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News / Warum PR-Profis wie gute Ärzte sein müssen
Emilio Galli Zugaro (Foto: Oliver Soulas)
01.03.2024   Kolumne
Warum PR-Profis wie gute Ärzte sein müssen
Unser Kolumnist Emilio Galli Zugaro über das Stethoskop der Kommunikation.
Jenna Ramos fängt im Juni bei ihrem neuen Arbeitgeber an, sie soll Kommunikationschefin werden und scharrt mit den Hufen. Der jetzige Amtsinhaber wird im Dezember in den Ruhestand gehen und sie soll sechs Monate „mitlaufen“, bis sie das Steuer dann in 2025 übernimmt.
 
Es geht ihr alles zu langsam und sie würde gerne gleich loslegen. Sie kennt das Metier aus dem Effeff und hat schon klare Vorstellungen für die Kommunikationsstrategie. Die Bewerbungsgespräche mit dem CEO und dem Finanzchef haben ihr die Richtung gezeigt: Es geht darum, den schon öffentlich deklamierten, notwendigen Kulturwandel bei der Firma mitzugestalten.
 
Ich halte meine Augenbrauen in Schach: Das Wort „Kulturwandel“ habe ich als Begriff erlebt, der oft gebraucht wird, öfter aber noch missbraucht. Also möchte ich mehr wissen. Schließlich soll ich Ramos mit Gesprächen zur Seite stehen, damit sie sich warmläuft.

Fragen schadet nie, oder?
Was sie für ein Bild davon habe, frage ich, um was genau es bei diesem „Kulturwandel“ gehe und wie die Stakeholder dazu stehen würden? Sie hat mitgenommen, dass sich der Fokus der Kommunikation verschieben soll: von der finanziellen Performance auf die Kunden.
 
Geht es dabei nur um die Kommunikation eines Mindsets oder wird auch das Geschäftsmodell des gesamten Unternehmens verändert, mit neuen Produkten, neuen Zielen und der Nutzung neuer KPIs? Sie denkt nach: „Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht.“
 
Und wie könnte sie das in Erfahrung bringen? „Tja, fragen schadet nie“, antwortet Ramos und setzt Stirnfalten auf. Es rattert in ihrem Kopf, sie schaut aus dem Fenster.
 
Dann fragt sie: „Und wenn ich vor Juni ein paar Leute frage, wie sie den Kulturwandel verstehen und sehen?“ Warum nicht, erwidere ich, wenn das der Amtsinhaber und der CEO mittragen …
 
„Und was, wenn nicht?“, fragt sie. „Ich will ja genau verstehen, wo Konflikte sind, Störgefühle. Vielleicht kommt das ungelegen und sie geben mir zu verstehen, dass ich einfach im Juni anfangen sollte und der Rest ergibt sich bei der Einarbeitung?“
 
Was wäre, wenn sie tatsächlich so antworten würden, möchte ich wissen. „Dann hätte ich schon etwas mehr über den ,Kulturwandel‘ verstanden“, schmunzelt sie. Ich freue mich über diese Antwort und dass ich mit dieser Frau arbeiten darf.

Der Plan
Sie macht sich Notizen und ich genieße die Ruhepause im Gespräch. Dann schaut sie auf und entwirft einen Plan, mit Kunden, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Betriebsrat, Aktionärinnen und Aktionären sowie ein paar anderen Interessensgruppen zu sprechen, um deren Verständnis vom Kulturwandel und konkrete Erwartungen daran zu begreifen.
 
Sie würde gerne mit der Aufsichtsratschefin anfangen. In unserer nächsten Session könnten wir einen Fragenkatalog durchgehen und bis dahin möchte sie sich das Einverständnis des Vorstandsvorsitzenden und des derzeitigen Kommunikationschefs holen.
 
„Ist das ein Plan?“, schaut sie mich ernst und etwas schief geneigten Hauptes an. Ich lache und sage: „Ja, und wie!“ Ich freue mich auf diese Reise von Jenna Ramos, ihre klare Gedankenstruktur und die Fähigkeit, sie in Aktionen umzusetzen. Ihr Impuls war, loszulegen, ihre Reflexion suggerierte: am besten mit Zuhören. Wie bei guten Ärzten, die sich viel Zeit für die Anamnese nehmen, bevor sie sich an eine Diagnose und an die Therapie wagen.
 
Und nächstes Mal werde ich mehr zum Kulturwandel erfahren und von den Gesprächen mit dem Aufsichtsrat. Oder auch nicht.


Diese Kolumne erschien zuerst im PR Report 1/2024.
 
Autor: Der beste Arzt im Leben von Emilio Galli Zugaro war ein Familienfreund in Rom, geboren 1919. Für die Anamnese nahm sich Prof. Fabiani nie unter zwei Stunden Zeit. Nach dessen Tod erhielt Galli Zugaro seine Patientenakte zurück, seitenlange, in Kalligraphie notierte Details über sein Leben, seine Sorgen, seine Ängste, vieles hatte er selber ­vergessen. Der Arzt nie, denn er schaute sie sich immer vor einem Termin an. Echt jetzt. Diese Kolumne ist indes von A bis Z erfunden, aber nicht realitätsfern …
 
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