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Jörg Wilmes (Foto: E-L-B-E Foto)
26.05.2023   Wissen & Praxis
7 Fallen bei der Tool-Auswahl
Warum Planungs-Software allein Ihre Kommunikation nicht besser macht. Und was Sie bei der Einführung beachten müssen.
Themenplanungs-Tools sind spezielle Softwareprodukte, mit denen Kommunikations- und Marketingabteilungen klüger kommunizieren können. Nämlich nicht mehr kanalbezogen, sondern inhaltlich integriert, sprich: entlang der Unternehmensagenda, die durch Themen repräsentiert wird. Brauchen Sie dafür einen physischen Newsroom? Nein!
 
Worum es wirklich geht: Kommunikation wird immer herausfordernder, weil sich die Überraschungsintensität der Handlungsbedingungen ändert. Sie müssen mit Sachverhalten umgehen, die neu sind und für die sich oft weder Ihre Strukturen und Prozesse eignen noch Ihre Datenlage genügt. Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen durch Strukturen, Prozesse und Technik befähigt werden, angemessene Antworten zu finden. Die folgenden drei Bausteine helfen, der Komplexität ihren Schrecken zu nehmen.

Themenzentrierte Kommunikation: Sie nehmen Themen und Storys als inhaltliche Grund­lage für das Agenda Setting. Umgekehrt gilt: kein Thema, keine Kommunikation.
 
Newsroom-Organisation: Sie bauen eine strukturübergreifende virtuelle Einheit, in der ein CvD Themen- und Kanalverantwortliche koordiniert – aber bitte nicht als eigene Abteilung.
 
Themenplanungs-Tool: Sie wählen eine spezielle Software aus, die zwingend Baustein 1 unterstützt. Das Tool ist nicht der Game Changer. Ohne geht es aber nicht.

Voraussetzung für Auswahl und Einführung eines solchen Tools ist die Entscheidung, Corporate Communications auf Themen auszurichten. Ein Tool allein genügt nicht. Prinzipien und Reihenfolge müssen klar sein. Wenn Sie nicht ernsthaft auf themenzentrierte Kommunikation umstellen wollen, brauchen Sie keine Software. Excel, Trello, Teams-Kalender und Monday haben ihre Berechtigung – aber nicht für die themenzentrierte Kommunikation. Außerdem gibt es sieben weitere Fallen.
 
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1. „Ist doch klar, was ein Thema ist“
Themen zu formulieren ist die schwierigste Aufgabe in der themenzentrierten Kommunikation. Die Namen von Messen oder Kongressen sind keine Themen, sondern Plattformen, auf denen mehrere Themen gespielt werden. Ein Thema ist die inhaltliche Beschreibung eines Agendapunkts Ihres Unternehmens, idealerweise mit Nutzwert für die Zielgruppe, das über einen definierten Zeitraum und diverse Content-Formate ausgebreitet wird. Ein Thema muss so viel inhaltliches „Fleisch“ haben, dass Sie darüber Geschichten für mehrere Zielgruppen erzählen können.

2. „Jedes Team soll ein Kapitel für die Leistungsbeschreibung schreiben“
Es ist keine gute Idee, wenn jedes Team seine Anforderungen aufschreibt und Sie diese hintereinander in einer Leistungsbeschreibung einsortieren. Wenn Sie keine gemeinsame Sicht auf die Anforderungen gefunden haben, können Sie keine passende Leistungsbeschreibung erstellen – und das Projekt fliegt Ihnen um die Ohren. Sie müssen die funktionalen Anforderungen für Ihren gesamten Bereich formulieren, priorisieren und dokumentieren. Schließlich wollen Sie die Software finden, die am besten passt. Es geht nicht um die Partikularinteressen einzelner Teams. Es geht um die Verbindung von Strategie, Produktion, Play-out und Wirkungsmessung des Gesamtbereichs. Das ist eine Führungsaufgabe.

3. „Die Software muss ganz einfach zu bedienen sein“
Der Wunsch ist nachvollziehbar. Aber bitte verwechseln Sie nicht „einfach“ mit „so wie jetzt“, also wie es die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewöhnt sind. Hinterfragen Sie die Excel-Tabelle von 2012, über die viele schimpfen und sie doch verteidigen, weil sie sich nicht auf etwas Neues einstellen wollen. Stellen Sie die lieb gewonnenen Krücken auf den Prüfstand! Und zwar anhand von Use Cases. Sie werden schnell nachweisen, wie umständlich die Aneinanderreihung von Arbeitsschritten ist. Klar, anfangs fehlt beim Umgang mit dem neuen Tool die Routine. Und zum Teil werden mehr Daten verlangt. Aber es geht um den Gesamtaufwand der Abteilung und um die Transparenz, die dadurch erreicht wird.
 
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4. „Erst Redaktionskalender und Play-out – später die Strategie“
Es klingt verlockend: Elegant und ohne große Widerstände erobern Sie durch einen gemeinsamen Kalender und zeitgesteuerten Versand von Social-Media-Posts die Herzen Ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das ist gut gemeint. Doch das Tool dient nicht vorrangig der Automatisierung und Prozessbeschleunigung. Es ist ein Hilfsmittel bei der Transformation zur themenzentrierten Kommunikation. Der Redaktions­kalender ist als Basic in jedem Tool enthalten und Play-out im engeren Sinne funktioniert vor allem bei Social Media. Sie müssen aber Antworten für den gesamten Bereich finden.  

5. „Wir können nicht alles planen“
Hinter diesem Argument versteckt sich der Wunsch, so wenig wie möglich festlegen zu müssen. Denn: „Kommunikation ist bei uns nicht planbar. Wir müssen flexibel auf Entwicklungen und Anfragen reagieren können. Deshalb kann das Tool auch nur einen Teil der Kommunikationsplanung abdecken.“ Selbstverständlich ist nicht jede Medienanfrage vorhersehbar. Natürlich muss es dafür Freiräume geben. Aber: Ein Themenplanungs-Tool unterstützt mit seinen Workflow- und Kollaborations-Funktionen ganz praktisch solche Ad-hoc-Anfragen. Und es ermöglicht wertvolle Auswertungen für das Issues Management. Bei der themenzentrierten Planung geht es vorrangig darum, das Heft des Handelns in die Hand zu bekommen und zu behalten. Das Unternehmen soll strategisch fundierte und inhaltlich gut aufbereitete Vorschläge zur Positionierung machen – Agenda Setting eben. Dafür braucht es einen Planungsprozess.

6. „Lasst uns erst mal in den Newsroom-Rollen ohne Tool arbeiten“
Chef vom Dienst (CvD) sowie Themen- und Kanalverantwortliche zu benennen ist ein schmerzloser Schritt. Aber: Wie sollen diese Personen effizient ohne ein stützendes Datenmodell mit strategischen Zielen, Themenfeldern und Themen arbeiten? Ohne ein Tool, das die Zusammenhänge zwischen Themen, Produkten, Zielgruppen und internen Protagonisten deutlich macht, das die Content-Formate zeitlich und inhaltlich orchestriert und mit Daten-Schnittstellen die Entscheidungsfindung unterstützt? Ohne eine Software, die Funktionen zur Zusammenarbeit mit anderen Abteilungen und Externen bereitstellt und in der Workflows konfiguriert werden können? Wie soll Transparenz entstehen ohne Kalender und Datenbank?
 
7. „Wir gehen das Projekt pragmatisch an“
Auswahl und Einführung eines Themenplanungs-Tools ist keine Drei-Monats-Aufgabe für Werkstudierende. Was sind die Projektziele? Eine bessere Übersicht über geplante Maßnahmen? Eine Unterstützung der Ausspielung über Social Media? Anders organisieren – und auf jeden Fall agil? Welche Funktionen brauchen Sie? Und welche Schnittstellen zu Datenlieferanten? Wie binden Sie Agenturen ein?
 
Jede dieser Fragen ist ein relevanter Baustein der Transformation, die die bisherige Arbeitsweise prozessual, strukturell, technisch und vor allem geistig an den Rand der Überforderung bringen kann. Keine der Fragen darf unbeantwortet bleiben. Das Projekt ist vielschichtig wegen der Einbindung von IT, Einkauf und Personalvertretung. Und es ist inhaltlich anspruchsvoll, weil für die Ausschreibung die Ist-Situation erfasst und das Zielbild der Kommunikationsprozesse beschrieben werden muss.
 
Der Projektleiter sollte alle Gewerke kennen und die richtigen Fragen stellen. Er sollte Impulse geben können und so sattelfest in themenzentrierter Kommunikation sein, dass er das Ziel nicht aus den Augen verliert. In der Implementierung kommt die politische Komponente hinzu, weil die Soll-Prozesse keine Rücksicht auf Abteilungsgrenzen nehmen.


Autor: Jörg Wilmes übernimmt seit mehr als zehn Jahren als  Interim Manager Projekte im Bereich Marketing, Kommunikation und Digitalisierung.

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