"Wir wollen in den Dialog kommen"
Martin Fensch, Kommunikationschef und Geschäftsführer von Pfizer Deutschland, war im November zu Gast beim PR-Salon des LPRS - Leipziger Public Relations Studenten e.V. Hierbei gewährte er den Studierenden im Kamingespräch Einblicke in die besonderen Herausforderungen der Gesundheitskommunikation - etwa zu Regulierungen des Gesundheitswesens und Transparenzanforderungen.
Herr Fensch, bei Pfizer Deutschland füllen Sie die Rolle des Leiters der Unternehmenskommunikation aus und sind gleichzeitig als Mitglied der Geschäftsführung präsent - viele Kommunikatoren träumen von einer solchen Position. Welche Vor- und Nachteile sehen Sie durch diese Doppelfunktion?
Martin Fensch: Ich sehe in dieser Doppelfunktion für mich keinerlei Nachteile - im Gegenteil! Ich glaube, dass es sowohl in größeren Unternehmen als auch bei Mittelständlern Sinn macht, den Kommunikationsverantwortlichen direkt in der Geschäftsführung oder zumindest nahe der Geschäftsführung zu positionieren. Das Mitgestalten des Außenauftritts sowie das Vermitteln der vom Management getroffenen Entscheidungen fallen zunehmend in das Aufgabengebiet des Kommunikationsleiters. Wäre der- oder diejenige nicht nahe am Management, würde dies zugleich eine nachgelagerte oder verspätete Information zur Folge haben. Das finde ich per se suboptimal, denn so besteht immer die Gefahr, dass eine Information verloren geht oder eine andere Tonalität erhält. Durch die enge Anbindung an oder gar Integration in die Geschäftsführung ergibt sich ein holistischeres Bild, das zugleich eine verbesserte Grundlage für strategische Entscheidungen im kommunikativen Bereich darstellt.
In einer diesjährigen Ausgabe von zwei, dem Kundenmagazin von Pfizer Deutschland, widmen Sie sich dem Thema Grenzen - zum einen den Grenzen der Behandelbarkeit, zum anderen aber auch mittels Forschung an den Grenzen des bisher Möglichen zu kratzen und diese gar zu durchbrechen. Überträgt man dies auf die Gesundheitskommunikation, ergeben sich vor allem Grenzen durch Regulierungen des Gesundheitssystems und Politisierung, aber auch Polarisierung bestimmter Themen. Welche besonderen Herausforderungen sehen Sie durch diese Bedingungen für die Kommunikation eines Pharmaunternehmens?
Martin Fensch: Es gibt einige Punkte, die eine besondere Herausforderung für ein Pharmaunternehmen in der Gesundheitskommunikation darstellen. Auf der einen Seite stehen die von Ihnen erwähnten Regulierungen. Wir verkaufen ja keine Äpfel oder Birnen, sondern unsere Produkte betreffen direkt das Leben selbst. Dies ist ein sensibles Feld. Entsprechend verantwortungsvoll müssen wir kommunizieren. Zudem gibt es im Gesundheitsbereich viele Stakeholder- und Interessengruppen, die selbst auch kommunikativ tätig sind und somit wiederum ihre Interessen kommunizieren.
Diese Interessengruppen sind sehr vielfältig und vielleicht sogar vielfältiger als in anderen Wirtschaftsbereichen. Zum anderen ist die Art der Finanzierung von Medikamenten natürlich auch etwas Besonderes: So werden die Medikamente im Consumer Healthcare Bereich direkt vom Patienten, also vom Endkunden bezahlt. Anders sieht es im Bereich der verschreibungspflichtigen Medikamente aus. Hier gibt es die Verschreibung über den Arzt und die Erstattung über die Krankenkassen. Es sind komplizierte Prozesse und das schafft Beziehungsräume, die anders als in anderen Branchen ihre eigenen Herausforderungen mit sich bringen.
Sucht man im Internet nach Neuigkeiten zu Pfizer Deutschland, findet man nicht viel. Meistens handelt es sich dabei um allgemeine Informationen zur Produktpalette und aktuelle Absatzzahlen. Dazwischen fallen unter Stichworten wie kontroverse Medikamententests, geplante Fusionen und Arzneimittelfälschungen nur wenige, aber häufig negative Überschriften ins Auge. Aufgrund solcher Meldungen wird der Pharmaindustrie vielerorts mit Skepsis begegnet und man hat beim Wort "Pharma" einen negativen Geschmack auf der Zunge. Wie begegnen Sie den negativen Vorurteilen gegenüber der Pharmabranche kommunikativ?
Martin Fensch: Ein Teil der Arbeit innerhalb der Unternehmenskommunikation betrifft natürlich das Feld der Reputation. Dabei ist die zentrale Frage, wie man die Reputation des eigenen Unternehmens, aber auch die Reputation der Branche stärken, verbessern und voranbringen kann. Es gibt vielfältige Aktivitäten, die wir entweder selbst, in Kooperation mit anderen Unternehmen oder auch mit dem Verband proaktiv umsetzen - sei es im Bereich CSR, mit unserem Kundenmagazin oder mit Veranstaltungen wie den Pfizer Foren. Wir wollen in den Dialog kommen und dabei auch versuchen, uns selbst mitzuteilen: Was tun wir, wie tun wir es und warum tun wir es? Aber auch Fragen nach unserer eigenen Zufriedenheit, Verbesserungspotenzialen oder Bereichen, in denen wir bereits dazu gelernt haben, gehören dazu. Dann gibt es die andere Situation, in der ein Journalist oder eine Journalistin beispielsweise mit einer Skandalgeschichte oder einer allgemein negativen Geschichte auf uns zukommt und anfragt. In diesem Fall versuchen wir, die gestellten Fragen möglichst gut zu beantworten und im Kontext darzustellen. Das ist manchmal erfolgreich und manchmal ist es weniger erfolgreich.
Das Thema Arzneimittelfälschungen ist aus meiner Sicht kein negatives Thema. Es ist interessant, dass es als negatives Thema eingeordnet wird, denn die Fälschungen produzieren ja nicht wir. Es gibt hier zwei Opfer: Das erste ist der Patient, der ein gefälschtes Medikament erhält, und das zweite sind wir. Denn wir werden an dieser Stelle von Kriminellen betrogen, die unsere Medikamente plagiieren und die teilweise unwirksamen Plagiate auf den Markt bringen und damit Geld verdienen. Damit schädigen sie einerseits uns als Unternehmen mit unserer Marke und unserer Reputation, andererseits schädigen sie auch den Patienten.
Pfizer engagiert sich als Corporate Citizen. Damit verpflichten Sie sich, Ihre Ressourcen, Kompetenzen und Arbeit zum Wohle der Gemeinschaft einzusetzen. Welche besonderen Herausforderungen ergeben sich für Pfizer aus dem Engagement als "Unternehmensbürger"?
Martin Fensch: Ich finde, das ist ein sehr schönes Bild - wir begreifen uns als "Corporate Citizen", also als Unternehmensbürger. Damit gehen im Grunde zwei Dinge einher: Pflichten und Rechte. Unter Rechten verstehen wir zum Beispiel die Rechte an unserem geistigen Eigentum, aber auch Rechte an dem, was wir produzieren und verkaufen. Zu unserer Pflicht gehört es, uns mit dem was wir tun auch in die Gemeinschaften, in denen wir leben und arbeiten, einzubringen. Dazu zählen Arbeitsplätze zu schaffen, Mitarbeiter zu schützen, aber auch auf die Arbeitsbedingungen sowie auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu achten.
Daraus ergibt sich gleichermaßen, dass uns das soziale Engagement im sozialen Umfeld bei Pfizer prägt. Wir machen wenig nach dem Prinzip "Gießkannenspende", sondern wir schauen relativ genau, was in unserem direkten Umfeld nicht optimal ist. Dort setzen wir an und versuchen, die Situation mit den Mitarbeitern direkt, manchmal mit Geld, manchmal auch mit einem Ratschlag zu verbessern. In Deutschland heißt der Kern dieser Aktivitäten: Menschen fördern und Barrieren abbauen. So unterstützen wir beispielsweise den Deutschen Hörfilmpreis, bei dem Kinofilme mit einer Audiodeskription versehen werden, sodass Blinde dem Film auch folgen können. Oder wir unterstützen seit Jahren die Henry-Maske-Stiftung, die in der Nähe von Berlin ein großes Ferienzentrum für benachteiligte Kinder und Jugendliche aufgebaut hat. Diese Kinder und Jugendliche können dort regelmäßig auf unsere Kosten Urlaub machen - zum Teil erstmals in ihrem Leben überhaupt. Ins Ferienzentrum fahren auch jedes Jahr 70 bis 80 unserer Mitarbeiter und helfen vor Ort beim Aufbau der Anlagen.
Pfizer wurde und wird vor allem mit dem Medikament Viagra in Verbindung gebracht. Nun ist dieses Flaggschiff, wie man es nennen könnte, in der Produktpalette kürzlich weggebrochen. Inwiefern hat sich das auf die Kommunikationsstrategie ihres Unternehmens ausgewirkt?
Martin Fensch: Dazu muss ich zunächst zwei Dinge sagen: Das Medikament Viagra ist nicht aus unserem Produktportfolio verschwunden und dementsprechend auch nicht komplett weggebrochen. Es ist ein tolles Präparat mit einer einmaligen Geschichte. Zudem hat es einen extrem hohen Bekanntheitsgrad - Viagra ist eine der bekanntesten Marken der Welt. Zum anderen war Viagra im Produktportfolio nicht das Flaggschiff. Wir haben auch Sortis - in den USA als Lipitor bekannt - entdeckt, hergestellt und verkauft. Es ist das mit Abstand meistverkaufte Arzneimittel der Welt. Viagra war und ist ein tolles Medikament, aber in der Pharmabranche wissen wir relativ genau, wann ein Patent ausläuft. Sowohl die gesamte Organisation als auch die Kommunikation konnten sich ausreichend darauf vorbereiten. Das verursacht dann keine großen Eruptionen, sodass das Auslaufen des Patents für die Gesamtkommunikation auch keine Auswirkungen hatte.
Zum Abschluss möchte ich Ihnen noch eine etwas persönlichere Frage stellen: Wenn Sie auf Ihre Zeit bei Pfizer zurückblicken - nicht zwangsläufig als Leiter der Unternehmenskommunikation - was war die größte kommunikative Herausforderung, der Sie bisher gegenüberstanden?
Martin Fensch: Die größte Herausforderung war der Umzug von Karlsruhe nach Berlin mit der gesamten Organisation. Das war sowohl inhaltlich als auch organisatorisch eine sehr große Aktivität, eine ganze Firma von einem Ort an einen 700 Kilometer entfernten Ort zu versetzen. Das war viel Arbeit, hat aber auch einen Riesenspaß gemacht.
Martin Fensch ist Senior Director Communications & Country Operations sowie Geschäftsführer bei Pfizer Deutschland
Interview: Karoline Lange, Master Communication Management