Der Herr der Verteiler
PR-Urgestein Carl-EduarD Meyer Dem einen mag er etwas hemdsärmelig vorkommen. Ein anderer ist geneigt zu glauben, der ältere Herr könne von moderner Kommunikation allein abstrakte Vorstellungen haben. Tatsächlich hat Carl-Eduard „Edu“ Meyer mit seinem Dienst „news aktuell“ die PR-Arbeit hierzulande revolutioniert. Im Sommer verabschiedete er sich in den Ruhestand. Was bleibt, ist das Lebenswerk des 66-Jährigen. Von Bijan Peymani
Manchem ist die Laufbahn in die Wiege gelegt, und die Vita wirkt, als sei sie am Reißbrett entstanden. Bei Carl-Eduard Meyer war das nicht so. Als junger Mann ging er zunächst bei der Hamburger Privatbank Münchmeyer & Co. in die Lehre, verbrachte dann einige Jahre in Südafrika. Dort muss ihn ihm die Erkenntnis gereift sein, dass sein weiteres Wirken irgendwas mit Medien zu tun haben müsse. So kehrte Meyer 1975 nach Deutschland zurück, um als Sales Manager bei der Nachrichtenagentur Reuters einzusteigen.
Irgendwann jedoch wurde „Edu“ Meyer die Agenturwelt zu klein, das Abfassen von mehr bis minder gehaltvollen Meldungen zu wenig. In einer Phase, am Vorabend der deutschen Einheit, die mutigen Gründern unendliche Möglichkeiten zu verheißen schien, wagte er den Sprung in die Selbstständigkeit. Nach dem Vorbild von News-Distributoren im anglo-amerikanischen Raum gründete Meyer 1989 „news aktuell“ in der Spaldingstraße, unweit des Hamburger Bauer-Verlags, der auch sein erster Kunde war. Kern der Geschäftsidee: der Versand von Pressemitteilungen via Satellit.
Am Anfang war das Telefax
Das war eine Revolution in und vor allem für die PR-Branche, und so blies dem damals 41-Jährigen und seinem Kompagnon erst einmal ein eisiger Wind ins Gesicht. Es habe „enorme Widerstände“ gegeben, bekennt Meyer im Rückblick, „der Start war schwer“. Aber einmal ins kalte Wasser gesprungen, wollte, ja musste er nun auch schwimmen. Stützen konnte er sich dabei auf etwa 1.000 eigene Adressen – Telefax-Nummern von Nachrichtenagenturen und Redaktionen. Doch die Verbreitung der ihm nur zögerlich von den Unternehmen übertragenen Meldungen machte Meyer anfangs Mühe.
Der Sport-Informations-Dienst, heute eine AFP-Tochter, erlaubte es externen Anbietern, seine sendefreien Zeiten für ihren Aussand zu nutzen. Meyers „news aktuell“ ergatterte sich ein Fenster von zehn Minuten – pro Woche. Wenig genug, aber immerhin ein erstes Verteilernetz für den Newcomer. Den Wendepunkt markierte schließlich die Übernahme von „news aktuell“ durch die Deutsche Presse-Agentur 1994. „Ab jetzt war ein komplett zeitgleicher Aussand möglich“, erklärt Meyer, „das Herzstück unseres Business.“
Man muss sich vergegenwärtigen, wie die Dinge vorher liefen: Da surrten die Telefax-Maschinen und benötigen zum Teil eine ganze Stunde, um 50 Nummern anzusteuern. Jene, die besetzt waren, wurden hinten angehängt. Das führte regelmäßig dazu, dass je nach Verbindungsaufkommen einzelne Nachrichtenagenturen unterschiedlich schnell bedient wurden und im ärgsten Fall eine News erst erhielten, als sie von Mitbewerbern bereits verarbeitet worden war. Dank des dpa-Netzes sollte das Geschichte sein.
Die Nachfolge ist geregelt
In den Folgejahren wuchs „news aktuell“ analog zu den digitalen Verbreitungswegen und Kommunikationsplattformen. Etwas belächelnd – und mehr noch anerkennend – wurde dem Gründer der Spitzname „Streu-Meyer“ zuteil, den er in seinem Twitter-Account @streumeyer aufgegriffen hat.
Gut 120 Mitarbeiter sind heute in Hamburg, Berlin, Frankfurt, München und Düsseldorf für Firmen, Organisationen, PR-Agenturen und staatliche Stellen im Einsatz. Neben der Kernmarke „ots“ stehen diesen Partnerschaften mit PR Newswire, APA OTS und news aktuell Schweiz sowie die Plattform presseportal.de zur Verfügung. Laut IVW verbucht die immerhin rund fünf Millionen Visits pro Monat.
Zum 25. Jubiläum in diesem Jahr sieht „Edu“ Meyer die fast 20 Umsatzmillionen schwere „news aktuell“-Gruppe so gut bestellt, dass er sich in den Ruhestand verabschiedet hat.
Seit 1. September ist er Privatier. „news aktuell“ wird nun von einer Doppelspitze geführt, von zwei Menschen mit einer anderen Vita und aus einer anderen Generation. Frank Stadthoewer fungiert bereits seit 2005 als Geschäftsführer und bildet seither gemeinsam mit Edith Stier-Thompson die Geschäftsführung der dpa-Tochter. Und „Edu“ Meyer? Der will sich künftig verstärkt digitalen und Technologiethemen widmen und ein eigenes Blog aufziehen.