Billig und Premium - kann beides zusammen funktionieren? Es kann. Die Airline Germanwings hat viele Deutschland- und Europaflüge ihrer Muttermarke Lufthansa übernommen und bedient seit fast zwei Jahren preissensible Privatreisende wie Businesskunden. Wie ihr der Weg zur Markenspreizung gelang.
Die Aufgabe könnte kniffliger kaum sein: Vor fast zwei Jahren ging die Lufthansa dazu über, ihre innereuropäischen und innerdeutschen Flüge auf das Tochterunternehmen Germanwings, also eine Billigmarke zu übertragen. Der Schritt schien für das Management unumgänglich, weil der Kranich auf seinen Kurzstrecken nur noch Verluste einflog und der Billigkonkurrenz nicht mehr gewachsen war.
Doch das Vorhaben war mehr als gewagt, weil der Edel-Carrier seiner meist gut situierten Kunden zumutete, in einen Flieger umzusteigen, mit dem sonst nur einfache Privatleute und Pauschalreisende durch die Gegend flogen. Billig und zugleich Premium - das war und ist der Anspruch von Germanwings-Geschäftsführer Thomas Winkelmann. Sein Unternehmen solle so erfolgreich werden wie der VW Golf,
sagte er 2012 gegenüber der "Zeit": "Ein klassenloses Produkt, das jeder gern nutzt.
"Doch kann dieser Spagat der Marke Germanwings gelingen? Das fragten sich damals viele - und ihre Skepsis schien berechtigt. Denn anfangs fanden nicht wenige Business-Kunden und Vielflieger der Lufthansa das neue Angebot wenig verlockend und luden ihren Frust bei der Airline ab. Nach gut zwei Jahren hat sich die Lage beruhigt, weil Germanwings seine Markenspreizung mit einem ausgefeilten Tarif- und Angebotsmodell zu gestalten versucht, das sowohl den preis- wie den statusbewussten Flugreisenden dazu bringt, im gleichen Jet in die Luft zu gehen.
Ein Jet, drei Klassen
Der Basic-Tarif soll die preisbewussten Privatkunden vom Umstieg auf Easyjet oder Ryanair abhalten und lockt mit Holzklasse zum Minipreis; für Gepäck, Catering und andere Serviceleistungen müssen sie extra zahlen. Der Standard- oder Smart-Tarif umfasst die Aufgabe eines Gepäckstücks, eines Wunschsitzplatzes und lässt den Reisenden in Genuss eines Snacks und Getränks kommen. Wer Komfort will, kann des Best-Tarif buchen und darf in den ersten drei Reihen Platz nehmen, wo jeweils ein Platz neben ihm frei bleibt. Er kann die Lounge aufsuchen, bekommt mehr Flugmeilen gutgeschrieben, kann bevorzugt einchecken, darf mehr Gepäck aufgeben und wird à la Carte bedient.
Kunden verstehen das Konzept der Markenspreizung
Glaubt man Marketingleiter Thomas Labonde, dann ist Germanwings schon immer ein Qualitätscarrier unter den Low-Cost-Airlines gewesen. In der Ausdehnung des Geschäfts auf ehemalige Lufthansa-Kunden sieht er folglich nicht als Umpositionierung, sondern als Weiterentwicklung. Und die ließ sich den bestehenden Germanwings-Kunden und den neu hinzu gekommenen Lufthansa-Kunden - auch dank der Kommunikation über alle Kanäle - angeblich gut vermitteln. Die anfänglichen Proteste der Lufthansa, die nun auf vielen Europa- und Deutschland-Strecken auf Germanwings verwiesen werden, tut Labonde als Irritationen ab.
Ihren Reisenden sei die Lufthansa über Jahrzehnte ans Herz gewachsen und verfüge über eine hervorragende Reputation: "Diese müssen wir uns als Germanwings erst noch hart verdienen", räumt Labonde ein. Dabei scheint der Anfang gemacht: "Binnen kurzer Zeit konnten wir anhand unserer Umfragen sehen, dass sich die Wahrnehmung der Marke positiv weiterentwickelt hat." Daran hatten sowohl die breit streuenden Werbekampagnen wie auch die individuelle Kommunikation gegenüber den Kunden ihren Anteil. Auch den Vergleich zum VW Golf bemüht der Marketingmann gern. Germanwings liefere - ebenso wie der Dauerbrenner aus Wolfsburg - "Qualität zum attraktiven Preis" und werde deshalb von einer großen Zielgruppe geschätzt: "Wir sind als Airline mit diesem Konzept auf dem richtigen Weg, denn anders ist es nicht zu erklären, dass nun diverse andere Gesellschaften Carrier in Europa unser Modell kopieren."
Marketing und PR arbeiten Hand in Hand
Dass sich die Dinge für Germanwings in die richtige Richtung entwickeln, liegt auch an der engen Abstimmung von Marketing und PR, die sich in vielen Unternehmen nicht grün sind. Laut Heinz Joachim Schöttes existieren solche Spannungen bei Germanwings nicht: "Beide Bereiche greifen auf eine jahrelange etablierte Struktur der kurzen Wege zurück und harmonisieren ausgezeichnet miteinander. Alle gemeinsamen Themen und Maßnahmen stimmen wir tagesaktuell ab und setzen sie um", behauptet der Leiter der Unternehmenskommunikation. Weil alles eingespielt ist, musste die Airline nach der Neuausrichtung vor knapp zwei Jahren intern auch keine neuen Strukturen für ihre Werbung und PR einziehen. Vielleicht ist das auch der Grund, weshalb Germanwings im September vom Travel Industry Club
mit dem zweiten Platz beim Best Marketing Campaign ausgezeichnet wurde. Der Jury gefiel, wie die Gesellschaft ihr dreistufiges Tarifmodell in der Werbung anpries.
Mix aus Produktkommunikation und Social Media
Das war eine Menge Arbeit, schließlich galt es, die neu ausgerichtete Marke sowohl bei Privat- wie auch bei Geschäftskunden zu verankern. "Wir haben den kompletten Auftritt von Germanwings sowohl kommunikativ als auch im Corporate Design verändert und deutlich aufgewertet", sagt Marketingkopf Labonde. "Die Kombination von produktorientierter Kommunikation und sachlicher Tonalität hat uns dabei geholfen, die Neuerungen zielgruppengerecht und schnell zu vermitteln." Dabei spielten Marketing und PR nach eigenem Bekunden die komplette Klaviatur. Und bei der durfte auch Social Media Marketing via
Facebook und
Twitter nicht fehlen. Dort platziert die Fluglinie ihre aktuellen Angebote sowie Brand-Entertainment-Formate, widmet sich aber auch dem Dialog mit den Kunden. Ihr Feedback empfindet Schöttes als nützlich: "Viele Kunden nutzen insbesondere Facebook für konkrete Anfragen." Und Germanwings gehe individuell darauf ein: "Praktisch jeder Post wird beantwortet."
Rundum glücklich können die Marketing- und PR-Leute bei Germanwings aber noch nicht sein, denn ihre Airline ist noch immer nicht profitabel. Im kommenden Jahr will sie nach den Worten von Marketingchef Labonde aber einen operativen Gewinn erwirtschaften. Das scheint nach seinen Worten durchaus möglich, weil die Auslastung steigt und sich die Buchungszahlen erfreulich entwickeln. Doch ganz sicher ist das nicht, denn die Konkurrenz bleibt trickreich und weitere Streiks könnten der Airline einen Strich durch die Rechnung machen.
Guido Schneider