Vor wenigen Wochen sprachen alle Konzerne noch von ihrem Purpose. In der Krise zeigt sich, wer es wirklich ernst meinte. Adidas nicht. Ein Gast-Kommentar von Max van Poele.
Es sind wahrlich keine einfachen Zeiten für uns alle. Vor wenigen Wochen schien die Welt noch in Ordnung. Jetzt befinden wir uns im Lockdown. Das hat nicht nur gesellschaftliche, sondern auch wirtschaftliche Folgen, unter denen viele Unternehmen leiden – so auch Adidas.
Was in solchen Krisenzeiten aber umso wichtiger ist: gute Kommunikation, denn sie ist erfolgskritisch. Das hat Adidas nun am eigenen Leib erfahren und wir verzeichnen den ersten Shitstorm in Zeiten von Corona. Als großer Fan von Adidas tut mir das im Herzen weh, vor allem aber habe ich mich gefragt, warum Adidas von so fahrlässig kommuniziert und das 1x1 der Krisenkommunikation nicht beherrscht hat. Was ist falsch gelaufen?
Corona-Kommunikation ist Chefsache
Als
Bild die Nachricht, dass Adidas aufgrund der Corona-Krise seine Mietzahlungen vorerst aussetzen würde, veröffentlichte, hatte sich eine Unternehmenssprecherin dazu geäußert und die Aussage bestätigt. Erst nachdem sich die Wellen der Empörung überschlugen, schaltete sich CEO Kasper Rorsted ein.
Man darf sich schon fragen, warum eine Entscheidung solcher Tragweite so fahrlässig kommuniziert wurde. Schließlich redet derzeit die ganze Welt von Solidarität und Adidas, das
zuvor 2 Milliarden Euro Gewinn verkündete, setzt seine Mietzahlungen aus. Einfach so. Ohne es näher zu erläutern, geschweige denn proaktiv zu kommunizieren.
Krisenkommunikation braucht klare Kernbotschaften
Im
Interview mit der FAZ bezieht Kasper Rorsted dann Stellung, erläutert die Entscheidung und gibt sich teilweise als Opfer („Wir machen nur in drei Ländern Geschäft“). Auf einmal ist auch nicht mehr von einem Zahlungsstopp, sondern einer Stundung die Rede. Und es betreffe natürlich nur die Immobilienvermarktungen und Versicherungsfonds, nicht die privaten Vermieterinnen und Vermieter. Das sind allerdings zwei unterschiedliche Aussagen, die sich hinreichend unterscheiden.
Hier hätten klare Kernbotschaften à la „Adidas ist sich seiner gesellschaftlichen Verantwortung bewusst“, „Wir tragen die Mietstundungen nicht auf dem Rücken der Privateigentümerinnen und -eigentümer aus“ und „Wir stehen in engem partnerschaftlichem Austausch mit den Vermieterinnen und Vermieter und arbeiten an einer Lösung, die für beide Seiten tragbar ist“ der Kommunikation und dem Image von Adidas gut getan. So aber lassen die unterschiedlichen Botschaften Zweifel aufkommen und senken das Vertrauen in die Marke um ein Vielfaches.
Der Slogan in der
Twitterbiographie „Together is how we’ll get through this“ wirkt vor dem Hintergrund wie ein schlechter Aprilscherz. Diese Inkonsistenz ist fahrlässig und unverantwortlich. Sie zerstört Vertrauen und erodiert die gesellschaftliche Akzeptanz. Entscheidend in der Krise ist, offen, ehrlich und glaubwürdig zu kommunizieren. Fehler passieren. Aber sie dürfen sich nicht wiederholen. Und man sollte zu ihnen stehen.
Den Dialog mit Anspruchsgruppen aktiv steuern
Auch hat Adidas während der ganzen Kommunikation immer nur reagiert und war demzufolge stets einen Schritt zu spät. Es brauchte drei Tage, um ein Statement bzw. Interview abzugeben. Das sind drei Tage zu viel. In der Krise ist Reaktionsschnelligkeit gefragt und es muss klare Prozesse und Strukturen geben. Auf Twitter ist bis gestern immer noch keine Reaktion erfolgt, dabei reden wir momentan alle davon, dass Online-Kommunikation in Zeiten von Corona und den damit einhergehenden Ausgangsbeschränkungen an Bedeutung gewinnt. Social Media hätte via Monitoring im Sinne eines strategischen Issue Managements außerdem dabei helfen können, die Krise frühzeitig zu antizipieren und so den Schaden deutlich abmildern können.
Man "bittet" um Entschuldigung
Irgendwann war aber nicht nur klar, dass das Kind in den Brunnen gefallen ist, sondern auch, dass es damit längst nicht getan war – der Shitstorm nahm zu und eine Entschuldigung musste her, um den Reputationsschaden noch irgendwie zumindest ein bisschen abmildern zu können. Die Strategie der „full apology“ ist vor dem Hintergrund ein gutes Mittel – das sagt uns auch das Lehrbuch. Denn das Ganze auszusitzen wäre Adidas wahrscheinlich noch teurer zu stehen gekommen.
Ob es die richtige Entscheidung war, dann gleich Anzeigen in etlichen deutschen Tageszeitungen zu schalten, bleibt zu diskutieren. In jedem Fall wäre es aber zumindest auch eine Überlegung Wert gewesen, zusätzlich eine Videobotschaft vom CEO via Twitter zu veröffentlichen, um Gesicht in der Krise zu zeigen. So kommuniziert man deutlich nahbarer, aufrichtiger und empathischer mit den Stakeholdern. Stattdessen folgt ein Schreiben, das die Überschrift „Adidas sagt Entschuldigung“ trägt.
Ich habe immer gelernt, dass man nur um Entschuldigung bitten kann. Ob das Gegenüber die Entschuldigung dann auch annimmt, steht auf einem anderen Blatt. Die Zeit wird das nun zeigen.
Wir sehen momentan aber auch, dass jeder Krise eine Chance innewohnt. Deshalb: Ihr könnt das besser, Adidas. Jetzt und auch nach Corona. Zeigt uns das. Zeigt es Euch selbst.
Autor: Max Van Poele ist Attention Manager bei der Agentur Hypr, war Teilnehmer der PR-Nachwuchsinitiative #30u30 des PR Reports und wurde 2019 bei den PR Report Awards zum Young Professional des Jahres gekürt.
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