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News / Wie man mit dem Chef übers Gehalt verhandelt
Emilio Galli Zugaro (Foto: Oliver Soulas)
09.05.2025   Kolumne
Wie man mit dem Chef übers Gehalt verhandelt
... und was ihm wirklich wehtut. Eine Kolumne von Emilio Galli Zugaro.
Die jährliche Performance-Review steht an. Wie immer zuvor mehrmals verschoben, weil man ja etwas Dringlicheres zu tun hatte, findet sie nun kurz vor der Boni­zuteilung statt. Kommunikationschefin Jenna Ramos, die ich seit einiger Zeit coache, will sich auf das Gespräch mit ihrem Chef einstimmen.
 
Sie rattert das Pflichtprogramm ab, den üblichen Verlauf solcher Termine. Als Erstes werden die KPIs abgefragt, mit denen ihre Leistung bewertet wird. Alle übererfüllt. Dann die Unternehmens-KPIs. Unterhalb der Zielvorgabe, es war ein schlechtes Geschäftsjahr. Unter Berücksichtigung der „weichen Faktoren“ (der einzige Spielraum, den man dem Management noch lässt) erwartet Ramos eine gute Benotung. Alles in allem mehr als 100 Prozent Zielerreichung, dabei die persönlichen Ziele mit 120 Prozent übererfüllt.

Der Floh im Ohr
Normalerweise ein gutes Ergebnis, um über eine substanzielle Gehaltserhöhung zu reden. Normalerweise … aber sie wisse schon, was der Chef ihr sagen werde: Kostensenkungsprogramm greift demnächst knallhart. Einstellungsstopp. Beförderungsstopp. Einfrieren aller Gehälter. Sie brauche gar nicht zu fragen, da sei nichts zu holen.
 
„Sollen Sie wirklich nicht einmal fragen?“, setze ich ­Ramos einen Floh ins Ohr. Na ja, antwortet sie, sie wisse ja schon, dass er Nein sagt. 
 
„Und was wäre so schlimm dabei, wenn er Nein sagt?“, säusele ich etwas provozierend hinterher.
Sie grübelt und ist immer noch überfragt.
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Tipp: Deutschland in der Rezession, die Welt in Aufruhr: Im neuen PR Report zeigen wir, wer die größten Aussichten auf Top-Jobs und Top-Gehälter hat. Trotz Krise und KI – oder gerade deshalb. Lesen Sie zudem in unserem Gehaltsreport: Kann man in der Kommunikation eine Million Euro und mehr verdienen? Was auf den Top-Positionen der Branche bezahlt wird.
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Es gibt eine unerforschte, aber erfahrungsgemäß wirksame Regel für Über-Performerinnen und -Performer: Die meisten Chefs schaffen es nicht, ihren echten Leistungsträgern dreimal hintereinander etwas zu versagen. Aber wenn man als gute Unternehmenssoldatin von vornherein nicht fragt, bekommt man auch kein Nein zu hören. Und nur die ausgesprochenen Neins tun den Chefs weh. Jedes explizite Nein erhöht die Wahrscheinlichkeit auf ein späteres Ja.
 
Ramos greift den Ball auf: Das schaffe doch schon mal eine Ausgangssituation, die es erlaube, das Gespräch über Entwicklung auch inhaltlich zu führen. Und wenn in einem Jahr mal kein Geld für eine Gehaltserhöhung da sei, werde es eher möglich sein, drei Monate lang in einem anderen Bereich des Unternehmens zu arbeiten, um als Kommunikatorin mehr Stallgeruch zu bekommen, das Geschäft besser zu verstehen, Stories zu sammeln.
 
Vielleicht mal zu den Geeks, die derzeit die KI-Strategie umsetzen, da könne sie etwas Spannendes lernen. Oder den Topf bei HR anzapfen, um diese eine Masterclass zu machen. Oder, ohne irgendwelche Ausgaben, ein Mentoring mit der jüngst in den Ruhestand gegangenen Vertriebsvorständin vereinbaren, die dafür garantiert kein Honorar wolle. Und, und, und ...

Der beste Weg
Ramos ist nicht zu stoppen. Sie weiß, dass der beste Weg, ihre Erfolgsaussichten innerhalb und außerhalb der Firma zu erhöhen, nicht das jetzige Gehalt ist, sondern der eigene Marktwert. Und der wird durch andere Erfahrungen im Unternehmen, durch Verbreiterung des Wissens, durch Training on the job und Urlaubsvertretungen gesteigert. Dafür muss das Unternehmen nicht unbedingt Geld in die Hand nehmen. Die höhere Vergütung kommt dann irgendwann zwangsläufig, ob beim heutigen oder beim nächsten Arbeitgeber.
 
Jenna Ramos hat keine weiteren Fragen. Sie notiert noch kurz etwas („An mein Team denken! Marktwertsteigerung auch für Kolleginnen und Kollegen!“), packt ihre Siebensachen und grüßt. Weg ist sie.


Autor: Emilio Galli Zugaro hat gelernt, dass 70 Prozent  des Lernens „learning by doing“ sind, 20 Prozent kommen über  Beziehungen, Netzwerke, Coaching, Mentoring und nur 10 Prozent vom theoretischen Lernen. Gute Unternehmen ordnen so ihre Entwicklungsprogramme. Mehr sollten es tun. Diese Kolumne ist von A bis Z erfunden, aber nicht realitätsfern …
 

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