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Monika Schaller
02.03.2020   Menschen
"Journalisten sind Kunden und sollten so behandelt werden"
Post-Kommunikationschefin Monika Schaller über Herzblut, Distanz und Grauzonen in der Kommunikation. Und: Was sie PR-Profis rät, von denen verlangt wird, zu lügen.
Monika Schaller ist ein Phänomen: Die Kommunikationschefin der Deutschen Post DHL hat schon bei schwierigen Unternehmen (Deutsche Bank), für äußerst starke Charaktere (Ex-Goldman-Sachs-Star Alexander Dibelius) und in heiklen Lagen (Finanzkrise) gearbeitet – und wird von Journalisten trotzdem geschätzt. Was auch daran liegt, dass die gebürtige Wienerin mit Charme und Schmäh operiert, entwaffnend locker und offen auftritt.


Die Beziehungen der Deutschen Bank zu einigen Journalisten waren zumindest zeitweise ziemlich angespannt. Trotzdem haben Sie persönlich bei Journalisten in Frankfurt einen guten Ruf, galten als glaubwürdig und sogar als beliebt. Wie haben Sie das geschafft?
Als oberste Maxime gilt: Man belügt keine Menschen. Wichtig ist auch eine gewisse Distanz zwischen den Themen, die man vertritt, und der eigenen Person. Wir Kommunikatoren arbeiten alle mit Herzblut, versuchen positive Botschaften zu treiben und Botschaften, die wir nicht mögen, zu verbessern. Aber ich nehme das sportlich.
 
Wie gelingt der Spagat zwischen Loyalität und Distanz zum eigenen Unternehmen?
Ich muss so realistisch sein zu verstehen, dass Journalisten und ich zwei Seiten derselben Medaille
sind. Wir haben beide ein anderes Interesse. Wenn in den Medien etwas Schlechtes über die Deutsche Post DHL steht, stelle ich mir die Frage, ob es gerechtfertigt ist oder nicht und wie ich damit umgehe. Wie gesagt: Das darf man nicht persönlich nehmen.
 
Einige Ihrer Kollegen tun genau das.
Nur wenn ich die professionelle Distanz wahre, kann ich die beste Lösung für mein Unternehmen finden. Kommunikatoren wie Vorstände müssen Dinge rational sehen, bewerten und erklären. Wenn ich zu emotional würde, kann ich für meinen Arbeitgeber nicht das beste Ergebnis erzielen.
 
Haben Sie sich nie über Journalisten geärgert?
Selten. In den knapp 20 Jahren, in denen ich den Job mache, kann ich diese Ärgernisse an einer
Hand abzählen.
 
Sind Sie schon einmal mit Anwälten gegen Journalisten vorgegangen?
Ich habe das einmal inhaltlich mitgetragen. In dem betreffenden Fall hat ein Journalist seine Geschichte trotz unserer wiederholten Dementis gebracht und wollte diese auch im Nachhinein nicht korrigieren.
 
Journalisten sagen über Sie nicht nur, dass Sie bei kritischer Berichterstattung nicht beleidigt seien, sondern auch, dass Sie nicht in den „Infight“ gehen würden.
Stimmt.
 
Weil Sie Konflikte scheuen?
Prinzipiell bin ich ein Mensch, der eher das Verbindende als das Trennende sucht. Ich sehe mich als jemand in der Mitte, der die beiden Welten zusammenführt. Ich bin die Erste, die bei falscher Berichterstattung Journalisten anruft, und diese bittet, dass das nicht mehr vorkommt. Der Rest ist eine Grauzone, beispielsweise wenn es um Bewertungen und Kommentierungen von Fakten geht. Ob ich wirklich so konfliktscheu bin, müssen Sie meinen Mann fragen. Ich glaube, der sieht das anders. (lacht)
 
Bei kritischer Berichterstattung bekommen PR-Profis häufig auch intern Druck von Kollegen und vom Vorstand. Wie bleibt man da gelassen?
Das habe ich in dem halben Jahr bei der Post nicht erlebt.
 
Aber womöglich bei Ihren vorigen Stationen. Welche Tipps geben Sie Kollegen, die intern Druck bekommen, weil dem Unternehmen oder dem Vorstand die Berichterstattung nicht passt?
Ich stelle intern oft die Frage, ob jemand persönlich lieber positive Sachen liest oder negative. Das Negative ist leider oft spannender. Unsere Aufgabe ist, zu erklären: Wie funktionieren Medien, was sind die Ziele von Journalisten und was bedeutet das für das Unternehmen. Das ist nicht immer komfortabel. Hofberichterstattung dürfen wir nicht erwarten. Journalisten sind Kunden und sollten so behandelt werden. Also mit Transparenz, Ehrlichkeit und auf Augenhöhe. Wir sollten dankbar sein, dass es klassische Medien gibt und nicht die gesamte Kommunikation über Social Media und Content Marketing stattfindet. Es ist wichtig, dass Profis das Geschehen einordnen.
 
Was raten Sie Kommunikatoren, von denen verlangt wird, dass sie für ihr Unternehmen oder ihren Vorstand lügen?
Dass sie sich schleunigst einen neuen Job suchen, wenn sie noch aufrecht in den Spiegel schauen
wollen.


Tipp: Bei diesem Interview handelt es sich um einen Auszug aus einem längeren Gespräch mit Monika Schaller im aktuellen PR Report. Lesen Sie in dieser Ausgabe:
 
- Der Mega-Newsroom: Wie die neue Schaltzentrale des Sparkassen-Verbands funktioniert.

- Fiktion statt Fakten: Podcasts sind schwer im Trend. Auch in der PR. Meist handelt es sich dabei um Talk-Formate. Die Lufthansa geht einen anderen Weg.

- Ferien-Flatrate und Einheitsgehalt: Eine Agentur schwört auf gleiches Geld und unbegrenzten Urlaub für alle.


- Die Linkedin-Schule: Tui sieht in Linkedin seinen wichtigsten „globalen Kommunikationskanal“. Warum das so ist, wie der Touristikkonzern das soziale Netzwerk nutzt und wie er die Mitarbeiter zu Corporate Influencern ausbildet.

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