Kurz, vertikal und spannend: Zehn Grundregeln für Social-Media-Clips von Amelie Marie Weber.
Lustig, locker und selten länger als eine Minute – Kurzvideos sehen so einfach aus. Doch genau das macht die Produktion der Clips besonders herausfordernd. Zehn Tipps, wie es gelingt.
1. Themen auf die Zielgruppe zuschneiden„Welche Themen funktionieren bei Tiktok?“, ist eine der häufigsten Fragen. Die Antwort lautet: „Alle.“ Es kommt einfach darauf an, wie wir sie aufbereiten. Viele der unzähligen Kurzvideos, die täglich hochgeladen werden, sind nur zur Unterhaltung gedacht, doch eine große Anzahl transportiert auch wertvolles Wissen. Hätten Sie gedacht, dass einige der erfolgreichsten Tiktok-Creator Deutschlands auch vermeintlich trockene Themen wie Jura oder Steuern erklären? Tim Hendrik Walter (@herranwalt) oder Fabian Walter (@steuerfabi) begeistern mit ihren Lernvideos ein Millionenpublikum.
Sicher ist: Deren Erfolgsgeheimnis liegt vor allem in der verdeutlichten Klarheit, was ihre Themen mit dem Leben ihrer jungen Zielgruppe zu tun haben und warum sie für sie relevant sind. Erfolgreich ist, wer den Nutzerinnen und Nutzern einen echten Mehrwert bietet – egal, zu welchem Thema.
TIPP: In der PR-Werkstatt "Kurzvideos für Social Media" bieten wir noch viel mehr praktische Tipps für Tiktok, Instagram und Co.
2. Information mit Emotion verbindenTiktok, Reels und Co. leben von Emotionen. Rührende Katzenvideos, atemberaubende Actionszenen, komische Comedy-Clips – das kommt gut an. Nüchterne Nachrichten haben es daneben schwer. Wer mit Kurzvideos Informationen vermitteln möchte, muss deshalb einen Weg finden, Themen zu emotionalisieren, ohne unseriös zu werden. Auch Lernvideos können und sollten lustig, aufregend oder bewegend sein. Darunter dürfen Qualitätsstandards selbstverständlich nicht leiden. Es ist eine Herausforderung, den richtigen Ton zu treffen, ohne Clickbaiting zu betreiben. Doch die Arbeit lohnt sich: Wer es schafft, der Community etwas beizubringen und sie zugleich zum Staunen, Schluchzen oder Schmunzeln zu bringen, bindet sie an sich.
3. Kurzfassen Es liegt auf der Hand und muss dennoch besonders betont werden: Kurzvideos sollten kurz sein. Wie kurz? So kurz wie möglich. Zwar dürfen Tiktok-Clips inzwischen bis zu zehn Minuten lang sein, doch dass ein so langes Video viral geht, ist extrem unwahrscheinlich. Reels und Shorts beschränken sich bisher auf 60 bis 90 Sekunden.
Vor allem gilt: Die sogenannte Watchtime ist eine wichtige Variable im Algorithmus von Tiktok, Reels und Co. Das bedeutet, dass der Erfolg eines Videos stark davon abhängt, wie lange Nutzerinnen und Nutzer dranbleiben. Wie viele schauen sich den Clip bis zum Schluss an? Wie hoch ist die durchschnittliche Nutzungsdauer oder womöglich die Mehrfachnutzung? Eine gute Watchtime erhöht die Chancen, viral zu gehen, enorm.
Je kürzer ein Clip, desto wahrscheinlicher ist es, dass er bis zum Schluss angesehen wird. Deshalb sollten Sie über jeden Satz, jeden Nebensatz, jedes Wort genau nachdenken und sich stets fragen, ob es noch prägnanter und kürzer gehen könnte. Für das Bedürfnis, Themen ausführlich von allen Seiten zu beleuchten, bleibt in Kurzvideos einfach keine Zeit. Aber Sie könnten Ihr Thema in drei einzelne Fragen aufteilen und so drei 30-sekündige Videos produzieren. Das reduziert Komplexität und Dauer – der Algorithmus wird es belohnen.
4. „Scrollstopper“ kreierenWie immer im Leben gilt auch für Kurzvideos: Der erste Eindruck zählt. Nutzerinnen und Nutzer scrollen stundenlang von Video zu Video, aber entscheiden binnen weniger Sekunden, ob sie dem Video eine Chance geben oder weiterwischen. Was Sie deshalb brauchen, ist ein sogenannter Scrollstopper. Ein Überraschungsmoment, der Nutzerinnen und Nutzer zu Zuschauerinnen und Zuschauern macht. Der Einstieg in ein Kurzvideo ist deshalb extrem wichtig. Ein fesselndes Bild, ein unerwarteter Satz, ein lustiger Effekt – es gibt viele Möglichkeiten, im Strudel der Videos aufzufallen. Nutzen Sie sie.
5. Spannungsbogen aufbauenWie erwähnt, ist die Watchtime einer der wichtigsten Faktoren im Bereich der Kurzvideos. Um sicherzustellen, dass Zuschauerinnen und Zuschauer möglichst lange dranbleiben, müssen Sie sich eine geeignete Strategie überlegen. Wie jede gute Geschichte brauchen auch Kurzvideos einen roten Faden und einen Spannungsbogen.
6. Vertikal filmenBesonders Journalistinnen und Journalisten aus der TV-Branche neigen hin und wieder dazu, Ausschnitte ihrer Sendungen im horizontalen 16:9-Format veröffentlichen zu wollen, wie es bei Kinofilmen oder klassischen Youtube-Videos der Fall ist. Das passt aber leider so gar nicht zu den aktuellen Social-Media-Nutzungsgewohnheiten. Kurzvideos sind für Apps auf mobilen Endgeräten gedacht und sollten deshalb unbedingt vertikal, also 9 : 16, produziert oder zugeschnitten werden.
7. Die richtige Musik nutzenDie meisten Nutzerinnen und Nutzer schauen sich Kurzvideos mit Ton an. Das bedeutet: Der Sound ist relevanter als bei anderen Social-Media-Formaten wie Stories, die häufig auch ohne Ton konsumiert werden. Nicht nur deshalb spielen Musiktrends auf Tiktok und Instagram eine große Rolle.
Nutzerinnen und Nutzer kreieren auf der Plattform unterschiedlichste Dance-Challenges, Lip-Sync-Battles oder Memes und verwenden dafür bestimmte Songs. Dabei kommt es immer wieder vor, dass einzelne Sounds einen regelrechten Hype auslösen.
Hat ein Song auf Tiktok Erfolg, nutzen Millionen Menschen in kürzester Zeit den gleichen Ausschnitt, um einen beliebten Tanz aufzuführen oder sich in Szene zu setzen. So werden Songs durch Tiktok populär. Der Erfolg auf der Plattform zeigt sich dann meist auch bei Apple Music, Spotify und im Radio. Umgekehrt kann die Verwendung bestimmter Hits zum Erfolg auf der Plattform verhelfen. Wer sich an den Trend-Sounds orientiert, erhöht die Wahrscheinlichkeit, selbst viral zu gehen.
Aber Achtung: Der Gesetzgeber verbietet Unternehmen die unerlaubte Benutzung und Verbreitung von geschützter Musik. Während private Nutzer direkt in der App aus vielen populären Songs wählen können, gilt das nicht für Marken und Firmen, darunter auch Medienhäuser: Sie können lediglich auf eine lizenzfreie Musik-Bibliothek in der App zugreifen. Dort finden sich zwar zahlreiche Stücke verschiedener Genres. Die wahren Hits – und damit viele Trends – können jedoch nicht genutzt werden, sonst drohen empfindliche Strafen.
8. Videos unabhängig voneinander gestaltenDie Algorithmen in den sozialen Medien verändern sich und mit ihnen die Nutzungsgewohnheiten. Die wohl größte Besonderheit von Tiktok und Co. ist der Empfehlungsalgorithmus, der jedem Video die Chance gibt, eine hohe organische Reichweite zu erzielen. Auch ohne große Followerzahlen oder Mediabudget. Während Plattformen wie Facebook oder Instagram bisher vor allem auf Verbindungen setzten, wird bei Kurzvideos ein Fokus auf die Inhalte selbst gelegt.
Dadurch kommt es immer häufiger vor, dass Usern Videos von Creatorn angezeigt werden, die sie bis dahin nicht kannten. Man darf also nicht davon ausgehen, dass Menschen, die das neue Video eines Accounts sehen, auch das vorherige gesehen haben oder mit dem Account vertraut sind. Deshalb ist es wichtig, die Inhalte so aufzubereiten, dass sie alleinstehend funktionieren. Selbstverständlich können Sie in einem Nebensatz darauf verweisen, dass Sie bereits ein Video zu einem ähnlichen Thema veröffentlicht haben. Doch grundsätzlich muss jeder Clip auch für diejenigen verständlich und unterhaltsam sein, die zum ersten Mal mit dem Profil in Kontakt kommen.
9. Neues ausprobieren Kurzvideos sind eine großartige Möglichkeit, kreativ zu sein. Die Welt der kurzen Clips dreht sich schnell. Täglich tauchen neue Trends und Themen auf. Es ist wichtig, sich auf die Plattformen einzulassen und ein Gefühl für sie zu entwickeln. Wer erfolgreich sein will, sollte stets offen für neue Ideen und Inhalte sein. Das macht Spaß. Versprochen!
10. DranbleibenDie Regel „Weniger ist mehr“ gilt bei Kurzvideos ganz und gar nicht. Das Motto lautet eher: „Viel hilft viel“, denn jedes Video bietet aufs Neue die Chance, viral zu gehen. Natürlich sollte die Qualität aufgrund der Quantität nicht leiden. Erfolgreiche Influencer laden mitunter mehrere Videos pro Tag hoch. Mit den üblichen Personalressourcen und einem gewissen Anspruch ist das kaum möglich. Im Zweifel sollte man sich lieber um zwei gute Videos statt sieben schlechte bemühen. Wichtig ist, dass kontinuierlich neue Inhalte produziert werden und auf fünf Videos pro Woche nicht fünf videolose Wochen folgen.
Auch sonst lohnt es sich, dranzubleiben. Die Algorithmen bei Tiktok, Reels und Co. ermöglichen Creatorn Millionenreichweiten in kurzer Zeit, garantieren sie aber nicht. Sie sollten deshalb nicht enttäuscht sein, wenn der große Durchbruch auf sich warten lässt. Man kann mit dem ersten Video drei Millionen Views erreichen oder dreißig. Man kann in Windeseile Tausende Follower erreichen oder eine ganze Zeit lang quasi gar nicht entdeckt werden. Exakte Reichweitenziele sind deshalb schwer zu formulieren.
Sie sollten sich stattdessen überlegen, ob Sie Ihren Erfolg auch an anderen Faktoren messen können: Verstehen wir die Plattform? Machen wir gute Inhalte? Verbessert sich die Qualität unserer Videos? Finden wir neue Erzählwege? Es kommt nicht nur auf die Zahlen an.
Autorin:
Amelie Marie Weber wurde 1995 in Kaiserslautern geboren und studierte Medien- und Kommunikationswissenschaften an der Universität Mannheim. Als Head of Social Media gründete sie im Februar 2021 den TikTok-Kanal der Funke Mediengruppe, mit dem sie Millionen junger Menschen mit politischen Themen erreichte. Seit März 2024 arbeitet Weber als Redakteurin und Presenterin im Social Media-Team der “Tagesschau”. Im Oktober 2023 erschien ihr erstes Buch “Generation Hoffnung”. Der Mediendienst Kress und das Medium Magazin zählen Amelie Marie Weber zu den vielversprechendsten Nachwuchstalenten der Branche. Für ihre Arbeit wurde sie mehrfach mit Preisen ausgezeichnet.