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08.12.2014   News
Schwieriges Erbe
 
PR-Generationen Detmar Große-Leege, Reiner Schulze van Loon und Klaus Kocks haben den Berufsstand der PR in Deutschland geprägt wie wenige andere, ein jeder auf seine Weise. Wie immer man ihr Wirken im Rückblick beurteilt: Männern wie ihnen ist zu verdanken, dass auch hierzulande der Kommunikationschef heute einen festen Platz im Top-Management hat. Die Schuhe, die die Gründerväter ihren Söhnen hingestellt haben, sind manchem indes zu groß. Von Bijan Peymani

Um es vorweg zu nehmen: Klaus Kocks in einem Atemzug zu nennen mit zwei Nestoren der deutschen PR-Geschichte mag manchen verstimmen, mindestens aber irritieren. Doch es soll im Folgenden darum gehen, ein Bild zu zeichnen von drei Persönlichkeiten, die die Zunft und vor allem deren Außenwahrnehmung mit ihrem Ethos und ihrem Auftreten geprägt haben. Es waren Prinzipien wie Fairness und Gradlinigkeit, die heute aktueller scheinen denn je oder – ein Mix aus Winkelzügen und Strippenzieherei – als Fußnote in die PR-Annalen eingingen.

Interessant mag diese Betrachtung auch deshalb sein, weil inzwischen die Söhne von Detmar Große-Leege, Reiner Schulze van Loon und Klaus Kocks das durchaus schwierige Erbe ihrer Väter angetreten haben. Machen Sie es anders, machen Sie es besser? Gelingt es ihnen, sich von der Bürde des großen Namens zu befreien und ihrer PR-Arbeit eine eigene Handschrift zu verleihen? Der PR Report hat die Betroffenen befragt und sich in der Branche umgehört. Einem Mann wird dabei von allen Seiten besonderer Respekt zuteil.


Reiner und Dietrich Schulze van Loon
„PR-Pionier, „Doyen der deutschen PR-Branche“, PR-Mann mit großem Latinum“ – Reiner Schulze van Loon wurde bereits zu Lebzeiten mit Superlativen bedacht. Tatsächlich gilt der gebürtige Thüringer als Wegbereiter der modernen Public Relations. Bis Mitte des vergangenen Jahrhunderts hatte die Zunft hierzulande klares Profil und guten Leumund vermissen lassen. Reiner Schulze van Loon trug nicht zuletzt 1973 als Mitbegründer und späterer langjähriger Präsident der GPRA maßgeblich dazu bei, dem Markt Struktur und Professionalität zu geben.

„Die Reihen fest geschlossen, die Preise hoch“ lautete ein Leitspruch, mit dem es ihm gelang, die Truppen hinter sich zu sammeln und einen für jene Zeit neuen Corps-Geist auszubilden. Der Senior habe schon in den 1960er und 1970er Jahren „an eine Kommunikationsstrategie geglaubt, die in disziplinübergreifenden Lösungen dachte und nicht im Silodenken verhaftet war“, lobt Klaus Utermöhle, der seit 2013 über die Hamburger Orca-Gruppe mit Reiners Sohn Dietrich geschäftlich verhandelt ist. Ähnlich äußert sich PR-Urgestein Gerhard Pfeffer.

In seinem Nachruf auf Reiner Schulze van Loon, der am 14. November 2006 im Alter von 84 Jahren verstarb, schrieb Pfeffer: „Das Trennende erkennen, aber zugleich den Blick für das Ganze schärfen: Vielleicht ist es das, was ihn zum Visionär der Kommunikationsbranche werden ließ.“ Früher als andere habe Schulze van Loon PR als unverzichtbare strategische Führungsaufgabe und essenziellen Funktionsträger innerhalb unseres pluralistischen Gesellschaftssystems verstanden, so Pfeffer, Gründer und Herausgeber des „PR-Journals“.

Menschen, die ihn persönlich kannten, schätzten Weitblick und die Standhaftigkeit, mit der der Senior für seine Überzeugungen eintrat. Andere sagen, Reiner sei ein Despot gewesen, der keine andere Meinung gelten ließ. Sein Sohn Dietrich widerspricht nicht. Er beschreibt seinen Vater als „charakterstarken Agenturchef, er kontrollierte alles und hatte das letzte Wort ñ†also kein besonderer Teamplayer und Motivator“. Dennoch sei der Senior bei seinen Mitarbeitern hochgeschätzt und respektiert worden, „nach dem Motto ,rauhe Schale, weicher Kern!`“

Sich von seinem Übervater zu emanzipieren, war für Dietrich Schulze van Loon ein steiniger Weg. Im half dabei, dass er für die PR ñ†anders als der Alte ñ kaufmännische Expertise und Managementwissen mitbrachte. „Für mich sind moderne Public Relations nichts anderes als das Management von Meinungsbildungsprozessen über alle Kommunikationsinstrumente und -kanäle hinweg“, erklärt Dietrich. Mit seinem Wirken wolle er einen messbaren Beitrag zur unternehmerischen Wertschöpfung leisten, sehe sich mehr als Berater denn als PR-Mann.

Es muss den Senior stolz gemacht haben zu erleben, dass auch sein Filius ab 2005 der GPRA vorstand. „Er war ein wichtiger Präsident“, betont Uwe Kohrs, heute selbst Steuermann des Verbandes. Eines der größten Verdienste von Dietrich während seiner Amtszeit sieht Freund und Partner Utermöhle in der Entwicklung des „Communication Value Systems“. Anders als sein Vater habe Dietrich seinen Beitrag in einer „erwachsenen“ Branche geleistet, in der es viel stärker um Öffnung der Disziplinen und um neue Agenturkonzepte gehe, sagt Kohrs.

Dazu zähle auch die Entwicklung eines belastbaren Verhältnisses zu Journalisten und von ethischen Grundsätzen, die heute selbstverständlich seien, ergänzt der amtierende GPRA-Präsident. „Dietrich Schulze van Loons Werdegang ist wohl derjenige, der sich am engsten am Vorbild des Vaters orientiert“, resümiert Carl-Eduard Meyer, Gründer von „news aktuell“. Respekt wird dem Junior für seine Nehmerqualitäten zuteil. „Nach Rückschlägen hat er es immer wieder verstanden, sich neu zu motivieren und neu auszurichten“, sagt Ursula Reimers.

Als sie damals Pressechefin der Agentur Lintas wurde, war Dietrich so etwas wie ihr Mentor. Auch PR-Berater Norbert Essing lobt: „Rückschläge waren für ihn Ansporn, und er ist dabei eine anerkennenswerte Persönlichkeit geblieben ñ†selten in unserer oft genug zur Heiterkeit anregenden Branche, die sich meistens viel zu ernst nimmt, wozu Herr Schulze van Loon übrigens auch nicht neigt.“ Das hat er anderen überlassen. Zum Beispiel einem Klaus Kocks, PR-Zampano unter anderem bei Ruhrgas in Essen und Volkswagen in Wolfsburg.


Klaus und Jan Niklas Kocks
Es muss den Betreffenden bedrücken, wenn andere sich auf Nachfrage despektierlich über ihn äußern ñ oder lieber gleich gar nicht. So ein Fall ist Klaus Kocks, den meisten vor allem durch polarisierende Auftritte in der einen oder anderen Talkshow präsent. Ansonsten fallen wenig schmeichelhafte Begriffe wie „Berufslügner“ und „Trickser“. Oder man erinnert sich, wie er in VW-Diensten einst Opel in der Lopez-Affäre „mit allen Mitteln auspunktete“. Er habe die Medienklaviatur perfekt beherrscht, räumen jedoch selbst Kocks´ schärfste Kritiker ein.

„Ich gehöre zur dritten Generation der bundesrepublikanischen PR-Manager“, sagt der heute 62-Jährige, der neben der Kommunikationsberatung Cato ein Meinungsforschungsinstitut in Horbach betreibt. Und dann stellt Kocks ein paar kluge Sätze in den Raum, die so etwas wie Läuterung verheißen: „Wir sind nicht nur die Poeten des Wünschbaren, sondern vor allem Anwälte der kommunikativen Interessen unserer Mandanten. Es gilt das Kollegialitätsgebot und die Verpflichtung auf die Rechtsordnung.“ Das aus seinem Mund, ein Ding.

Aus Kocks’ aktiver Zeit ist verbürgt, dass er sich wiederholt am Rande der Legalität bewegte, und auch darüber hinaus. Nun überrascht er mit der An- oder Einsicht, ein Partikularinteresse sei „legitim, solange es genau dieses nicht verbirgt. Opas angeblich am Gemeinwohl orientierte PR war kein Institut der Wahrheitspflege; vieles ist in dieser PR noch immer halbseiden oder schlicht ,Werbung´ mit anderen Mitteln. Kommunikationsmanagement respektiert die anderen Stakeholder in einer wettbewerblichen Meinungsbildung, vor allem eine freie Presse“.

Heute veranstaltet Kocks akademisch „in einem etwas zu forschen Ton Wissenschaftsspiele, die die Forschung näher an die Lehre bringen, mehr nicht“. Ein Leipziger PR-Papst der zweiten Generation habe ihn deshalb als bloßen „Flaneur“ qualifiziert; „das finde ich eigentlich recht treffend. Mein Sohn ist da solider; er kann zudem Empirie, was mir nie gegeben war“. Filius Jan Niklas ist nach abgebrochenem Jura-Studium seit 2011 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Publizistik und Kommunikationswissenschaft an der Freien Universität Berlin.

Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen unter anderem politische (Online-)Kommunikation und das Verhältnis zwischen Journalismus und Public Relations. Jan Niklas: „Das von meinem Vater beschriebene Flanieren zwischen PR und PR-Forschung fundiert zweifelsohne kritische Reflektionen über Berufsstand und -feld.“ Aufgrund der zunehmenden Ausdifferenzierung und Professionalisierung werde ein derartiges Flanieren „für die jetzt nachfolgende Generation, zu der auch ich gehöre, zunehmend erschwert, wenn nicht gar unmöglich“ gemacht.

Natürlich bedürfe die PR weiterhin kritischer und wissenschaftlich fundierter Reflektion, und auch die PR-Forschung sei ohne Kontakt mit der Berufspraxis nur schwer denkbar. „Personell verlangen diese Bereiche aber inzwischen wohl eine deutlichere Trennung, als dies früher der Fall war“, so Kocks Junior, „Flaneure der vierten Generation halte ich für nur noch schwer vorstellbar. Darum habe ich mich – auch im Sinne intrafamiliärer Ausdifferenzierung – für den Pfad der PR-Forschung entschieden.“ Da will einer bewusst seinen eigenen Weg gehen.


Detmar und Dirk Große-Leege
Nachdem das Schicksal von Klaus Kocks bei VW eng mit dem seines Chefs Ferdinand Piech verbunden gewesen war, musste ersterer Ende 2001 in Anbahnung der Stabübergabe an Bernd Pischetsrieder seinen Hut nehmen. Im Herbst des Folgejahres holte der neue VW-Boss – für viele überraschend und nicht erste Wahl – Dirk Große-Leege auf die Kommunikationsbrücke, bis dahin stellvertretender Sprecher der Deutschen Bahn. Pikant daran: Vater Detmar, Ende 2000 mit 62 Jahren verstorben, galt als Intimus von DaimlerChrysler-Chef Jürgen Schrempp.

War es einem Reiner Schulze van Loon vorbestimmt, die Branche als Ganzes zu strukturieren, so wird Detmar Große-Leege zugeschrieben, dass er mithalf, die Kommunikation der Wirtschaft zu professionalisieren. Er prägte den öffentlichen Auftritt von Marken wie Villeroy & Boch, Audi oder Daimler-Benz Aerospace, ebenso das Erscheinungsbild von Top-Managern wie dem bereits erwähnten Schrempp oder Audi-Boss Wolfgang Habbel. „Detmar Große-Leege hat den Journalismus in die Industrie getragen“, analysiert „Edu“ Meyer.

Mit seiner Arbeit, auch später als Sprecher von Gruner+Jahr, habe er „einen bleibenden Eindruck hinterlassen“. Meyer: „Er war ein brillanter Netzwerker, hatte die Durchwahl jedes Chefredakteurs.“ Legendär war nicht nur Große-Leeges Telefonbuch, sondern auch seine Geburtstags- und Weihnachtspost: mit Füllfederhalter geschriebene persönliche Briefe. Im Rückblick verklärt sich manches. Ebenso überliefert ist, wie Große-Leege in Abstimmung mit PR-Kollegen ausgesuchte Personenkreise mit teuren Geschenken kompromittierte.

Die heutige Realität in den Redaktionen und Unternehmen ließe eine PR-Arbeit von einst nicht mehr zu, relativiert Dirk Große-Leege mit Verweis unter anderem auf die Compliance-Regeln. „Das Verhältnis zwischen Medien und PR-Leuten ist distanziert-professioneller geworden, der Austausch heute sachlicher und schneller.“ Es war damals eben die Zeit der PR-Pioniere in Deutschland, mit allen Chancen und Risiken, die Männer auf der Brücke für Dirk Große-Leege „bunte Vögel in geheimer, für die meisten kaum verständlicher Mission“.

„Nicht selten hatten sie den Auftrag der bedingungslosen Positionierung des CEO und seines Tuns“, erklärt Große-Leege, „dass ein guter Kommunikationschef gegebenenfalls mit seinem Chef unterging, war für viele PR-Profis der ersten Stunde eine Frage der Ehre.“ Mit seiner eigenen Agentur in Berlin agiert er nach eigenem Bekunden offener, er sieht sich „als Mittler zwischen Welten, irgendwo zwischen Unternehmensberatung und Anwaltstätigkeit“. Das klingt im Vergleich zum Wirkungskreis des Vaters doch recht bescheiden.

Überhaupt ist es um Dirk Große-Leege nach seiner Zeit bei VW auffallend ruhig geworden. „Der Alte war ein Meister“, urteilt der selbst nicht unumstrittene PR-Berater Essing, „doch noch ein Meister zu werden, wünsche ich dem Sohn auch; viel Zeit bleibt ihm nicht mehr!“.

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