Die Redenschreiberin Nicola Karnick hat Robert Habeck als Vorbild für eine moderne CEO-Kommunikation empfohlen. Rainer Ohler, der frühere PR-Chef von Airbus, sieht das anders. Eine Replik.
Nicola Karnick hat
im PR Report 3/2022 zurecht dafür plädiert, dass CEOs mehr Nachdenklichkeit zeigen, ein offenes Visier wagen und sich freimachen von der uniformen und austauschbaren Business-Sprache. Bravo! Basta-Manager haben keine Zukunft, Dialog und Verantwortung sind gefragt.
Wenn Nicola Karnick jedoch CEOs und uns Kommunikatoren und Redenschreibern Robert Habeck als Role-Model vorschlägt, dann bin ich nicht einverstanden. Robert Habeck eignet sich nicht dafür. Denn wer von uns arbeitet für einen CEO vom Typ „empathischer Kinderbuchautor mit Sendungsbewusstsein und Schwiegersohn-Charme“?
Authentisch – aber wie?
Professionell bewundern wir Robert Habeck, weil er kommunikativ seine Stärken ausspielt. Er ist authentisch. Genau das sollten wir aber auch anderen Führungskräften gestatten.
Authentisch ist am Ende sehr individuell. Deshalb sind CEOs – wie der Politker Habeck – nur dann glaubwürdig, wenn sie auch in der Kommunikation sie selbst sind. Wer nicht viel Empathie hat, sollte auch keine vorspiegeln. Wer nicht von Zweifeln zerfressen wird, sollte auch keine zeigen. Wer Entscheiden nicht als Qual empfindet, sollte auch keine Schmerzen vortäuschen. Deshalb gilt: Für jeden CEO muss eine Kommunikation entwickelt werden, die zur Person passt. Glaubwürdigkeit beginnt mit dem authentischen Sender.
Und noch wichtiger für den Erfolg einer Kommunikation ist es, ob es dem Sender gelingt, den Empfängerhorizont zu erfassen und die Zielgruppe so anzusprechen, dass ein Dialog ermöglicht und der Boden damit bereitet wird, die Ziele der Kommunikation zu erreichen. Hierbei kommt unserer Zunft eine große Rolle und Verantwortung zu: Hilfestellung zu geben bei Zielgruppenansprache und Wirkung ist der wichtigste Beitrag, den wir leisten können. „Mach den Habeck, Chef“ ist für mich kein guter Rat.
Politiker eignen sich aus meiner Sicht als Vorbild für CEOs überhaupt nicht. Politik und Wirtschaft sind zwei sehr unterschiedliche Kommunikationswelten. Die Politik lässt vieles im Ungefähren. Oft senden Politiker sogar gegensätzliche Botschaften. Sie sehen Machterhalt in der Demokratie als einen ständigen Balanceakt, weil Parteien stets Sammelbecken unterschiedlicher Interessen und Gruppen sind und keine Partei alleine regieren kann. Deshalb ist Message-Vielfalt in der politischen Kommunikation üblich, auch wenn sie oft zu Politikverdruss führt. Auf Parteitagen und Wahlveranstaltungen wird die Welt gerne schöngefärbt, das Blaue vom Himmel versprochen.
Die harte Realität
Erst im Amt stößt man auf die Realität oder was man als Realität erkennt. Dann kommen Entscheidungen wie Hartz 4, Atomausstieg 2011, Waffenlieferungen in Krisen- und Kriegsgebiete, 100 Milliarden für die Bundeswehr und so weiter zustande. Habeck führt uns das doch auch ganz praktisch vor: Sein Lavieren – um es freundlich zu sagen – beim Thema Laufzeitverlängerung für Kernkraftwerke ist vor allem der Tatsache geschuldet, dass er Rücksicht auf die Ideologen in seiner Partei nehmen muss, die sich nach Jahrzehnten des Einsatzes gegen Atomkraftwerke nicht kurz vor Schluss den Sieg nehmen lassen wollen.
Solche Zwänge hat ein CEO eher nicht. Da gibt es sicher auch Rücksichtnahmen (Egos und Interessen von Familiengesellschaftern, Belegschafts-, Kunden- und Lieferanteninteressen, Selbstbehauptung gegenüber internen Konkurrenten, bestimmte Investoreninteressen, historische Altlasten und mehr), aber in der Regel kann (und sollte) die CEO-Kommunikation deutlich, klar und eindeutig sein. Der CEO weiß, dass sein Erfolg – einschließlich Geld und Machterhalt – nicht von oft zufälligen Mehrheiten, sondern vom Unternehmenserfolg und einer Kombination von Image und Reputation abhängt.
Kein CEO hält es lange aus, wenn er bei Betriebsversammlungen das eine, aber im Investorencall das andere verspricht. Aber jeder CEO muss sich fragen, wie er den Dialog mit den Stakeholdern organisieren will, wie er sich dabei einbringen will und wie er die Stakeholder-Interessen für die Zwecke der Zielerreichung des Unternehmens nutzbar machen kann. Schnörkellose Sprache, direkte Ansprache und Dialogfähigkeit sind eine sehr herausfordernde Kommunikationsaufgabe. Wer das beherzigt, kann sich den Habeck sparen.
Der Autor: Rainer Ohler ist Managing Partner bei der Kommunikationsberatung Sieber Advisors. Zuvor war er 20 Jahre lang als Kommunikationsmanager bei EADS sowie als Aufsichtsrat bei Airbus tätig.
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