ich noch nie von einer ernst zu nehmenden Person gehört, die über kommunikative Fragen mitentscheidet. Aber ich will wissen, wie die Reflexe von Jenna Ramos sind.
 
Besser-Wiss, so deren Analyse, würde gleich zwei Grundsätze der medialen Kommunikation Lügen strafen. Erstens: Wenn man in der Krise sei, müsse der Output verstärkt werden, nicht reduziert. Zweitens: Die Themenvielfalt müsse erweitert werden, um den Fokus auf die Krise zu verwässern. Dann werde das Unternehmen nicht allein mit dem Trubel rund um eine Umstrukturierung identifiziert, sondern auch mit der Qualität seiner Produkte, mit seiner technologischen Führerschaft, mit seiner Innovationsfähigkeit und mit dem, was es sonst noch ausmacht. Denn Ramos’ Arbeitgeber muss mit „Fit for Future“ keine Insolvenz abwehren, sondern will einfach besser werden.
 
Doch bei ihrem Versuch, Dr. Besser-Wiss diese Basics zu vermitteln, wurde sie schnell entmutigt durch die höfliche Beschäftigung dieses wahren Gentlemans mit seinen beiden Smartphones. Die ihr deutlich signalisiert habe, dass seine Aufmerksamkeitsspanne … nun ja, eben eine Spanne war, ohne Aufmerksamkeit für sie.
 
Was tun? Sie schweigt und schaut mich fragend an. 

Das mentale Dino-Archiv
Was denn ihr CEO wohl dazu sagen würde, frage ich. Ramos überlegt. Er sei ein großer Fan von Besser-Wiss und werde dessen Rat großes Gewicht verleihen.
 
Ich frage, ob er kurz vor dem Ruhestand stehe oder ob er den Change-Prozess weiter als Vorstandschef gestalten wolle. Sie antwortet sofort: „Klar will er das.“
 
Dann greife ich ins mentale Dino-Archiv. Ich erzähle ihr von einem Weltmarktführer, dessen CEO größter Einzelaktionär war, dessen Verwaltungsrat von ihm und seinen Buddies beherrscht wurde und der sich etwas darauf einbildete, dreißig Jahre lang keinerlei Pressearbeit gemacht zu haben, nur reines Marketing. Doch eines Tages wurde er von einem fiesen Staatsanwalt bezichtigt, die Bilanz gefälscht zu haben.
 
Allein die mediale Aufmerksamkeit dieser Klage, unerwidert durch das Unternehmen („Wir äußern uns nicht zu laufenden Verfahren“), übertraf schnell die Wahrnehmungsschwelle, also die Menge an Berichten durch Leitmedien, die ein Unternehmen in der breiten Öffentlichkeit sichtbar macht. Sechs Monate später flog der vermeintlich fest im Sattel sitzende CEO wie ein Cowboy bei einem Rodeo vom Stier und war Geschichte.
 
Ramos hört genau zu und lächelt. „Ich freue mich auf das Gespräch mit dem Chef“, sagt sie, bevor sie sich beschwingt auf die Socken macht.


Hinweis: Die Kolumne von Emilio Galli Zugaro ist von A bis Z erfunden, aber nicht realitätsfern … 
 

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