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News / Top-Leute zurück ins Büro! Echt jetzt?
Emilio Galli Zugaro (Foto: Oliver Soulas)
24.10.2023   Kolumne
Top-Leute zurück ins Büro! Echt jetzt?
Eine Kolumne von Emilio Galli Zugaro.
Jürgen Martin, der CEO, hadert. Sein Unternehmen ist in den vergangenen Jahren Achterbahn gefahren. Erst Corona, dann die Erneuerung des Geschäftsmodells wegen des Ukraine-Kriegs. Das hat dem Team viel abverlangt. Zudem eine chronische Unterversorgung mit Talenten, die Schwierigkeit, Ingenieure und IT-Kräfte zu gewinnen, das weibliche Potenzial auf dem Arbeitsmarkt zu heben – ein echter Kraftakt. Dabei wurde die Firma mutiger und flexibler bei der Gestaltung der Arbeit: Mit Corona wurde Remote Working wichtig beim Rekrutieren und Halten von Leistungsträgerinnen und -trägern.
 
Aber darüber haben wir doch oft geredet. Womit hadert er nun?
 
Martin rückt mit der Sprache raus: Er will sich von dem Duo trennen, das die Kommunikation leitet. Um sich an die Begründung zu trauen, muss er weit ausholen. Er wolle nicht, dass das als Rückfall in alte Zeiten gedeutet wird. Aber Kommunikationschefs würden Anspruch und Aufgaben nicht gerecht, wenn sie vorwiegend von zu Hause arbeiten.
 
Ich bin baff. Wie oft haben wir darüber gesprochen, dass eine pauschale Rückholung aller in die Büros ein Rückschritt wäre. Und jetzt das?
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Martin will klarmachen, dass es dabei um zwei verschiedene Dinge gehe. Gute Leute verlieren oder demotivieren, das wolle er nicht. Auch nicht die neuen Regeln umschmeißen. Es gehe ihm allein um die Top-Jobs. Er sei zu dem Schluss gekommen: C-Level-Aufgaben könne man nicht von daheim ausüben. Neben der Notwendigkeit, die PR-Spitze bei Krisen physisch schnell beim Vorstand zu haben, sieht er das Gefüge der Stakeholder-Beziehungen geschwächt, wenn sie nicht persönlich gepflegt werden. Das gelte für die Führung des Teams, aber vor allem für die enge Einbindung der Interessengruppen.
 
Die Neuaufstellung lokaler Beziehungen mit Osteuropa nach der Trennung vom Russland-Geschäft, das Derisking enger Beziehungen zu Markt und Lieferanten in China, das Werben um Akzeptanz bei Investoren, Kunden, Zulieferern und Politik: Das gehe nicht aus dem Homeoffice oder an nur zwei Tagen die Woche aus dem Büro. Präsenz sei Pflicht für Vorstand und Kommunikationsführung.
 
Er wolle die erste Garde vor Ort haben, denn er nehme sie ernst. Er habe begriffen, dass die Kommunikation mit am Tisch der Entscheidungen sitzen muss. Aber bitte tatsächlich am Tisch, nicht vorm PC daheim.
 
Der Schritt in den Abgrund
Jetzt hadere ich. Deshalb will er zwei fachlich hochkompetente Leute vor die Tür setzen? Um sich qualitativ zu verschlechtern durch Präsenzstatuen? Was ist mit den Teams der Kommunikationsspitze? Und wen findet diese vor, wenn sie im Büro ist? Alle Vorstände, jeden Tag?
 
Viele seiner Argumente sind nicht von der Hand zu weisen. Und wenn der Preis für die größere Autonomie vieler im Unternehmen das Beschränken der Flexibilität des Top-Teams ist, muss man zugestehen: Macht und Vergütung haben möglicherweise den Preis der physischen Anwesenheit bei den Stakeholdern.
 
Nachdenklich schließe ich unsere Sitzung. Nicht ohne dem CEO Mut zuzusprechen, mit den New-Work-Modellen weiterzumachen … zumindest für den Rest der Firma. Die Wiedereinführung einer pauschalen Präsenzpflicht sieht nur aus wie ein einzelner Schritt zurück. Im Kampf um Talente könnte es der Schritt in den Abgrund sein.


Autor: Emilio Galli Zugaro hört, dass hinter manchen „einvernehmlichen Trennungen“ von PR-Chefinnen und -Chefs in den vergangenen zwölf Monaten die Frage nach der (fehlenden) Präsenz am Firmensitz wichtig war. Aber das Rad wird nicht zurückzudrehen sein. Kurzfristig mag die Bleikugel am Bein funktionieren, auf lange Sicht heuert man Beamte an, die abends das Licht anlassen und die Strickjacke an den Kleiderbügel hängen. Diese Kolumne ist zwar von A bis Z erfunden, aber nicht realitätsfern …
 
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