Gut ausgestattet mit den Weihnachtswunschzetteln der Kinder, die hoffen, durch die besondere Nähe zum Weihnachtsmann von Papas Adventsausflug zu profitieren, bin ich gestern in Helsinki eingetroffen, um in der PR-Jury des Eurobest-Awards mitzuwirken.
Schneehaufen statt FlipflopsSchon ein ganz schöner Stretch, den die Organisatoren der Cannes-Lions den europäischen Award-Delegierten zumuten. Das
Eurobest-Festival, die kleine und sehr feine europäische Schwester der großen Löwenjagd an der Côte d'Azur, hatte sich in den letzten drei Jahren schön warm und beschwingt in Lissabon eingenistet. Nun haben sich die Verantwortlichen Veränderungen gewünscht und das Kreativfestival ist an das geographisch denkbar weit entfernteste Ende von Europa umgezogen - nur 500 Kilometer südlich des Polarkreises. Statt Sonnenschein und Flipflops bilden nun Schneehaufen und Schals das Setting.
Zu wünschen wäre, dass die kühlen äußeren Umstände nicht dämpfend auf die Intensität der Debatten um die besten Ideen abfärben. Die großartige Award-Bilanz skandinavischer Agenturen in den letzten Jahren lässt vermuten, dass das meteorologische Sein nur bedingt das kreative Bewusstsein bestimmt. Und auch Beobachtungen während eines
Besuchs der Ausstellung "Mad about Helsinki" im Stadtmuseum deuten an, dass mediterranes Gefühl nicht vom Wetter abhängt.
Ein fröhliches erstes Kennenlernen liegt hinter den Jurys ("kippis" ist mein erstes finnisches Wort), die nun in den nächsten 2-3 Tagen die Aufgabe haben, sich aus der langen Shortlist die Sieger der Kategorien und final auch die Meister aller Klassen herauszusuchen.
Selbstbewusst auftreten!Die
PR-Kategorie hat sich mit gefühlt weit mehr als 300 Einreichungen gut etabliert im Konzert der Disziplinen. Nicht alles ist neu, da einige Arbeiten schon in diesem Sommer in Cannes zu sehen waren, aber die erste Sichtung im Vorfeld des Festivals gibt Anlass zur Hoffnung, dass frische eigenständige Kampagnen und Projekte das Selbstbewusstsein von kreativer PR in und aus Europa weiter stärken. Ich wünsche mir jedenfalls von der Jury, dass hier nicht nur Minderwertigkeitskomplexe gegenüber anderen Agenturformen ("the ad guys are eating our lunch...") therapiert werden, sondern die eigenen Stärken der Disziplin im Mittelpunkt der Diskussion stehen.
Ab Montag startet dann auch ein
hochkarätiges dreitägiges Seminarprogramm, bei dem die Veranstalter einen gelungenen Mix an lokalen und globalen Impulsen und Sprechern zusammengestellt haben: skandinavische Selbstreflektion der Erfolge insbesondere schwedischer und finnischer Brückenschläge zwischen Design und Technologie einerseits, und globale Megatrends wie die fortschreitende Integration von Entertainment und Brands andererseits. Durch gute Erfahrungen in Cannes und Lissabon ist meine Vorfreude vor allem auf die Beiträge aus dem Google-/YouTube-Universum groß. Auch das Rahmenprogramm setzt starke lokale Akzente - ich bin jedenfalls direkt in das Training eingestiegen, um nicht bei der Saunaparty zu kollabieren.
Die vermutete Nähe zum Weihnachtsmann hat sich übrigens bestätigt: die Wunschzettel sind übergeben und eine zeitnahe Bearbeitung wurde mir zugesichert. Für den Moment bin ich wunschlos...
Happy adventti!
Jan Dirk Kemming ist Kreativchef bei Weber Shandwick in Deutschland und vertritt Deutschland in der PR-Jury des Eurobest Kreativ-Festivals 2014 vom 1. bis 3. Dezember in Helsinki.