„Definieren Sie die Story nicht, schreiben andere sie“
Ceo-Kommunikation „Der CEO im Fokus – Lernen von den Besten für den richtigen Umgang mit der Öffentlichkeit“ lautet der Titel des Buches, das Jan Hiesserich zusammen mit der Journalistin Ursula Weidenfeld veröffentlicht hat. Darin erläutern unter anderem Topmanager deutscher Unternehmen, etwa Opel-Boss Karl-Thomas Neumann, ihr Kommunikationsverständnis. Mit dem PR Report sprach Hiesserich über die mediale Rolle von CEOs.
Herr Hießerich, Sie sind kein Anhänger einer aktiven CEO-Kommunikation. Was spricht dagegen?
Das ist nicht ganz richtig, ich warne nur davor, CEO-Kommunikation als etwas Isoliertes, als Add-on, zu betrachten, das man mal nutzt oder eben nicht. Die Frage suggeriert, dass man heute noch frei darüber entscheiden könne, ob der CEO in der Öffentlichkeit steht oder nicht. Die Medienvertreter, mit denen wir gesprochen haben, widersprechen dem deutlich. In der Tat ist die CEO-Rolle von ihrem Wesen her mehr denn je auch eine kommunikative Aufgabe. Und wenn die Kommunikation ein Wesensbestandteil der CEO-Aufgabe ist, dann sollte sich die Frage nach der Vorbereitung nicht mehr stellen.
Die Wirtschaftsberichterstattung nähert sich der politischen Berichterstattung an, Geschichten werden anhand von Personen erzählt. Wie muss sich ein designierter CEO auf diesen Wandel einstellen?
CEOs sind heute Protagonisten, ob sie wollen oder nicht. Ein Protagonist ohne Geschichte ist aber nicht denkbar. Die Frage ist also immer auch: Welche Geschichte wird erzählt? Habe ich einen Einfluss darauf? Wenn ein CEO neu ins Amt kommt, dann wollen die Mitarbeiter, Kunden, aber auch Investoren, Analysten oder Politiker wissen, wer das ist. Wofür steht der Neue, was kommt jetzt? Darauf sollte man sich vorbereiten und sich über wenige, aber bewusst ausgewählte Geschichten auch ein Stück weit öffnen und greifbar machen. Wenn Sie auf die Definition der Story verzichten, werden andere diese schreiben. Und Sie laufen Gefahr, die Kontrolle über die eigene Deutungshoheit zu verlieren.
Sie beobachten eine zunehmend skeptische Haltung bei CEOs, sich als Person gegenüber den Medien zu öffnen. Warum hat sich der Managertyp verändert?
Es sind nicht so sehr die Manager sondern vielmehr das Umfeld, das sich gewandelt hat. In Zeiten einer fortschreitenden Personalisierung und Skandalisierung der Berichterstattung ist es verständlich, dass manch ein Topmanager öffentliche Auftritte skeptisch sieht. Andererseits haben Wirtschaftsthemen spätestens mit der Finanz- und Wirtschaftskrise deutlich an Relevanz gewonnen. Das bedeutet auch, dass die führenden Köpfe der Wirtschaft dieses öffentliche Interesse aufgreifen und sich als Ansprechpartner zur Verfügung stehen sollten – auch oder gerade wenn es um die Aufarbeitung von Missständen oder kritischen Themen geht. Gefragt sind also beide Seiten, Medien und Wirtschaft. Schließlich gilt, was Ann-Kristin Achleitner sagte: „Es gibt heute ein Defizit an Diskussion, nicht an Unterhaltung.“
Wie kann der CEO eine unvorteilhafte Rollenzuschreibung durch die Medien abwenden oder korrigieren?
Nicht von ungefähr berichten viele unserer Gesprächspartner von einer tiefgreifenden Überraschung über das immense öffentliche Interesse an der eigenen Person, das mit dem Schritt an die Spitze einhergeht. Diese Überraschung zeigt doch eindrucksvoll, dass es meist nicht die fachliche Vorbereitung ist, an der es hapert. Was häufig fehlt ist vielmehr das Erfahrungswissen im Umgang mit der Öffentlichkeit. Hier gilt es bereits frühzeitig das Bewusstsein zu schärfen. Schließlich scheitern noch zu viele Topmanager nicht an ihren fachlichen Qualitäten, sondern an ihren kommunikativen Defiziten, also beispielsweise in Folge von Missverständnissen.
Bahn-Chef Grube hält sich zum Tarifkonflikt zurück, es spricht der Personalvorstand. Wie sinnvoll ist es mehrere Narrative und Rollen gegenüber den Medien zu aufzubauen?
In der Tat spricht nichts dagegen, die Kommunikation im Vorstand auf mehrere Schultern zu verteilen. Die Bahn ist dafür sicherlich ein gutes Beispiel, ebenso wie die Aufgabenteilung zwischen CEO Michael Diekmann und Finanzvorstand Paul Achleitner während ihrer gemeinsamen Zeit bei der Allianz. Wichtig ist nur, dass man eine solche Entscheidung bewusst trifft. Denn allem ruht auch ein symbolischer Wert inne. Und wenn der Vorstand nicht synchron oder mit einer Stimme spricht, könnte auch dies negativ ausgelegt werden. Zudem darf natürlich die Situation des Unternehmens nicht aus den Augen verloren werden. Wenn sich das Unternehmen in schwierigem Fahrwasser befindet, wenn also Fragen aufgeworfen werden, auf die es keine leichten oder unmittelbaren Antworten gibt, dann gilt es Sicherheit über Persönlichkeit zu schaffen. Und das kann keiner besser als der CEO.
Foto: Michael Dannenmann