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Murtaza Akbar (Foto: Sven Marquardt)
21.01.2021   Menschen
"PR-Branche in Deutschland hinkt meilenweit hinterher"
Murtaza Akbar, Inhaber der Agentur Wortwahl, beklagt mangelnde Vielfalt in der Kommunikation.
"Vielfalt in den Medien: Auf einmal geht’s", schreibt die "Zett"-Chefredakteurin Marieke Reimann im "Medium Magazin" (erscheint wie der PR Report im Verlag Oberauer). Oder der Schweizer Medienkonzern Ringier, der ein Diversity & Inclusion Board einführen möchte.
 
Bemerkenswerte Ankündigungen. Was daraus wird, steht in den Sternen, auch, ob "#blacklivesmatter" mehr als eine kurzfristige Bewegung ist. Ich würde es mir von Herzen wünschen. So tief, wie das nur Menschen mit einer "anderen" Hautfarbe nachvollziehen können.
 
Die PR-Branche in Deutschland hinkt da noch hinterher, meilenweit. Wenn überhaupt. Denn ich kenne keine Branche in Deutschland mit so wenig Vielfalt in den Führungsebenen. Auch in Jurys, Verbandsvorständen oder Netzwerken gilt: Diversität? Nahezu Fehlanzeige.
 
Ich engagiere mich an verschiedenen Stellen für Vielfalt und wertschätzende Kommunikation in unserer Gesellschaft. Neben der Leitung unserer inhabergeführten Agentur seit gut 20 Jahren bin ich seit sechs Jahren Dozent im Studiengang Onlinekommunikation an der Hochschule Darmstadt (mit einer Quote von circa 20 bis 25 Prozent an Studierenden mit Migrationshintergrund) sowie Botschafter der Kampagne für Vielfalt "Löwen im Herz" des Landes Hessen und halte Vorträge zu wertschätzender Kommunikation. Ich bin gebürtiger Frankfurter mit pakistanischen Wurzeln (und sehe auch so aus). Dass direkt vor meiner Haustür rassistische Morde wie in Hanau oder an Walter Lübcke passieren, erschüttert mich, macht mich tieftraurig und nahezu sprachlos. Ich hätte das nicht für möglich gehalten.
 
Was das mit "unserer" PR-Branche zu tun hat? Langjährige, erfahrene Netzwerker, Teilnehmer und Beobachter unserer "PR-Szene" staunten ungläubig, als ich ihnen einige "Anekdoten" erzählte: vom Geschäftsführer, der mich fragte, ob unser Workshop von der Polizei geschützt wird, weil mein Name doch nach Al Kaida klinge. Oder dem großen Fernsehsender, dem ich ein ausführliches Interview gegeben hatte, der mich aber im langen Bericht nur "Kommunikationsexperte" nannte, weil mein Name wohl zu schwierig auszusprechen ist.
 
Nur zwei Beispiele von vielen. Meine Reaktionen darauf? Zu 95 Prozent Humor, manchmal gewürzt mit hintergründigem Wortwitz.
 
Natürlich, es überwiegen die wunderbaren Momente, Begegnungen und mehr – glücklicherweise. Wenn ich allerdings noch Anekdoten und Erlebnisse aus meinem Privatleben erzählen würde, bräuchten wir eine Sonderausgabe oder besser Sonderbände. Nur so viel: Die Begriffe "Racial Profiling" oder "Alltagsrassismus" kenne ich noch nicht lange. Inhaltlich kenne ich die Themen in unzähligen Facetten, seit ich denken kann.
 
Was ich damit sagen möchte? Mit Lippenbekenntnissen zum Thema Vielfalt und Co., wie etwa reflexartig nach dem rassistischen VW-Werbeclip von vielen Protagonisten verkündet (siehe PR Report 4/2020), können wir Menschen mit Migrationshintergrund, anderen Hautfarben, Religionen oder Lebensmodellen und Orientierungen leider nichts anfangen. Mein Vater sagte mal zu mir, als ich ein Teenager war: "Mein Junge, Du bist Ausländer, hast eine andere Hautfarbe und bist Muslim. Nimm für jeden Aspekt 10 Prozent. Das heißt, Du musst 30 Prozent mehr leisten, um überhaupt die gleichen Chancen zu haben …"

Hart, aber wahr. Das war vor mehr als 30 Jahren – und da ist heute leider noch viel dran. Sehr schade, oder?
 
Vielfalt ist eine Chance. Teams mit Vielfalt haben mehr Erfolg. Vielfalt ist die Zukunft. Heißt es zumindest in einigen Branchen. Das Thema mangelnde Sprachkenntnisse ist übrigens zu kurz gesprungen, auch für die Kommunikation, die inzwischen aus weit mehr als nur Texten besteht.
 
Vor zwei Jahren erschien im PR Report der erste und mir bislang einzige bekannte größere Artikel zur Vielfalt in der hiesigen PR-Branche mit dem bezeichnenden Titel: "Der blinde Fleck" (3/2018). Im Gespräch fragte mich dessen Autorin Anna von Garmissen, was ich von einer Quote für Migranten halte? Wenig, sagte ich damals. Bei der Frauenquote sei sie früher auch dieser Ansicht gewesen, "aber oft geht es nicht anders", meinte sie. Wenn ich die Zahl der Migranten in der PR-Branche sehe – und nicht nur dort – könnte sie recht haben.

Murtaza Akbar ist Inhaber der Agentur Wortwahl in Neu-Isenburg. Dieser Beitrag erschien zuerst in der PR Report-Ausgabe 5/2020 in der Rubrik "Resonanz".

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