Welche Skills es künftig braucht, wozu die Technik zwingt und welche Entwicklung wirklich wesentlich ist – nicht nur für den Nachwuchs. Einschätzungen von Kommunikationsprofis wie Christof Ehrhart.
Wenn durch Automatisierung in der Kommunikation
„kein Stein auf dem anderen bleibt“ (Bernhard Fischer-Appelt), muss das auch Folgen für den Nachwuchs haben. „Recherchieren, übersetzen, Zusammenfassungen und Situationsanalysen schreiben – das sind bei uns typische Einstiegsaufgaben für Praktikantinnen und Praktikanten sowie Trainees. Dadurch wachsen sie in die Inhalte hinein“, sagt Navos-Chefin Anja Schlicht.
Aber diese Tätigkeiten könne künftig die Maschine schneller und wahrscheinlich auch weniger fehlerhaft übernehmen. „Das testen wir gerade in verschiedenen Anwendungsfällen. Durch generative KI werden wir die Ausbildung überdenken müssen“, folgert Schlicht. „Gute Beraterinnen und Berater müssen in Zukunft sicher alle KI-Tools bedienen können. Aber um die Ergebnisse überprüfen und weiterverarbeiten zu können, müssen auch die Inhalte unserer Kunden sicher beherrscht werden. Wir müssen uns künftig in der Ausbildung verstärkt auf die Vermittlung von Inhalten konzentrieren und dafür speziell Zeit und Formate einräumen – das wird nicht mehr automatisch passieren.“
Welche Skills braucht es künftig noch?Wenn das in den vergangenen Monaten vielfach gehörte Bonmot stimmt, dass einem nicht KI den Job wegnimmt, sondern ein Mensch, der KI nutzt, stellt sich die Frage, welche Skills Kommunikationsprofis künftig brauchen und wie sie diese entwickeln. Klar scheint, dass künftig alle in der Lage sein müssen, mit KI zu arbeiten.
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Aber kann jemand, der nicht gelernt hat, professionell zu recherchieren und zu schreiben, den Output einer Maschine seriös bewerten? Braucht es deshalb eine Rückbesinnung auf klassische Tugenden? Oder eine neue Art der Ausbildung?
Christof Ehrhart sagt, dass sich die grundlegenden Erfolgsfaktoren strategischer Kommunikation durch KI nicht ändern würden. „Beschäftigen muss uns indes die Frage, wie der kommunikative Nachwuchs künftig inhaltliche Qualitätsmaßstäbe, konzeptionelles Beurteilungsvermögen und die Fähigkeit zur spontanen, eigenständigen Kreation erlernt, wenn umfassende maschinelle Unterstützung nach und nach eigenständige Recherche von Grundlagen, Trial-and-Error bei der Ideenfindung und Konfrontation mit dem weißen Blatt Papier oder der leeren Datei ersetzt“, so der Bosch-Kommunikationschef.
Es brauche weiter gutes inhaltliches Urteilsvermögen, um maschinelle und menschliche Zuarbeit beurteilen zu können: „Dabei haben Nachwuchskommunikatoren zunächst einmal eine Eigenverantwortung zur Schulung ihres Allgemeinwissens und ihres Sprachgefühls. Wer Ideen, Texte, Konzepte bewerten können will, muss mit ihnen kontinuierlich umgehen: viel schreiben, viel lesen und neugierig im Austausch mit möglichst vielen Menschen sein und ein ganzes Berufsleben bleiben.“
Wozu die Technik zwingt
Trumpf-Kommunikationschef Andreas Möller sagt: „Die Technik zwingt uns dazu, die journalistischen Tugenden neu zu erlernen und zu pflegen: saubere Recherche, kritischer Blick und Umgang mit Texten, eine eigene Schreibe und Tonalität.“
Ähnlich sieht es Stefanie Rupp-Menedetter von Pro Sieben Sat 1: „Auch wenn es heute meist nicht mehr so stark auf wirklich veredelte Texte ankommt, weil alles meist schnell gehen muss: Sprache bleibt eine essenzielle Schlüsselkompetenz. Wir müssen redigieren, hinterfragen, kontextualisieren können.“
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Alexandra Groß von Fink & Fuchs hat den PR-Nachwuchs schon vor Jahren davor gewarnt, zu viel schriftlich zu kommunizieren: „Scheu vor dem Dialog im Live-Betrieb ist weit verbreitet.
Hinter E-Mails kann man sich gut verstecken. In diese Falle darf man gar nicht erst tappen.“ Entsprechend betont sie heute wieder den Faktor Relationship: „Bei uns müssen auch die Juniorinnen und Junioren mit den Wirtschaftsmedien sprechen, Kontakte auf- und ausbauen können. Letztlich läuft es auf die Verbindung klassischer Kommunikationsfähigkeiten und Technikkompetenz hinaus.“
Die KI-Natives kommen
Der Newsroom-Experte Christoph Moss bekommt durch seine Professur für Kommunikation und Marketing an der International School of Management in Dortmund den Durchbruch von Chat GPT direkt mit. Die Nutzung des Tools bei seinen Studierenden sei fast schon normal. „Da wächst eine Generation der AI-Natives heran, die im Alltag operativ völlig natürlich mit den neuen Technologien umgeht“, sagt Moss. „Was wir dieser Generation aber noch beibringen können, ist, wie sie KI klug in der professionellen Kommunikation einsetzen kann. An einer guten Schulung von konzeptionellem und strategischem Denken führt daher weiter kein Weg vorbei.“
Ehrhart sieht den für den Nachwuchs wesentlichen Trend nicht in der Automatisierung oder in der Digitalisierung, sondern in der kontinuierlich wachsenden Nachfrage nach strategischer Kommunikation: „Das ist eine gute Nachricht, denn in diesem Feld liegen die attraktiven und tendenziell auch besser bezahlten Aufgaben. Allerdings erfordert strategisches Kommunikationsmanagement auch Vorgehensweisen, die sich nicht durch KI berechnen, extrapolieren oder prognostizieren lassen. Erworbenes Bauchgefühl, emotionale Intelligenz, zwischenmenschliche Empathie kann und soll nur der Mensch ins Kommunikationsmanagement einbringen.“
Tipp: Bei diesem Text handelt es sich um einen Auszug aus einer großen Analyse der Auswirkungen von Künstlicher Intelligenz auf den Arbeitsmarkt in der Kommunikation
im PR Report 4/2023. Darin geht es auch um die Frage, welche Jobs durch Chat GPT und Co. besonders gefährdet sind.