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News / „CEOs sind erstaunlich oft eingeschnappt“
Meike Schreiber (Foto: Friedrich Bungert/SZ)
19.01.2024   Wissen & Praxis
„CEOs sind erstaunlich oft eingeschnappt“
Meike Schreiber von der „Süddeutschen Zeitung“ über dünnhäutige Vorstände, rote Flaggen und Kommunikationschefs, die früher Alpha-Tiere im Journalismus waren.
In Ihren Texten kritisieren Sie Vorstandschefs wie Christian Sewing von der Deutschen Bank oder Manfred Knof von der Commerzbank mitunter heftig. Wie gut gehen CEOs und andere Führungskräfte damit um?
Meike Schreiber: Ich finde, sie sind erstaunlich oft eingeschnappt. CEOs verdienen viel Geld, sind exponiert, haben hohe Verantwortung, da gehört es einfach zum Job, kritische Berichterstattung auszuhalten. Ich muss es ja auch abkönnen, wenn mich Leser hart angehen, auch wenn das per Mail oder auf Social Media ein anderer Rahmen ist.

Sind angestellte Manager empfindlicher als Unternehmer?
Empirisch kann ich das nicht belegen, aber ja, ich nehme das so wahr. In den Vorstandsetagen ist man sehr dünnhäutig, das hat sich über die Jahre kaum verbessert, da gibt es wenige Ausnahmen.
 
Gilt das auch für die Sprecher und PR-Chefs?
Da gibt es schon Profis, die unsere Rolle verstehen und nachvollziehen können. Aber es dürften mehr sein.

Erschwert harte Kritik später den persönlichen Kontakt oder reagieren die Betroffenen sportlich?
Wenn jemand beleidigt ist oder harte Kritik an einem Artikel übt, wird mir das meist von den PR-Leuten ausgerichtet. Bei persönlichen Treffen oder Interviews verhalten sich die meisten CEOs und Top-Manager professionell. Da hat mich bislang niemand grob angekoffert. Ich fände es aber gut, in den Dialog zu gehen und zu sagen, was einen stört. Ich bin offen und spreche das auch mal an. Ich beantworte auch gern Fragen zu meiner oder unserer Arbeit, das ist total okay.

Die Deutsche Bank hat seinerzeit Stefan Baron von der „Wirtschaftswoche“ und später Jörg Eigendorf von der „Welt“ als Kommunikationschefs verpflichtet. Mal an diesen Beispielen gefragt: Macht es die PR eines Unternehmens besser, wenn sie von früheren Top-Journalisten geleitet wird?
Die früheren Kollegen haben oft ein sehr starkes Sendungsbewusstsein. Sie verfügen über so viel Erfahrung, und sie wissen, wie Journalisten ticken – aber wer ein Alpha-Tier im Journalismus war, bringt nicht automatisch Dienstleisterdenken mit. Häufig wäre es geschickter, wenn sie sich mehr zurücknähmen.
 
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Herrscht zu viel Misstrauen?
Vielleicht, aber ich halte das für unangebracht. Ich versuche, maximale Transparenz herzustellen, indem ich etwa darüber informiere, wann meine Geschichte erscheint und falls gewünscht, in welche Richtung der Artikel und die Headline gehen. Umgekehrt finde ich es von Kommunikatoren gut, wenn sie die wichtigsten Journalisten auf eine Top-News hinweisen, die bald kommt. Dann können wir planen und uns vorbereiten.

Sie haben kritisiert, dass Unternehmen auch nach der Corona-Zeit ihre Bilanzpressekonferenzen virtuell abhalten. Was missfällt Ihnen daran?
Pressekonferenzen sind wichtige Termine, ja Treffpunkte. Journalisten und die Vertreter der Unternehmen tauschen sich persönlich aus, wir können direkt Fragen stellen, alles ist on the record. Und wir haben die Gelegenheit, zu beobachten: Wie reagieren Gesprächspartner auf Fragen, wie agieren Vorstandsmitglieder untereinander, wie geben sie sich?

Der Deutschen Bank haben Sie, was in Ihrer Berichterstattung nicht so häufig vorkommt, Lob gezollt für ihr Vorgehen.
Ja, weil sie ihre Leute nicht versteckt hat und zu einer PK im Hybrid-Format einlud: Journalisten konnten persönlich kommen oder sich von extern einwählen. Das ist moderner Standard in Nach-Corona-Zeiten. Bei der Deutschen Bank gesellten sich nach der Pressekonferenz sogar noch weitere Vorstände hinzu, die zuvor nicht gesprochen hatten. So konnte man am Buffet auch mit ihnen plaudern.

Bei anderen Unternehmen kritisieren Sie den Wunsch nach Abschottung – kommt der von den PR-Chefs oder von den Vorständen?
In erster Linie von den Vorständen, soweit ich weiß. Das ist für sie natürlich bequemer, und das Ganze lässt sich leichter kontrollieren. So wird aus einem Pressetermin das reinste Vorstandsfernsehen statt echter Dialog. Für mich sind solche Aktionen eine „red flag“, also ein Zeichen dafür, dass etwas nicht stimmt im Unternehmen und sich die Chefs nicht trauen, ihre Positionen zu vertreten und bei Widerrede zu verteidigen. Als PR-Verantwortliche würde ich alles in Bewegung setzen, um die Vorstände live auf die Bühne zu bringen. Diese Kritik bezieht sich ausdrücklich nur auf große Unternehmen, die ohnehin viel Aufmerksamkeit bekommen. Kleine Unternehmen sind ja oft froh, wenn überhaupt jemand zur PK kommt. Da hilft das digitale Format.


Das komplette Interview mit Meike Schreiber lesen Sie im aktuellen PR Report. Weitere Themen in dieser Ausgabe:

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