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Max Orgeldinger (l.) und Christoph Bornschein (Foto: Shai Levy, TLGG)
08.05.2024   Wissen & Praxis
„Werden Vergütungsmodelle aus der Software-Branche sehen“
Max Orgeldinger und Christoph Bornschein von TLGG sagen, wie Agenturen und Unternehmen sich für das KI-Zeitalter aufstellen müssen.
Bei dem folgenden Interview handelt es sich um einen kurzen Auszug aus einem ausführlichen Gespräch mit Max Orgeldinger und Christoph Bornschein im aktuellen PR Report über die Umwälzungen durch Künstliche Intelligenz.
 
Wie KI-fit sind die Marketing- und Kommunikationsabteilungen in deutschen Unternehmen?
Christoph Bornschein: Marketing und Kommunikation werden immer stärker durch Technologie geprägt: die Komplexität der Kanäle steigt, die technologischen Möglichkeiten steigen, die Bedeutung von Daten steigt. KI beschleunigt das alles und erhöht den Druck. Aber viele Unternehmen und Agenturen haben immer noch zu wenig Technologiekompetenz. Dabei werden Technologie und Technologiekompetenz für sie überlebenswichtig, beide Seiten müssen in dieser Hinsicht massiv aufrüsten. Mit der Anschaffung von Tools und Lizenzen ist es dabei selten getan. Mitarbeitende müssen befähigt, mittelfristig Prozesse und Teams neu entwickelt und strukturiert, rechtliche Aspekte untersucht und Lösungen gefunden werden. Vor allem aber gilt es, eine Bewertungskompetenz aufzubauen, die strategisches Handeln ermöglicht, wo aktuell die meisten der Entwicklung nur hinterherlaufen.

Was raten Sie kleineren Unternehmen, deren PR- und Marketingabteilungen auch personell weniger Mittel einsetzen können, wie sie beim Thema KI am Ball bleiben können?
Max Orgeldinger: Diese Unternehmen sind in einer sehr schwierigen Position, weil sie oft trotzdem eine gewisse Komplexität und hohe regulatorische Anforderungen haben. Und wahrscheinlich auch eine Belegschaft, die schon länger dabei ist. Da ist es sicher ratsam, sich eine Agentur an die Seite zu holen, die fit in Sachen KI und Technologie ist und für die man der größte Kunde ist.

Viele große Unternehmen haben eigene interne GPT-Lösungen eingeführt (siehe Blick in den PR-Maschinenraum von Bosch, Otto, Telekom und anderen in PR Report 6/2023). Ist das sinnvoll?
Bornschein: Das ist sicher nicht der größte Quatsch der Welt, um komplexe Informationen in einer Organisation besser zugänglich zu machen. Wissensmanagement auf Speed sozusagen. Aber es ist nicht die Applikation, die das Potenzial von KI voll ausschöpft. Bei Weitem nicht.
 
Max Orgeldinger: Unternehmen sollten versuchen, KI-Kompetenz und eine entsprechende Infrastruktur aufzubauen, toolseitig aber möglichst agnostisch bleiben und keine langen vertraglichen und technologischen Verpflichtungen eingehen. Wenn eine eigene GPT-Instanz der Weg ist, um Know-how und Datenstrukturen aufzubauen, ist das gut. Aber Unternehmen sollten zum jetzigen Zeitpunkt nicht alles auf ein System setzen, weil offen ist, wie die Tool-Landschaft sich entwickeln wird.
 
Wie verändert generative KI den Agenturmarkt und das Geschäftsmodell von Agenturen? Wie verändert sie das Geschäftsmodell von Omnicom und TLGG?
Bornschein: Traditionelle Agenturaufgaben werden durch Automatisierung sicher an Bedeutung verlieren. Es braucht keinen Menschen mehr, um einen Text oder ein Visual qualitätsgesichert an verschiedene Märkte und Sprachen anzupassen. Agenturen, die es nicht schaffen, sich von dieser handwerklichen Produktionsleistung zu lösen, werden Probleme bekommen. Die Transformationsaufgabe bei Omnicom wird es sein, unsere Kunden stärker in Sachen Technologie zu beraten sowie Content und Daten zusammenzubringen, ohne dass wir dabei unsere kreativen Wurzeln verlieren. Kreativität bleibt für Agenturen ein entscheidender Wettbewerbsvorteil.
 
Orgeldinger: Natürlich verändert KI vieles, es kommen neue Technologien hinzu, es sind neue Fähigkeiten gefragt. Aber die Kernaufgabe von Agenturen hat sich trotz des Medienwandels in den vergangenen Jahren nicht verändert und wird es auch künftig nicht tun. Gute Agenturen verkaufen keine Social-Media-Posts oder Videos oder Kampagnen, sondern Lösungskompetenz, Kreativität, Marken- und Zielgruppenverständnis.

Meist rechnen Agenturen ihre Leistungen über Stundensätze ab. Ist das Honorarmodell Zeit gegen Geld noch haltbar, wenn KI für mehr Tempo und Effizienz sorgt?
Bornschein: Das Portfolio der Wertschöpfung von Agenturen erweitert sich. Das angesprochene „Time-and-material“-Modell wird es weiterhin geben. Wir werden auch erfolgsbasierte „Pay-per-Outcome“-Modelle sehen. Das gibt es ja heute schon. Und wir werden Vergütungsmodelle aus der Software-Branche sehen, weil Agenturen künftig auch in der Lage sein müssen, technologische Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln.

Orgeldinger: Das Modell Zeit gegen Geld wird weiter dominierend sein. Es gibt einen guten Grund dafür, dass sich Stundensätze so lange halten. In Agenturen, die keine Softwarefirmen werden, sitzen am Ende immer noch Menschen, die Aufgaben machen, die abgerechnet werden müssen. Denn viele Ergebnisse einer kreativen oder beraterischen Leistung sind letztlich schwer zu messen. Deshalb ist dieses Modell für beide Seiten weiterhin sinnvoll.

TLGG wurde 2008 gegründet und galt damals als Deutschlands erste Social-Media-Beratung. Wenn TLGG heute gegründet würde, wäre es dann eine KI-Agentur?
Bornschein: Nein, weil KI kein neuer Kommunikationskanal ist, sondern eine Querschnittstechnologie. Dafür braucht es keinen Spezialdienstleister.


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