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02.04.2020   Wissen & Praxis
Krise! Kostendruck! Selber machen?
Was die Unternehmenskommunikation von Agenturen lernen kann. Ein Gast-Kommentar von Cornelia Kunze und Moritz Kaffsack.
Kommunikationsteams in Unternehmen stellen sich auf ihrer Transformationsreise seit einiger Zeit und bereits vor der großen Krise die Frage, welche Leistungen von Agenturen durch eigene Mitarbeiter ersetzt werden können. Die Gründe: Kostendruck, der Wunsch nach mehr Unabhängigkeit und Flexibilität sowie der eigene Anspruch und die Qualifikation der eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
 
Besonders die großen internationalen Etats sind in den vergangenen Jahren weniger und kleiner geworden, das Headquarter übernimmt nicht nur Strategie und Steuerung von Kampagnen und Projekten, sondern in einigen Fällen auch Spezialleistungen wie Planning, Kreation, Mediaeinkauf und die taktische Umsetzung in den jeweiligen Kanälen und Märkten, bis hin zum Extrem einer separaten Inhouse-Agentur.
 
Das zeigt: Die Kommunikationsabteilungen in Unternehmen sind zum veritablen Wettbewerber von Agenturen geworden.
 
Die Corona-Krise führt nun zu einem Kosten-Druck, an den sich die erfahrenen Manager aus der letzten Finanzkrise noch gut erinnern. Und sie verändert die Art, wie wir zusammenarbeiten. Wer zuvor bei kleinen Veränderungen wie Homeoffice auf der Bremse stand, lernt jetzt: Es geht nicht anders - und es kann richtig gut funktionieren. Gleichzeitig ahnen wir alle, dass sich nicht nur auf dem Gebiet der Digitalisierung aller Abläufe grundsätzlich etwas ändern wird.
 
Die Krise wirkt als eine Art Katalysator der Gedanken, die schon in Vorbereitung oder Umsetzung waren: Wie kann das interne Team dauerhaft gestärkt werden? Und wie kann gleichzeitig die Zusammenarbeit zwischen Kunde und Agentur schneller, unaufwendiger, agiler erfolgen?
 
Drei Fragen, die wir uns stellen:
 
1) Wie kann der Wunsch nach permanenter Weiterentwicklung der eigenen Mitarbeiter und die damit verbundene Unabhängigkeit des Unternehmens und der einzelnen Personen am besten umgesetzt werden?
2) Wie kann eine „Remote Organisation“, so wie sie in einer radikalen Form jetzt erzwungen wird, funktionsfähig, motivierend und erfolgreich sein?
3) Wie können alle Ressourcen und Talente auf den Wertbeitrag für das Unternehmen fokussiert werden?
 
Vielleicht können Unternehmensteams – gleichwohl eingebettet in eine sehr unterschiedliche Arbeitskulturen und Governance-Formen – sich bestimmte Erfahrungen und Leistungsstärken von Agenturen zu eigen machen. Womöglich gibt der Perspektivwechsel Inspiration für neue Ideen, jetzt, da Veränderung vielleicht einfacher umsetzbar ist.
 
Hier sind fünf Leistungsstärken von Agenturen, welche für In-house-Teams in dieser Situation interessant sind.


Profit-Centre-Denken: Wo Budgets gekürzt werden, wird jede Aktion auf Geschäftsnutzen geprüft. Agenturen kennen das zu gut: Aus der Perspektive des Controllers sind Agenturen und ihre Unterabteilungen Profit-Centres, sie müssen also Gewinn erwirtschaften. Agenturmitarbeiter werden darauf trainiert, ihre Ressourcen (nur) dort einzusetzen, wo Wert erbracht wird. Jedes Projekt enthält eine Zeitplanung, gegen die jeder Mitarbeiter bucht. Abweichungen davon werden identifiziert, größere Abweichungen führen zu entsprechender Effizienzverbesserung oder Nachkalkulation. So wird die Ressource am Wert und nicht am Wunsch ausgerichtet.


Primat der Kreativität: Agenturen messen Kreativität und innovativen Lösungen den höchsten Stellenwert bei. Kreativität ist die nachhaltige Existenzberechtigung einer Agentur. Wer sie verliert, verliert Geschäft, Talente und Reputation. Agenturen heroisieren Ideen und Kampagnen. Sie stellen Kreativ-Direktoren ein, trainieren Mitarbeiter auf Kreativität und reichen ihre Arbeiten zu Kreativitäts-Wettbewerben ein. Unternehmen können davon profitieren, Kreativ-Spezialisten einzusetzen und ihnen eine Sonderposition einzuräumen, so dass diese den Freiraum und den Blick von außen in immer wieder neuartige Lösungen verwandeln können. Diese Fähigkeit hilft auch in Krisenzeiten, selbst wenn Risikominimierung im Vordergrund steht.


Tempo: Die Krise erfordert Pragmatismus und schnelles Agieren. Agenturteams müssen ständig pragmatisch, direkt und flexibel arbeiten. Absicherungsstrategien verdienen keine Bonuspunkte. Die Entscheidung fällt „auf dem Platz“, also im Pitch, im Pressetext, in der Präsentation, im Journalistengespräch, im Social-Media-Post. Es ist üblich, sich schnell und unbürokratisch Hilfe zu holen, z.B. auch bei Experten und in der Hierarchie höher angesiedelten Kollegen in anderen Ländern. Oft sind auch die Wege zum Kunden direkt und funktionieren ohne Hierarchie-Schranke. Short-Cut heißt die Devise. Die oft verschlungenen Pfade einer global aufgestellten Organisation fressen Tempo. Agenturen haben aber keine Zeit und akzeptieren in der Regel die Zeitvorgaben der Auftraggeber. Die Zeitpuffer in Projekten werden benötigt, um Abstimmungsprozesse in der Kundenorganisation durchzuführen. Auch deshalb verhindern gute Agentur-Manager allzu große Zentralabteilungen.


Teamgeist: Der Zusammenhalt eines Teams wird auf den Prüfstand gestellt, wenn Kontakte auf Videokonferenzen und Telefonate reduziert und der informelle Austausch entfällt. Was gut geführte Agenturen zusammenhält, ist oft der Stolz der Mitarbeiter, dazuzugehören – über Teams, Länder und Aufgabenbereiche hinaus. Daraus ensteht eine besondere Solidarität, die auch in Krisenzeiten nützlich ist. Wir haben erlebt, wie internationale Kunden-Teams ohne eigene P&L-Verantwortung ein "Wir"-Gefühl aufbauen und nutzen, Projekt für Projekt, und alles nur als „Remote Organization“. Voraussetzung ist die gemeinsame Vision. Trotz unattraktiver Arbeitszeiten durch Kundendruck und Zeitzonen-Komplexität: Menschen bleiben bei Agenturen, wenn sie diesen Teamgeist spüren und gemeinsam etwas bewegen können, auf das sie stolz sind. Dann spielen "hub" oder "sub" eine untergeordnete Rolle. Im Unternehmen können Projektteams im Home-Office mit dem richtigen Teamgeist an einem Strang ziehen und dabei als Vorreiter die Silos der Organisation aufbrechen. 


Erste Reihe: Auch wenn in der Krise nicht der richtige Zeitpunkt für die Profilierung Einzelner ist, sollte Dankbarkeit nicht ausbleiben. Für diejenigen, die Wert schaffen und sich 24/7 nach draußen stellen, mitunter auch in den Regen. „Lead from the Front“ ist Führungsprinzip von Agenturen. Sie sind gut darin, denen Applaus zu zollen, die sich aus der Komfortzone wagen, in die erste Reihe stellen und Mut beweisen. Ein wichtiger Schritt im Unternehmen kann es sein, die traditionelle Positionierung als „Serviceabteilung“ zu überdenken, Reputation ist Kerngeschäft. Denen, die sie aktiv managen, gebührt dieselbe Anerkennung wie dem Vertrieb oder der Forschung.
 
Die Corona-Krise ist ein Funktions-Test für Agenturen wie Kommunikationsteams, den sich niemand hätte ausdenken können. Wurde zuvor eine Kultur des stetigen Wandels als Anspruch ohne konkrete Timeline beschrieben, so drängt uns die ungewollte Revolution nun Arbeitsumstände auf, für die es zuvor nur wenig Befürworter gegeben hat. Dieses gigantische, erzwungene Experiment kann eine Chance sein, eine neue Kultur zu etablieren und dabei hilft vielleicht auch der Blick über den Zaun.


Die Autoren: Cornelia Kunze und Moritz Kaffsack sind Inhaber der Beratung I-sekai. Sie haben auf Unternehmens- und Agenturseite in Europa, Asien und den USA gearbeitet.




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