Der Experte Niklas Fischer erklärt, wie Tiktok die Social-Media-Welt umgewälzt hat und welche Kennzahlen entscheidend sind.
„Die Zeiten der Follower sind vorbei!“ So lautete der Titel Ihres Workshops beim PR Report Camp 2023. Warum sind die Zeiten der Follower vorbei?Niklas Fischer: Social Media hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert. Die Plattformen sind heute nicht mehr network-driven, sondern content-driven. Inhalte können auch ohne eine große Follower-Basis viral gehen, weil zum Beispiel Tiktok vor allem Inhalte ausspielt, bei denen ein Algorithmus unterstellt hat, dass diese potenziell interessant für den jeweiligen User sein könnten – unabhängig davon, ob dieser einem Profil folgt. Bei Instagram beispielsweise gibt es Creator, die rund 16.000 Abonnentinnen und Abonnenten haben, aber deren Reels regelmäßig bis zu 400.000 Aufrufe schaffen. Ob Creator oder Unternehmen und Marken – für alle geht es zunehmend darum, mit jedem einzelnen Inhalt zu überzeugen. Auf eine Grundreichweite durch die Zahl der Followerinnen und Follower kann man sich nicht mehr verlassen.
In diesem Zusammenhang ist oft von einer „Tiktokisierung“ von Social Media die Rede.Die anderen Plattformen haben sich an Tiktok angepasst. Das betrifft den Algorithmus: Das interessengeleitete Ausspielen von Inhalten haben auch andere übernommen. Und es betrifft die vertikalen Videos: Auf diesen Trend sind Instagram mit Reels, Youtube mit Shorts und Snapchat mit Spotlight aufgesprungen. Instagram ist heute kein reiner Fotosharing-Kanal mehr, sondern ebenso eine Bewegtbild-Plattform.
Gibt es überhaupt noch nennenswerte Unterschiede zwischen den einzelnen Plattformen?Ja, vor allem im Hinblick auf die Zielgruppen. Deswegen sollte man auch nicht auf allen Plattformen dieselben Inhalte posten, auch wenn das Format ein vertikales Video ist. Instagram ist sehr mainstreamig, also interessant für Unternehmen mit eher breiten Zielgruppen. Tiktok wird weiter sehr stark von der Gen Z genutzt, die Inhalte sind oft vor allem unterhaltsam, viele Unternehmen nutzen die Plattform für das Employer Branding. Viele Trends von Tiktok finden sich zwei Wochen später bei Instagram Reels – was bei der Gen Z nicht gut ankommt, denn für sie ist das dann alter Content. Auch auf Snapchat ist die Gen Z. Hierzulande ist die Plattform eher eine Nische – eigentlich eine tolle Chance für Unternehmen, die Pionier sein möchten. Hinzu kommen noch formale Unterschiede zwischen den Plattformen, beispielsweise welche Videolängen erlaubt sind.
Zurück zur Eingangsfrage: Mit Blick auf die Kennzahlen sind die Follower als Erfolgsmaßstab also zu vernachlässigen?Zumindest wird es zunehmend schwerer, die Zahl der Follower zu steigern. Dennoch sollte man dieses KPI nicht vernachlässigen. Eine loyale Followerschaft, die regelmäßig mit den Inhalten interagiert, beispielsweise durch Kommentare, wird vom Algorithmus positiv bewertet. Das hilft, Reichweite und Views zu bekommen. Wobei es völlig normal ist, dass nicht alle Videos eines Profils gleich gut performen. Manche Inhalte finden erst Tage nach Veröffentlichung ihre Views. Deshalb sollte man Videos, die weniger gut performen, auch nicht löschen. Indes: Wenn man in der ersten Stunde ein solides Verhältnis von organischen Likes gegenüber Views aufbaut, ist das meiner Erfahrung nach auch ein gutes Zeichen für die Qualität des Contents. Das kann dazu führen, dass der Content positiver vom Algorithmus bewertet und weiter ausgespielt wird.
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Bei diesem Interview handelt es sich um einen Auszug eines längeren Gesprächs aus der aktuellen PR-Werkstatt "Kurzvideos für Social Media". Darin erklärt Fischer, welche Kennzahlen besonders wichtig sind, warum Kurzvideos einen "Thumb-stopping-Moment" und eine gute "Hook" brauchen und welche Unternehmen Tiktok besonders gut machen.
Zur Person: Niklas Fischer hat über viele Jahre diverse Projekte für Unternehmen und Verbände begleitet. Aktuell arbeitet das #30u30-Mitglied als Social-Media-Manager bei Amazon Music.