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News / Problemchen mit Kärtchen
Die Wandelhalle des Regierungs- und Parlamentsgebäudes in Bern ist Treffpunkt von Parlamentariern, Medienvertretern und Lobbyisten
05.02.2015   News
Problemchen mit Kärtchen
 
Erfolglose Reformversuche Neben dem Beruf politisch aktiv zu sein, ist eine Schweizer Tradition. Die Realität hat sie überholt. Job und Politik hängen inzwischen meist eng zusammen. Ein Grund für das geringe Interesse an einer Lösung der Akkreditierungsproblematik. Von Uwe Förster Im Land von Rolex und Swatch sollte es beim Umgang mit Lobbyisten eigentlich ein wenig lockerer zugehen. Denn theoretisch müssten die meisten Mitglieder der Parlamente dem Milizgedanken zufolge nur nebenberuflich in der Politik tätig sein. Eine potenzielle Verwebung von Interessen ist in der Schweiz also systemimmanent. Doch auch dort ist der Ruf der Branche – wie überall sonst in Europa – notorisch schlecht. Und besser ist er durch die Debatte um die Frage, wie sich der Zugang zur Wandelhalle regeln lässt, nicht geworden. „Diese Badge-Diskussion ist eine unselige aus Sicht der Branche“, sagt Andreas Hugi, Managing Partner der unter anderem auf Public Affairs spezialisierten Kommunikationsagentur furrerhugi. „Das Verfahren hat den Ruch der Mauschelei und ist absolut unnötig.“
Badge, das ist der Gästeausweis, der permanenten Zutritt zum Bundeshaus garantiert. Jedes der insgesamt 246 Mitglieder des National- und des Ständerats kann bis zu zwei Personen einen solchen Ausweis verschaffen. Wer also meint, auf eine solche Zutrittsberechtigung nicht verzichten zu können, ist auf die Gnade eines Parlamentariers angewiesen. Sofern dieser eine Funktion beispielsweise in einem Wirtschaftsverband oder einer Gewerkschaft hat, vergibt er erfahrungsgemäß zunächst einmal eine Karte an einen Mitarbeiter dieser Organisation, der ihm zuarbeiten kann. Manchmal erhalten auch Familienmitglieder einen Ausweis. Oder andere Erwägungen geben den Ausschlag, und sei es nur reine Sympathie. „Das hat den Geruch der Freundl-Wirtschaft. Das ist nicht nötig“, meint Hugi.


Potenzielle Parteinähe als Handicap

Die Regelung legt einen Korruptionsverdacht nahe, meint auch Reto Wiesli, Vizepräsident der Schweizerischen Public Affairs Gesellschaft (SPAG). Für Lobbyisten kommt erschwerend hinzu, dass sie im Licht der Öffentlichkeit über den Parlamentarier in die Nähe seiner Partei rücken. Denn die Liste der Zutrittsberechtigten zum Bundeshaus in Bern inklusive deren Zuordnung zum jeweiligen Ausweisaussteller ist im Internet einsehbar. „Wenn Sie mit Hilfe des Kärtchens ins Parlament wollen, müssen Sie den Preis zahlen, dass Sie alle vier Jahre als linker, grüner oder freisinniger Lobbyist gebrandmarkt werden“, sagt Wiesli. Das sei ein Handicap, schließlich versuche ein Lobbyist, Mehrheiten im Parlament zu bilden.
Der Zugang zur Lobby ist für Lobbyisten allerdings keine Voraussetzung, um ihren Job ausüben zu können. Und wenn dann doch einmal ein Besuch notwendig erscheint, gibt es noch andere Wege. Über weitere „Dauerkarten“ hinaus, die beispielsweise von Kantonen ausgestellt werden oder die sich ehemalige Parlamentarier auf Lebenszeit haben geben lassen, dürfen Parlamentarier nämlich Tagesausweise an Gäste für einzelne Sitzungstage vergeben. 150 bis 160 Menschen pro Sitzungstag sollen nach einem Bericht der „Neuen Zürcher Zeitung“ so zu den Räten gelangen. In anderen Fällen treten Lobbyisten auch schon mal als Medienvertreter auf – denn ein Akkreditierungsverfahren für Journalisten gibt es bereits
Es ist demnach weniger das Kärtchen als solches und seine Funktion, sondern es sind die Berichterstattung darüber und die öffentliche Wahrnehmung, die Lobbyisten Kopfzerbrechen bereiten. Deshalb strebt die Branche eine saubere Akkreditierungslösung an und unterstützt solche Initiativen von Politikern. Die SPAG setzte sich unter anderem für einen parlamentarischen Vorstoß Andrea Caronis (FDP) ein, der – wie andere zuvor – scheiterte. Eine Mehrheit im Nationalrat lehnte ihn im Sommer 2014 ab. Viele fürchteten, die Zahl der Interessenvertreter im Bundeshaus würde enorm steigen, der bürokratische Aufwand auch.
Hugi, seit Anfang 2014 Präsident des Bundes der PR-Agenturen der Schweiz (BPRA), vermutet hinter der Entscheidung ein grundsätzliches Problem. „Einzelne Parlamentarier, aber auch einzelne Verbandsfunktionäre oder Parteien oder Regierungsmitglieder haben Mühe damit anzuerkennen, dass wir integraler Bestandteil des politischen Systems sind.“ Sie müssten akzeptieren, dass es in der Demokratie eine Berufsgruppe gibt, die als professioneller Brückenbauer unterwegs sei. Wiesli assistiert: „Es ist demokratisch, wenn sie chancengleich Akkreditierungen ermöglichen. Es ist transparent, wenn sie mit dieser Akkreditierung gewisse Anforderungen in Bezug auf die Offenlegung der vertretenen Interessen verbinden.“
Diese Transparenz hat die SPAG, der etwa 80 Prozent der Profi-Lobbyisten in der Schweiz angehören sollen, bei ihren Mitgliedern hergestellt. Deren Ex-Chef Fredy Müller hatte darauf gedrungen, dass die Mitglieder ihre Mandate der Öffentlichkeit zugänglich machen, um das Image der Branche zu verbessern und um im Bundeshaus Druck für ein Akkreditierungssystem zu machen. Nicht alle Mitglieder waren begeistert, manche traten aus (PR Report 9/2014). Laut Lobbywatch.ch war Ende 2014 immer noch „eine ganze Reihe“ von SPAG-Mitgliedern nicht bereit, die Namen ihrer Auftraggeber zu nennen. Nach Auskunft von Wiesli, der die Zahl nicht nennen kann, hat der Verband die Verweigerer aus seiner Mitgliederliste gestrichen.


Stillstand im Parlament

So gibt es offenbar auf Seiten der Lobbyisten ein paar Vertreter, die zwar ihre Arbeit als legitimen und unverzichtbaren Bestandteil des politischen Systems betrachten, daraus aber nicht unbedingt das Anrecht der Bürger ableiten, zu wissen, wer am politischen Willensbildungsprozess teilnimmt. Experten zufolge müssen diese Vertreter ihrer Zunft nicht befürchten, dass sich am Zugangsverfahren für die Wandelhalle in dieser noch bis Mitte Oktober laufenden Legislaturperiode und auch nicht nach den Nationalratswahlen in den kommenden vier Jahren etwas ändern wird.
Dafür wahrscheinlich umso mehr an ihrer Arbeitsweise in einer stark von direkten Elementen geprägten Demokratie. „Der Unterschied zwischen Kommunikation im öffentlichen und im nicht-öffentlichen Bereich wird immer kleiner“, sagt Hugi. Lobbyisten werden immer mehr disziplinübergreifend arbeiten müssen. Einzelkämpfer werden es schwer haben.
Foto: Parlamentsdienste 3003 Bern

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