"Immersive Technologien haben für die PR großes Potenzial"
Medienkünstler Jason Langheim erklärt, was immersive Kunst mit Kommunikation verbindet.
Wie kann immersive Kommunikation dabei helfen, im Kampf um Aufmerksamkeit Wirkung zu erzeugen? Diese Frage stand im Mittelpunkt des 16. LPRS-Forums, veranstaltet vom Verein Leipziger Public Relations Studierenden.
Die Keynote bei der Abendveranstaltung hielt Jason Langheim. Er ist Medienkünstler, Komponist am Zentrum für immersive Medienkunst, Musik und Technologie (ZiMMT) und künstlerischer Mitarbeiter an der Bauhaus Universität Weimar. Was er Kommunikationsprofis im Hinblick auf die Gestaltung ihrer Maßnahmen rät, sagt er im Interview mit Larissa Benz und Johanna Mirea.
Was genau macht die Kunst, die Ihr im ZiMMT präsentiert, immersiv?
Was die Kunst immersiv macht, ist ihr raumgreifender Charakter, der möglichst viele Sinne ansprechen soll. Wir sind der Meinung, dass der Zugang zu immersiven Erfahrungen hauptsächlich über Klang funktioniert. Anders als bei visuellen Eindrücken, vor denen wir die Augen einfach verschließen können, sind wir den Klängen in unserer Umgebung ausgeliefert. So erzeugen wir mithilfe geeigneter Technik Klangprojektionen aus verschiedenen Richtungen, um die Rezipierenden vollständig in die Geräuschkulisse einzuhüllen. Zusätzlich installieren wir visuelle Elemente, die das gesamte Blickfeld ausfüllen und tasten uns auch an die Integration des Geruchssinns heran. Auf diese Weise wollen wir eine vollumfängliche sinnliche Erfahrung unserer Kunst schaffen.
Woher wisst Ihr, dass Eure Kunst bei den Rezipierenden wie beabsichtigt wirkt?
Wir vertrauen auf wissenschaftliche Erkenntnisse, zum Beispiel im Bereich des räumlichen Hörens und der Sound Studies. Mit diesen Ansätzen versuchen wir, die Wirkung von Klang zu verstehen, was wir sonst eher intuitiv machen würden. In der Kunst ist Wirkung aber immer auch eine Konzeptfrage: Es wäre ziemlich dominant zu beabsichtigen, dass die Rezipierenden unsere Kunst genauso aufnehmen, wie wir sie ihnen präsentieren. Wir wollen die Menschen nicht mit einer Kunsterfahrung überwältigen, sondern eine aktive Teilhabe und subjektive Erfahrung schaffen, bei der wir nicht garantieren wollen und können, dass sie jede:r gleichermaßen erlebt. Natürlich kann es sein, dass Künstler:innen eine ganz klare Botschaft intendieren. Eine Garantie, dass diese Botschaft auch genauso ankommt, gibt es aber nicht – und das ist auch gar nicht das Ziel. Wir wollen nicht komplett ausformulieren, wie sich dieses Eintauchen gestaltet oder welche Assoziationen konkret geweckt werden.
Was hat Kunst mit Kommunikation zu tun? Inwiefern würdest Du Eure Kunst als Kommunikation bezeichnen?
Ich würde behaupten, dass Kunst Kommunikation ist. Die Künstler:innen haben etwas, das sie ausdrücken und mitteilen möchten und das bei einem Publikum ankommen oder zumindest etwas auslösen soll. Es bleibt die Frage: Was ist die Botschaft? Das kann eine ausformulierte verbale Botschaft sein, eventuell in Form von einem Text. Aber was Kommunikation ausmacht, ist ja eine Perspektive, eine Sichtweise zu vermitteln. Das versuchen Künstler:innen in den meisten Fällen auch. Entweder ist das ein inhaltliches oder ein sinnliches Phänomen – oder es findet innerhalb des Kunstkontextes statt und schafft Verweise zwischen Kunstwerken oder bezieht ganz verschiedene Bereiche ein. Ich würde sagen: Das ist auch Teil der Kommunikation. Ich teile mich mit, um dir meine Perspektive auf die Dinge zu vermitteln. Da sehe ich sehr starke Parallelen zur Kunst.
Inwiefern kann man das Konzept der immersiven Kunst auf PR-/Marketing-Kommunikationsmaßnahmen übertragen? Was würdest du als Experte auf diesem Gebiet Kommunikator:innen für ihre Maßnahmen empfehlen?
Immersive Technologien und auch das ganze Konzept der Immersion haben für Marketing oder PR großes Potenzial. Kommunikator:innen würde ich empfehlen, Konzepte nicht zuerst von einer technischen Perspektive aus zu entwickeln, sondern mit dem Kern der Botschaft zu starten und sich zu überlegen: Was wollen wir vermitteln? Erst im nächsten Schritt wäre es dann wichtig, den Kontakt zu technischen Expert:innen zu suchen und gemeinsam festzulegen, welche Stimmungen und Bilder hervorgerufen und welche Erfahrung ermöglicht werden sollen. Wenn man beim Konzipieren immer erst von der technischen Seite anfängt zu denken, kann das ganz schön einschränkend sein. Nur weil z. B. VR-Brillen gerade eine der neusten Technologien sind und man das Gefühl hat, diese auch einsetzen zu müssen, muss das nicht der einzig richtige Weg sein. Vielleicht ist diese Technik für die Botschaft oder die Marke, die man vertritt, gar nicht so passend. Deswegen gilt es, Immersion auch unabhängig von diesen Technologien zu denken. Hightech ist schön und gut, aber man sollte berücksichtigen, dass es oft nur Spielereien sind und in den meisten Fällen auch Low Tech den eigentlichen Zweck erfüllt. Vier Lautsprecher in den Ecken haben manchmal einen stärkeren Effekt als eine VR-Brille, wenn man es richtig macht. Und das ist dann nicht etwa faul oder schlecht gemacht, sondern manchmal einfach angemessen.
Also ist deine Empfehlung an uns, in interdisziplinären Teams zusammenzuarbeiten und Expert:innen aus verschiedenen Bereichen dazu zu holen?
Exakt. Dabei ist es wichtig, gleichberechtigte Partner:innen an den Tisch zu holen. Selbstverständlich steht man in diesem Auftragsgeber:in-Auftragsempfänger:in-Verhältnis, aber man sollte immer offen sein für das Feedback der Menschen, die sich wirklich technisch auskennen. Wenn man das von Anfang an offen gestaltet, könnte das einen großen Mehrwert bieten. Ihr als Kommunikator:innen kennt euch aus mit den Botschaften, mit der Art und Weise wie diese ankommen, und für die technische Umsetzung sind dann andere Menschen die Expert:innen. Die künstlerische Perspektive kann diese beiden Komponenten am Ende zusammen bringen.