"Obwohl wir als Bank so erfolgreich sind, liegt der Marktanteil erst bei circa fünf Prozent", steht in ziemlich dicken Lettern im Mitarbeitermagazin der drittgrößten deutschen Privatkundenbank. "Ich bin mir sicher, dass wir den problemlos verdoppeln könnten." Einschätzungen wie die von Herbert Willius sind für ein selbstbewusstes, auf Wachstum zielendes Unternehmen ein Ansporn. Dass sie ihren Weg in ein Mitarbeitermagazin geschafft haben und nicht hinter den Konferenzzimmertüren im engeren Führungskreis blieben, ist keine Selbstverständlichkeit.

Dass "Du", das 40-Seiten-Heft mit der sympathisch unverkrampften Direktansprache, die durchaus selbstkritische Selbsteinschätzung ausgerechnet einem Pensionär entlockt, der mit seinem langjährigem Arbeitgeber eigentlich schon längst abgeschlossen haben könnte, steht für Mut. Das haben die Kommunikationsverantwortlichen in der Bank und beim Dienstleister Corps Publishing Services gewagt. Willius war 25 Jahre lang im Unternehmen - zuletzt als stellvertretender Vorstandsvorsitzender. Wenn sein Interview im "Du"-Modus aufmunternd mit "Nicht generell Ja sagen, sondern hinterfragen" überschrieben ist, dann ist das eine Aussage, die Unternehmenskultur auf der Höhe der Zeit beschreibt.

Mutige Mitarbeiter

"Du" lässt tief blicken - das zeigt sich schon bei der originellen Titelgestaltung. Dort ist nämlich eine kreisrunde Cover-Fläche ausgestanzt, hinter der auf den ersten Blick ohne weitere Erklärungen eine lächelnde Mitarbeiterin zu erkennen ist. Im Inneren lernt man Theresia Kaspar schnell kennen - und staunt: Die 29-jährige Teamleiterin vom ING-DiBa-Standort in Nürnberg stellte sich aus freien Stücken als Stammzellenspenderin in einem Krankenhaus zur Verfügung - und rettete so einer anderen Frau das Leben. "Die traut sich was", heißt es von ihr völlig zurecht.

Oder Mathias Born aus dem IT-Business-Service der Bank: Er geht auf dem Wakeboard an seine Grenzen. Julia Steins hat sich auf das Wagnis eingelassen, eine Dorfschule selbst zu renovieren. Und Andreas Reibling ging sogar so weit, die ING-DiBa ganz zu verlassen - wegen seiner Familie. Tatsächlich, keine ganz alltäglichen Geschichten wie man sie sonst in deutlich drögeren Mitarbeiterzeitschriften findet.

Corps aus Düsseldorf hat es geschafft, mit der vierteljährlich erschienenden Publikation, die selbstverständlich parallel multimedial im Internet und für alle mobilen Endgeräte aufrufbar ist, Offenheit nicht nur zu thematisieren - sondern konkret umzusetzen. Natürlich enthält "Du" ernste Themen, weil das Magazin die Mitarbeiter ernst nimmt und sie auf Augenhöhe anspricht. Die gesamte Aufmachung mit frisch in Szene gesetzten Interview, Portraits, aber auch kleinteiligeren Nachrichten-Seiten überzeugt mit ansprechenden großzügigen Fotos und einem "menschlichen", gelegentlich durchaus verspielten Layout.

Das erste Heft der Reihe steht unter dem Oberthema "Mut". Für diesen Mut kann man die Bank und ihren Kommunikationspartner nur beglückwünschen.

Rupert Sommer