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News / Ob künstlich oder nicht: Hauptsache Intelligenz
Emilio Galli Zugaro (Foto: Oliver Soulas)
31.05.2023   Kolumne
Ob künstlich oder nicht: Hauptsache Intelligenz
Wenn die Tochter einen Geburtstagsbrief mit Chat GPT schreibt und der CEO irritiert ist. Eine Kolumne von Emilio Galli Zugaro.
Heute möchte Dr. Martin mit mir über Künstliche Intelligenz sprechen. Seine Tochter hat ihm mit einem von Chat GPT verfassten Brief zum runden Geburtstag gratuliert. Das hat ihn irritiert. Er hatte sich schon gewundert, dass sie so wertschätzend über ihn schreibt, meckern über den Dino-Vater ist eher ihr Ding ...

Ich räuspere mich. Vielleicht versteht er den Hinweis, dass wir nicht zusammensitzen, um über die Vater-Tochter-Beziehung zu sprechen. Er begreift den Wink: das sei ja nur Persönlich-Anekdotisches. Ihn interessieren die Implikationen der KI für seinen Job als CEO.

Ich erinnere ihn daran, dass ich kein KI-Experte sei und Artikel über Chat GPT könne man ja mittlerweile auch in der „Bild“ lesen. Im Übrigen müsste er doch mehr über Machine Learning wissen als ich. Denn schließlich fußten schon seit Jahren wichtige Teile seiner Maschinenanlagen auf sogenannter Künstlicher Intelligenz. Und bestimmt würden ihm auch seine IT-Kollegen zeigen können, was von KI aufbereitetes Data Mining für den Vertrieb leistet.
 
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Dr. Martin weiß das und gesteht dennoch, dass die Berichterstattung über Chat GPT ein Momentum erzeugt habe, dass er sich frage, ob er genug über diese Themen reflektiere. Ich mache einen Schritt zurück: Was denn zurzeit die akuten Probleme in seinem Job seien, frage ich.

Er denkt nach: Na ja, der Zoff mit dem Aufsichtsrat wegen des geringen Frauenanteils im Vorstand. Dann die Krise durch den Ukraine-Krieg, zu viel Stress für die Top-Performer, die sich nicht nur um das laufende Business kümmern, sondern auch um neue Lieferketten und die Umstellung auf hybrides Kundenverhalten. Kurz gesagt: ein hochbelastetes Team von wenigen Leistungsträgern, Mangel an guten Leuten und vor allem an guten Frauen.

Jetzt fasse ich nach. „Haben Sie die Daten erhoben, um diese Probleme objektiv zu erfassen und zu bewerten?“ Hm. „Bei den Maschinen­anlagen und der Vertriebssoftware bestimmt, aber bei den aktuellen Brennpunkt-Themen?“ Nicht wirklich. „Und haben Sie ein so diverses Team, dass Sie aus verschiedenen Perspektiven auf diese Herausforderungen schauen können?“

Gute Leute, verschiedene Perspektiven
Martin grübelt, dann spuckt er es aus: Gute Leute würden immer gebraucht, man habe nie genug davon. Und bei Frauen und Diversität sehe es in der Firma halt noch etwas mau aus. „Es müsste doch reichen, mehr Wirtschaftsingenieurinnen und Mathematiker anzuheuern, um die KI zu verstehen, zu korrigieren“, stöhnt er.

Aber, Martin stockt. Das müsste ja schon vorher anfangen: bei der Formulierung des Problems und der Frage, was man dafür von der KI bräuchte an Daten, also bei ihm und dem ganzen Team, nicht nur bei den IT-Leuten. Ich nicke.

Mir fällt eine Aussage der KI-Expertin Katharina Schüller ein: „Zuerst kommt die intelligente, exakte Fragestellung zum Problem. Dann muss ich mich fragen, welche Daten ich brauche, um Antworten zu bekommen. Dann muss ich diese Daten einordnen und bewerten, dafür brauche ich sehr diverse, sehr gut ausgebildete Menschen.“ Andere Perspektiven, wie etwa die der Psychologen oder Soziologen auf Covid und seine Folgen, nicht allein die der Virologen.

Martin hat Denkfalten auf der Stirn. „Sagen Sie’s doch: gute Leute aus verschiedenen Disziplinen, Geschlechtern, Herkünften, gute Prozesse, gute Daten.“ Gute Zusammenfassung.
 
Tipp: Diese Kolumne erschien zuerst im PR Report 2/2023.
 
Der Autor: Emilio Galli Zugaro bewegt sich als Coach von Top-Managern unter KI-Skeptikern, enthusiastischen Befürwortern und Überfragten. Und sieht eine Verlangsamung des Diskurses, während woanders – und zwar nicht nur in den USA, Israel und China – neue Möglichkeiten erkundet werden, etwa im Baltikum und in Skandinavien. „Try and learn“, das Prinzip der KI, schlägt unser bewährtes „plan and implement“. Die Wissensbeschleunigung ist zu groß. Abwarten kann teuer werden. Sparen an der Qualität der Beschäftigten auch. Diese Kolumne ist von A bis Z erfunden, aber nicht realitätsfern …

 

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