Headhunter Christian Löcker sagt, wer heute in der Kommunikation die Top-Jobs bekommt.
Wer macht heute Karriere in der Kommunikation, wer wird Kommunikationschefin oder -chef eines großen Unternehmens?Zunächst einmal: Eine solche Karriere lässt sich nur schwer planen, zumindest nicht mit einem ganz spezifischen, definierten Ziel. Aber man kann sich vorbereiten, also die Grundlage schaffen, damit sich irgendwann einmal die passenden Gelegenheiten ergeben können.
Welche Profile haben die besten Chancen?Neben den fachlichen Grundlagen braucht es mehr denn je Internationalität, nachgewiesene Managementkompetenz in transformierenden Umfeldern, Erfahrung im Umgang mit schwierigen Unternehmenssituationen und ein strategisches Verständnis davon, wie Unternehmen, deren Geschäfte und Branchen funktionieren.
Dezidierte Branchenexpertise macht den Aufstieg also leichter?Das kann eine Rolle in stark regulierten oder wissenschaftsbasierten Sektoren wie Pharma und Finanzen spielen. Aber sonst eher nicht. Es gibt genügend Beispiele von Kommunikationsprofis, die problemlos die Branchen wechseln. Dafür muss man sehr schnell ein Verständnis für die Logiken bestimmter Industrien entwickeln.
Tipp: Exklusives und Aktuelles aus der Kommunikationsszene gibt es in unserem Newsletter. Jetzt kostenlos abonnieren.Raten Sie zu regelmäßigen Wechseln?So weit würde ich nicht gehen. Manche haben seit 15 Jahren denselben Jobtitel im selben Unternehmen. In dieser Zeit gab es dann in diesem Unternehmen derart tiefgreifende Veränderungen, dass sich das Aufgabenfeld mehrfach grundlegend gewandelt hat. Sie können also belegen, dass sie sich verändert haben. Wer jedoch in seiner Weiterentwicklung an Grenzen stößt, sollte einen Wechsel erwägen.
Ist das strategische Verständnis von Unternehmen und Märkten nicht eine Selbstverständlichkeit für Kommunikationsprofis?Diese Kompetenz ist niemandem in die Wiege gelegt. Das ist ein permanentes Entwicklungsfeld. Zum Beispiel bei Kenntnissen zu strategischer Unternehmensführung und Bilanzen. Wenn man vom Vorstand und anderen Bereichen im Unternehmen als Business Partner anerkannt werden will, muss man nah am Geschäft sein. Der interne Lackmus-Test für Kommunikationsprofis ist häufig, ob sie in strategischen Debatten eine holistische Sicht auf das gesamte Unternehmen einnehmen können und eingeladen werden, an diesen Diskussionen teilzunehmen.
Was braucht es dafür?Die Fähigkeit, die richtigen Fragen zu stellen und auf Augenhöhe mitdiskutieren zu können. Also eine inhaltliche Autorität über die Kommunikation hinaus. Da geht es um Intellekt. Akzeptanz ist auch eine Attitude-Frage. Es braucht Executive Presence. Man muss seinen Platz am Tisch auch einfordern. Und man muss verstehen, welche Informationen für das Top-Management wirklich relevant sind. Dazu gehört auch, dessen Sprache sprechen und entschlüsseln zu können.
Wie lerne ich diese Sprache?Je früher man in Kontakt mit Entscheiderinnen und Entscheidern in Unternehmen kommt, desto schneller lernt man, in dieser Umgebung trittsicher zu werden. Das hilft auch beim Aufbau bereichsübergreifender Netzwerke. Deshalb ist es ratsam, in Organisationen mit möglichst durchlässigen Hierarchien zu gehen und durch Mitarbeit in relevanten Projekten sichtbar zu werden.
Hilft ein MBA?Ich würde einen MBA empfehlen, weil er ein Pluspunkt sein kann. Aber damit macht man nicht automatisch Karriere.
Tipp: Die 22 wichtigsten Headhunter. Wer die Jobs in PR und Kommunikation vergibt: Welche Personalberaterinnen und -berater Sie kennen sollten, lesen Sie im PR Report 2/2021.
Wie sieht es mit Führungsverantwortung aus?Ist sehr wichtig, das meinte ich mit Managementkompetenz. Man braucht ein Verständnis für die organisatorische Entwicklung der eigenen Abteilung und die persönliche Entwicklung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sollte auch schon einmal eine Reorganisation zumindest begleitet haben. Bestimmte Segmente mit dem Label Newsroom zu versehen, reicht da nicht aus. Es geht darum, Prozesse zu erneuern und in eine andere Art der Kollaboration zu finden.
Sie haben als Faktor auch Internationalität genannt. Wie wichtig sind Auslandsstationen?Sicher sehr hilfreich, aber auch nicht zwingend. Es geht vor allem um ein interkulturelles Mindset, um ein Verständnis unterschiedlicher Wirtschaftskulturen. Man muss grenzüberschreitende Teams führen können. Das kann man aber auch in einer international tätigen Organisation lernen. Hinzu kommt: Man muss heute auch geopolitische Herausforderungen einschätzen können.
Die Welt ist im Umbruch, mehrere große Krisen überlagern und überlappen sich. Haben sich dadurch die Anforderungen an Top-Leute in der Kommunikation verändert?Es war schon immer sehr wichtig, mit Ambiguitäten umgehen zu können. Diese Fähigkeit ist noch wichtiger geworden.
Auf welche persönlichen Eigenschaften kommt es noch an?Man darf keine Angst vor blauen Flecken haben, muss Konflikte aushalten und zwischen Interessen moderieren können. Außerdem braucht es eine hohe Frustrationstoleranz und die Überzeugung der eigenen Selbstwirksamkeit, also das Zutrauen, schwierige Situationen aus eigener Kraft meistern zu können. Das ist in der Kommunikation vielleicht besonders wichtig, weil es sich um eine Funktion handelt, die viele Entwicklungen nicht mechanisch steuern kann, aber deren Ergebnisse nach innen und außen vertreten, andere davon überzeugen muss. Es ist nicht verkehrt, sich in dieser Hinsicht coachen zu lassen.
Wie krisensicher sind die Nummer-1-Jobs in der Kommunikation?Sie sind ziemlich resistent, weil Unternehmen auf gute Kommunikation nicht verzichten können. Besonders in der Krise nicht.
Macht sich der Fachkräftemangel im Top-Segment bemerkbar?Der Pool der infrage kommenden Kandidatinnen und Kandidaten für eine Position wird kleiner. Da spielt Demografie eine Rolle, aber auch der Umstand, dass es heute viel mehr Unternehmen gibt, die sich entscheiden, eine Leitungsfunktion im Bereich Kommunikation zu etablieren.
Aus Unternehmen hören wir Klagen über als unverschämt empfundene Gehaltswünsche von Kandidatinnen und Kandidaten. Hat die Arbeitgeberseite die Verhandlungsmacht ganz verloren?Der Druck ist gestiegen, aber Unternehmen sind nicht erpressbar. Ich rate Kandidatinnen und Kandidaten teilweise davon ab, Maximalforderungen durchzusetzen, wenn sie etwa nicht zur Seniorität passen. Denn das kann sich bei den an sie gerichteten Erwartungen schnell rächen.
Tipp: Dieses Interview stammt aus einem Karriere-Special im aktuellen PR Report 1/2023. Lesen Sie darin auch:
- Die Aufstiegs-Formel: Wie man Karriere in der Kommunikation von Unternehmen macht.
- Uni nicht nötig: Teile der PR-Branche öffnen sich verstärkt für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ohne Hochschulabschluss. Das ist nicht nur eine Reaktion auf den Fachkräftemangel.
Schwerpunkt Chat GPT - Der kleine Chat-GPT-Praxis-Leitfaden: Wie Sie mit der KI Pressemitteilungen, Social-Media-Posts und mehr schreiben können.
- Fenster in die Zukunft: Wie verändert Chat GPT die Kommunikationsbranche?