Haben Kommunikationsabteilungen heute die Rolle, die sie in Unternehmen haben sollten? Der Blick in die Praxis sei ernüchternd, schreibt Christoph Lautenbach. Eine kritische Zustandsbeschreibung.
Haben Kommunikationsabteilungen heute die Rolle, die sie in Unternehmen haben sollten? Die Antwort, die Lehrbücher geben, ist vielversprechend: Unternehmenskommunikation wird darin als Managementfunktion beschrieben. Das war und ist der Anspruch einer noch jungen Disziplin, deren Professionalisierung und Verwissenschaftlichung Hand in Hand gehen.
Der Blick in die Praxis ist dagegen ernüchternd. Häufig scheint es nicht gelungen, Unternehmenskommunikation intern als strategisch relevant zu positionieren. Auf die in Audits gestellte Frage nach dem, was die eigene Kommunikationsabteilung auszeichnet, antworten Vorstände oder Geschäftsführer mitunter: Sie sei dafür zuständig, die Weihnachtsfeier zu organisieren, Kundenbriefe zu redigieren, Videos zu drehen, Websites zu coden, Merchandise zu bestellen und so weiter. Offensichtlich sind das Serviceaufgaben, die anderweitig besser und günstiger erbracht werden können, aber mit den Kernaufgaben der Unternehmenskommunikation wenig zu tun haben.
Die AkzeptanzlückeJeder Kommunikationsprofi wünscht sich Anerkennung und Akzeptanz im Unternehmen. Das Idealbild ist ein Top-Management, das die Unternehmenskommunikation als internen Berater und Sparringspartner schätzt. Die Studie „Perceptions and positioning of communication departments“, die Ansgar Zerfaß an der Universität Leipzig durchgeführt hat (
siehe PR Report 4/2024), zeigt aber: Die interne Wahrnehmung ist eher schwach. Den befragten Top-Managern und Führungskräften ist zu großen Teilen nicht klar, welche Rolle die Unternehmenskommunikation hat und wie sie Wert schafft. Zerfaß spricht von einer „Akzeptanzlücke“.
Die Studie bestätigt: Top-Manager in deutschen Großunternehmen sehen ihre Kommunikationsabteilung vor allem als internen Dienstleister und Entwickler von Inhalten. Nur 50 Prozent sind davon überzeugt, dass sie sie bei der Erfüllung ihrer Aufgaben unterstützt. Fast ebenso viele bezweifeln, dass sich die Ausgaben dafür rechtfertigen lassen. Kommunikationsabteilungen müssen sich vorwerfen lassen, zu wenig Verständnis für die Strategie und das Geschäftsmodell der Organisation mitzubringen. Fachbereiche kritisieren fehlende Fachlichkeit und mangelndes Verständnis für geschäftliche Belange.
Die meisten Unternehmensziele hängen vom Verständnis, der Akzeptanz und der Unterstützung durch Mitarbeiter und Kunden, Investoren oder gesellschaftlichen Interessengruppen ab. Die Unternehmenskommunikation ist die einzige Funktion, die alle Stakeholder im Blick hat; die 360-Grad-Orientierung ist ihr Alleinstellungsmerkmal. Ihr Wert besteht nicht nur darin, die Beziehungen zu den wichtigsten Stakeholdern zu managen, sondern auch darin, deren Interessen und Erwartungen in die Organisation hineinzutragen und einzuordnen.
Das falsche SelbstverständnisKommunikationsprofis ist das bewusst, aber das Top-Management hat davon zu oft kaum Kenntnis. Entsprechend greift es nur sehr beschränkt auf die Unterstützung der Kommunikationsabteilung zu, wenn es um erfolgskritische strategische Aufgaben geht. Sei es die Chancen-Risiko-Bewertung im schwierigen Marktumfeld, die Entwicklung eines Leitbilds, die Erneuerung der Markenpositionierung, die Planung einer Fusion oder die Begleitung eines Transformationsprojekts. Immer mehr nehmen Vorstandsstäbe oder Strategieabteilungen dies selbst in die Hand.
Zu einer diffusen Wahrnehmung trägt bei, dass Kommunikationsabteilungen mitunter auf den wichtigen Bestandteil „Unternehmens“ im Wort „Unternehmenskommunikation“ verzichten und nur von „Kommunikation“ sprechen. Ohne diese Determinante wird es schnell beliebig.
Besonders dramatisch: Viele Kommunikationsteams können nicht schlüssig erklären, was sie tun und warum sie es tun. Auch die bloße Unterscheidung zwischen Unternehmens- und Marketingkommunikation – zwei komplett unterschiedliche Aufgabenfelder – ist den handelnden Kommunikationsprofis nicht immer klar. Nicht von ungefähr hat sich in den vergangenen Jahren manche Abteilung Unternehmenskommunikation zu einem Marketing Service oder Sales Support entwickelt.
In der Regel ist bereits mit der Gründung einer Unternehmenskommunikation deren Mandat angelegt: Als Abteilung, die direkt an den CEO oder den Sprecher der Geschäftsführung berichtet, hat sie den Auftrag, das Top-Management bei der Umsetzung der Strategie und bei der Steuerung des Unternehmens als Ganzes zu unterstützen.
Aber dieses Mandat haben sogar Leitungsteams häufig nicht deutlich vor Augen. Schlimmer noch: Selbst wenn Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten beschrieben sind, besteht keine Gewähr, dass sich Kommunikationsteams auch danach verhalten. Eine Grundvoraussetzung für die Ausübung einer Managementaufgabe ist aber genau das: Sich der eigenen Rolle bewusst zu sein und danach zu handeln, sie zu erklären und auch zu verteidigen. Das passiert leider viel zu selten.
Verbreitet ist ein Selbstverständnis, „Services“ für alle möglichen „internen Kunden“ erbringen zu wollen. Mit dem Agieren als eine Art Inhouse-Agentur hebeln Kommunikationsabteilungen ihre Führungsrolle aus. Natürlich arbeiten sie zuweilen nah am CEO, beispielsweise wenn eine Rede individuell abzustimmen oder ein Interview eng zu begleiten ist. Aber es kann passieren, dass Nähe und Relevanz verwechselt werden.
Wer sich von Governance zu Service bewegt, darf sich kaum wundern, wenn er nicht in die Planungen des Top-Managements einbezogen wird und wenn mit jedem Sparprogramm Budgets und Personalressourcen gestrichen werden. Service lässt sich skalenoptimieren, Governance nicht.
Angesichts einer schwachen internen Positionierung und einer ungeklärten Rolle erstaunt es nicht, wenn andere Funktionen die Führungsrolle der Kommunikationsabteilung anzweifeln und eigene Kommunikationsteams zur Unterstützung ihrer Interessen aufbauen. Das sollte eine gut verankerte Unternehmenskommunikation niemals zulassen.
Drei elementare FragenMeine Zustandsbeschreibung ist subjektiv und an einigen Stellen zugespitzt. Sicher ist aber, dass die Klärung von Mandat und Rolle überfällig ist. Sie wird vor dem Hintergrund der gewaltigen Herausforderungen durch Künstliche Intelligenz dringlicher. Drei Fragen sollten sich Kommunikationsabteilungen stellen:
1. Business-Orientierung: Verstehen wir wirklich, was unser Unternehmen erfolgreich macht?
2. Zugang: Ist die Kommunikationsleitung in die Entscheidungen des Top-Managements direkt eingebunden?
3. Mandat: Haben wir selbst geklärt und gut genug erklärt, was Unternehmenskommunikation ist, und haben wir hinreichend verdeutlicht, worin unser Auftrag besteht?
Über eine ehrliche, selbstkritische Analyse lässt sich die eigene Positionierung bewerten und anschließend der Handlungsbedarf ableiten. Geschieht das nicht, braucht es manche Unternehmenskommunikation womöglich bald nicht mehr.
Autor: Christoph Lautenbach ist Managing Partner der Beratung Lautenbach Sass. Seit mehr als 25 Jahren begleitet er Strategieprozesse und Organisationsentwicklungen in der Unternehmenskommunikation. Zusammen mit Ansgar Zerfaß von der Universität Leipzig hat er das „Communication Business Model“ entwickelt, das dabei hilft, das Geschäftsmodell für eine Kommunikationsabteilung zu verbessern.