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News / "Personal Branding betrifft alle"
Tijen Onaran (Foto: Urban Zintel)
21.08.2020   Menschen
"Personal Branding betrifft alle"
Digital-Expertin Tijen Onaran erklärt, warum die eigene Positionierung so wichtig ist und worauf es dabei ankommt.
Frau Onaran, Ihre Erfolge basieren nicht nur auf toller Leistung, sondern auch darauf, diese nicht zu verstecken: Ab wann wird es wichtig, als Unternehmerin die Öffentlichkeit nicht zu fürchten, sondern diese dosiert, bewusst und kontrolliert, aber eben auch gezielt zu suchen?

Tijen Onaran: Ich habe mit meiner Positionierung bereits angefangen, bevor ich sie brauchte. Ich wollte selbstbestimmt und nicht fremdbestimmt sein! Denn ich glaube, wer seine Positionierung selbst in die Hand nimmt, nimmt auch sein Leben selbst in die Hand. Unabhängig davon, ob ich angestellt oder selbstständig bin: Personal Branding betrifft alle – vielmehr: sollte alle betreffen! Doch viel zu wenige sind sich dessen bewusst. Als Unternehmerin nutze ich die Möglichkeit, Sprachrohr für die Themen zu sein, die wir bei Global Digital Women vorantreiben. Sprachrohr kann aber jeder sein, ob ich Berufsanfänger bin, Elektrotechniker oder CEO eines großen Unternehmens. Denn wenn ich mich nicht selbst positioniere, übernehmen das andere für mich! Personal Branding ist das urdemokratischste Element unserer Zeit!

Sie behaupten, nur wer sichtbar ist, fände auch statt. Wie sehr ist diese Zuspitzung dem Trubel in den zeitgemäßen, nicht immer wirklich sozialen Sozialen Medien geschuldet?


Ist es denn wirklich eine Zuspitzung? Oder nicht schlichtweg Realität? Bewegungen wie Black Lives Matter haben es uns doch allen gezeigt: Über die Sozialen Medien wurden die Lebensrealitäten von sehr vielen Menschen auf einen Schlag sichtbar. Ihre Ängste, ihre Gedanken und Erfahrungen wurden greifbarer denn je und damit auch sie selbst! Es gibt den Instagram Account "Was ihr nicht seht!" von Dominik Lucha, der unter #wasihrnichtseht Alltagsrassismus sichtbar macht. Über 91.000 Menschen folgen dem Account – die Geschichten finden plötzlich in der öffentlichen Debatte statt, die Menschen denen es passiert auch. Der Titel lautet nicht: Nur wer sichtbar ist, existiert – der Titel lautet bewusst: Nur wer sichtbar ist, findet auch statt, weil stattfinden Lebensweisen, Geschichten und Situationen impliziert.

Wer von sich behauptet, Personal Branding zu betreiben, wird schnell mal belächelt oder sogar hart angegangen. Warum ist es Ihrer Einschätzung nach trotzdem so wichtig?


Über Personal Branding schwebt das Damoklesschwert der Inszenierung. Und Inszenierung schreiben wir ja nur Künstlern oder Menschen des öffentlichen Lebens zu. Dabei ist Inszenierung per se nichts schlimmes. Jeder, der einen Vortrag hält, inszeniert sich, indem die Überlegung zugrunde liegt: Wie kann ich das Publikum am besten begeistern, motivieren oder gar inspirieren? Wenn sich mehr Menschen mit Haltung inszenieren würden, wäre die Welt ein Stückchen besser.

Was sind für Sie die Erfolgsfaktoren gelungener eigener Markenbildung?


Ein gesunder Mix aus Glaubwürdigkeit, Humor und Konsistenz. Glaubwürdig zu sein, ist das höchste Gut gelungener Markenbildung. Die Themen, die ich besetze, müssen zu mir passen. Wenn ich morgen anfangen würde mich als Chemikerin zu positionieren, wäre das vieles, aber nicht glaubwürdig. Humor hilft eine gesunde Distanz zum negativen wie auch positiven Feedback anderer zu entwickeln. Ich bin ja der festen Überzeugung: Je mehr ich mich von Komplimenten abhängig mache, ständig darauf warte, dass jemand applaudiert, desto mehr mache ich mich auch abhängig vom Destruktiven. Sich selbst nicht so wichtig zu nehmen, ist die beste Grundlage für gutes Personal Branding. Das mag auf den ersten Blick widersprüchlich sein, doch das ist es nicht, wenn man Personal Branding themenbezogen und nicht ichbezogen sieht.

Wie wichtig ist es für Medienhäuser, aber auch für Journalisten, sich selbst zur sichtbaren, auch streitbaren Marke zu machen?


Lange Zeit war es so, dass Journalisten die Geschichte für sich sprechen ließen. Aber die Zeiten haben sich geändert: Wenn ich das, was ich geschaffen habe, nicht erzähle, wer soll mir dann zuhören? Zum Erzählen gehört eben auch, dass ich nicht darauf warte, dass dies jemand anderes für mich übernimmt, sondern ich selbst muss in Aktion treten. Insbesondere Journalisten sind doch prädestiniert für gute Positionierung, da sie nicht austauschbare "To go"-Botschaften präsentieren, sondern einordnen, kommentieren und eben auch streitbar sind. Gerade letzteres ist essentiell für nachhaltiges Personal Branding! Nur wer Meinungsstärke mitbringt, hat auch eine Durchdringung!

Welche Kanäle würden Sie fürs Personal Branding von Journalisten empfehlen, warum welche eher nicht?


Wichtiger, als die Kanalwahl, ist die Message. Was will ich erzählen und wie? Wie will ich mich zeigen? Bin ich die Comedian in der Redaktion oder die Analystin? Wenn ich das für mich klar weiß, kann ich jedem Kanal meine eigene Handschrift verpassen. Instagram Accounts wie die News WG, aber auch die Journalistin Yara Hoffmann, die per Stories den Blick hinter die Kulisse ihrer Recherchen und Reportagen zeigt, sind der beste Beweis, wie es auch auf einem vermeintlich "lifestyligem" Medium funktionieren kann. Natürlich ist Twitter das Diskussionsmedium schlechthin, aber um meine Leser zu erreichen, würde ich immer danach gehen, was mir liegt und was nicht. Ob ich auf Tiktok oder auch Instagram die Hasenfilter einsetzen muss, um die nächste Reportage über das Grundeinkommen zu platzieren, sei mal dahin gestellt. Aber wer weiß? Vielleicht wäre das wieder ein Branding, das im Gedächtnis bleibt!

Was setzt eine gelungene Persönlichkeits-Inszenierung in den Medien für Medienschaffende voraus?


Wenn ich Medienschaffenden in den Sozialen Medien folge, möchte ich Hintergründe und Einblicke, die ich über das bloße Lesen des Endprodukts, wie eines Artikels, nicht bekommen würde. Damit meine ich nicht den Soja-Cappuccino, der in die Kamera gehalten wird, oder das Büro, das abfotografiert wird. Sondern vielmehr die Geschichte hinter der Geschichte: Wie kam die Geschichte zustande? Was waren Stolpersteine? Was kam auch nicht ins Heft und warum? Natürlich lässt sich nicht alles erzählen, aber das Schöne an den digitalen Kanälen ist ja: Ich habe es selbst in der Hand, was ich erzähle. Ein weiterer Punkt, der wichtig ist: Es geht als Medienschaffende nicht nur um Senden, sondern eben auch um Empfangen. Ich kann mir über digitale Medien eine eigene Leserinnenschaft aufbauen, die ich ohne Präsenz nicht erreichen würde. Von ihnen zu lernen, zu interagieren und zu reflektieren ist doch das beste berufliche Coaching, das es gibt!

Journalisten wird oft Eitelkeit unterstellt, unwichtig ist sie nicht: Was sind beim Personal Branding die gefährlichsten Fallstricke?


Gesundes Selbstbewusstsein hilft durchaus bei Positionierung. Gefährlich und vor allem unklug wird es, wenn es außer "Ich" keine Message gibt. Auch glaube ich, dass überhöhte Eitelkeit jegliche Positionierung zerstören kann. Wenn ich nicht in der Lage bin für Fehler, die ich gemacht habe, einzustehen, weil mir meine Eitelkeit selbst im Weg steht, kann ich noch so viele Themen haben: Keines davon wird es schaffen durchzudringen. Wovon ich auch abrate, ist sich beim Personal Branding über die Position oder das Amt, das ich bekleide, zu definieren. Wenn ich mich auf die durch die Position resultierende Sichtbarkeit verlasse, gibt es ein böses Erwachen. Oft zu beobachten bei Politiker*innen aber auch Menschen in machtvollen Positionen, die nach Aufgabe des Amtes, keinerlei Wirkungsgrundlage mehr zu haben scheinen. Gutes Personalbranding prägt den Job - nicht andersrum!

Von welchen Medien-Profis - Sie selbst einmal ausgeklammert - kann man denn in den sozialen Medien lernen und warum ist das so?


Kristina Fassler, General Manager bei der WELT, und Patrizia Laeri, Chefredakteurin bei CNN Money, leben es hervorragend vor: Sie nutzen beide ihre Reichweite, um auf Themen wie Diversität, Teilhabe oder Bildung aufmerksam zu machen. Sie sind beide Teil einer Medienmarke und doch ihre eigene Marke. Für mich sind sie damit digitale Vorreiter der Medienszene! Anna Schneider, Redakteurin im Berliner Büro der NZZ, schätze ich sehr für ihre Meinungsstärke. Beim Thema Quote sind wir anderer Meinung, aber genau das macht gute Positionierung aus: Ich muss nicht in allem übereinstimmen, um beeindruckt zu sein.

Welche Türen hat Ihnen die Medienarbeit in eigener Sache bislang eröffnet?


Ohne Positionierung wäre ich nicht da, wo ich heute bin. Personal Branding hat mir die Tür zum Unternehmertum geöffnet. Denn hätte ich mich nicht intensiv damit beschäftigt, wofür ich stehen will und wofür nicht, wäre ich nicht darauf gekommen, wo ich hin will. Über meine Sichtbarkeit kann ich bis heute Aufmerksamkeit für gesellschaftspolitische Themen generieren, die ich ohne Präsenz nicht hätte. Ich bin nicht mit einem Twitter-Account geboren worden. Es hat mich viel Geduld, Zeit und Energie gekostet mir mein digitales Netzwerk aufzubauen. Tut es im Übrigen bis heute, aber ich weiß wofür ich es mache: um Veränderung anzustoßen und Diversität sowie Inklusion in der Wirtschaft endlich zur Selbstverständlichkeit werden zu lassen! Was ich allerdings hinsichtlich meiner Medienarbeit heute viel wichtiger finde ist: dass ich meine Plattform und Präsenz für diejenigen nutzen kann, die beides nicht haben. Als mich vor kurzem jemand auf LinkedIn "belehren" wollte, dass in der Business-Welt ein "buntes Gesicht" nicht passen würde, habe ich diese Absurdität an Kommentar nochmals über mein Profil öffentlich gemacht. Es erreichten mich unzählige Nachrichten von Frauen, denen selbiges passiert war, aber eben nicht auf LinkedIn, sondern im Eins-zu-Eins-Gespräch oder in Meetings. Ich kann aussprechen, was andere vielleicht nicht können – das motiviert mich ungemein.

Letzte Frage: Sie gelten als Ikone für eine erfolgreiche digitale Existenz. Wie wichtig ist es, dann doch auch mal auf geduldigem bedruckten Papier, also in der so gern belächelten Print-Welt, zu erscheinen?


Ich liebe Print! Papier ist geduldig, das Digitale hingegen ist der Inbegriff der Ungeduld. Wichtiger als das Medium ist mir allerdings wen ich mit meiner Arbeit erreiche. Ob das dann ein Wirtschaftsmagazin, ein digitaler Newsletter oder die Apothekenumschau ist, ist zweitrangig. Letzteres würde übrigens meine Eltern freuen, da sie die treusten Leser sind. Mir hat die digitale Präsenz eine Unabhängigkeit ermöglicht, die ich rein mit Print nicht erreicht hätte. Ich habe erst selbst über meine Arbeit erzählt, bevor es andere taten. Das gibt mir bis heute ein Gefühl der Selbstbestimmtheit!
 


Zur Person: Tijen Onaran ist Unternehmerin, Autorin, Speakerin und Moderatorin. Mit ihrem Unternehmen Global Digital Women berät sie Unternehmen in Diversitätsfragen, vernetzt Frauen aus der Digitalbranche und macht diese sichtbar. Sie gehört laut Manager Magazin zu den top 100 einflussreichsten Frauen der deutschen Wirtschaft und publiziert regelmäßig in verschiedenen Magazinen Beiträge zu Digitalisierung, Diversität und Personal Branding.

Interview: Rupert Sommer (Dieses Interview erschien zuerst bei unserem Schwestermedium kress.de)


 
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