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Meike Schreiber (Foto: privat)
16.08.2023   Wissen & Praxis
Herrscht bei Dax-Konzernen eine Angstkultur?
Das fragt sich die "SZ"-Journalistin Meike Schreiber angesichts des Festhaltens mancher Unternehmen an rein virtuellen Bilanzpressekonferenzen. Schreiber meint: Das sei bedenklich, denn diese dienten der Abschottung.
Zur Abwechslung Lob für die Deutsche Bank: In der Kommunikationsabteilung des größten deutschen Geldhauses hatten sie unlängst mal darüber nachgedacht, dieses Jahr wieder zu einer rein virtuellen Bilanzpressekonferenz einzuladen und damit die Corona-Ausnahme zum Dauerzustand zu machen.
 
Dann aber luden die Verantwortlichen doch zu einer „echten“ PK in die Doppeltürme nach Frankfurt ein – hybrid natürlich, weswegen auch die Einwahl möglich war. Und nicht nur das: Zum Hintergrund-Plaudern am Buffet gesellten sich sogar noch weitere Vorstände dazu, die selbst nicht auf der Pressekonferenz gesprochen haben.

So soll es sein und möglichst auch bleiben. Schließlich geht nichts über den persönlichen Austausch, auch zwischen Journalisten und Unternehmen. Dennoch aber haben dieses Jahr gleich mehrere Konzerne überraschend zu einer rein virtuellen Bilanzpressekonferenz eingeladen: Bayer hat sich dafür entschieden, aber auch Allianz und Münchener Rück oder BMW. Oft wird Nachhaltigkeit als Grund angeführt, und die Kosten, es bräuchte dann ja niemand mehr anreisen.
 
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Noch ist das Distanz-Format kein breiter Trend. Es ist aber bedenklich, dass sich dieses Jahr gleich mehrere große Unternehmen dafür entschieden haben. Einher geht das Ganze mit dem Hang zur virtuellen Hauptversammlung – „Vorstandsfernsehen“, wie einige Aktionärsvertreter dieses Format inzwischen zynisch nennen.
 
Auch digitale Bilanzpressekonferenzen aber gleichen Vorstandsfernsehen. Echten Austausch? Den kann es dort nicht geben.

Tatsächlich dient die Sache vor allem der Abschottung der Unternehmensführung. Es ist Ausdruck einer zunehmend elitären Gedankenwelt vieler Manager in Corporate Germany, die lieber im geschützten Rahmen kommunizieren, statt den direkten Austausch mit dem „Fußvolk“ anzugehen.
 
Natürlich ist das aus Sicht der Konzernlenker bequem. Schließlich können sie auf echten Pressekonferenzen den Fragen schwerer ausweichen. Journalisten können „in Präsenz“ zudem die wunden Punkte leichter erkennen. Vielsagend, dass sich zum Beispiel Maximilian Schöberl, Kommunikationschef von BMW, am Ende der virtuellen PK ernsthaft bei den Journalisten bedankt hat, „dass Sie alle so gut mitgemacht haben“ – als handele es sich um eine Kita-Gruppe, die die Bauklötze brav eingesammelt hat.

Aus Medien-Sicht aber lässt sich festhalten: Solche Abschottungsaktionen sind nichts anderes als eine „Red Flag“, also ein Zeichen, dass etwas nicht stimmt mit dem Unternehmen. Dass sie dort womöglich etwas zu verbergen haben, oder sich nicht trauen, ihre Positionen zu verteidigen, weil vielleicht eine Angstkultur herrscht.
 
Souveräne Vorstände aber sollten regelrecht lechzen nach persönlichem Austausch – auch mit Kritikern. Mit Leidenschaft sollten sie Strategien oder Produkte auch kritischen Aktionären oder Journalisten gegenüber verteidigen wollen. Und sie sollten neugierig bleiben, auch auf andere Positionen.
 
Was eignet sich besser dafür als ein Schlagabtausch auf der Pressekonferenz oder ein Plausch am Buffet danach?"


Autorin: Meike Schreiber ist die Leiterin des Frankfurter Korrespondentenbüros der „Süddeutschen Zeitung“ und Präsidentin des Internationalen Clubs Frankfurter Wirtschaftsjournalisten
 
Dieser Text wurde zuerst in der Ausgabe 4/2023 des Magazins "Wirtschaftsjournalist:in" veröffentlicht, das wie der PR Report im Verlag Oberauer erscheint.
 
Tipp: In der Ausgabe 3/2023 des PR Reports haben der Medientrainer Markus Föderl und der Publizist Mathias Helfert in ihrem "Bilanz-PK-Monitor" analysiert, wie die erste Berichtssaison nach dem Ende der Corona-Maßnahmen lief: Was haben die Unternehmen aus der reinen Online-Zeit gelernt, was hat sich bewährt und welche Veranstaltungen konnten überzeugen?

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