Wenn agile Methoden Unternehmen lähmen, moderne Agenturen die Telefone ausstöpseln und die Redaktion aufstöhnt. Von Daniel Neuen
Die Produktion des PR Reports ist oft ein Rennen gegen die Uhr. Je näher der Drucktermin rückt, desto schneller verfliegen erst die Tage, dann die Stunden und dann die Minuten bis zur Deadline. Die finalen Korrekturen, noch eine ungeklärte Detailfrage, ein nicht ganz pünktlich gelieferter Text, eine ausstehende Autorisierung – auf den letzten Metern kommt keine Langweile auf.
Damit es zum Ende hin nicht gar so strubbelig wird, sind wir heilfroh, weniger zeitkritische Geschichten möglichst früh und fertig im Kasten zu haben. Das klappt oft, aber nicht immer. Zwei Erlebnisse aus den vergangenen Monaten.
1. „Kein Anschluss unter diesem Montag“Wenn beispielsweise noch Fotos fehlen und dann automatische Antwort-Mails wie die folgende eingehen, hebt das nicht wirklich die Laune: „Kein Anschluss unter diesem Montag! Jeden Montag stöpseln wir unsere Telefone aus und lassen die Postfächer zu. Jegliche internen Meetings ziehen wir auf diesen Tag vor, damit wir die restliche Woche konzentriert arbeiten können.“
Uff! Aber gut, damit hätten wir rechnen müssen. Denn die Mail kam von Kersten Riechers, Gründer von Quäntchen und Glück. Bei der Agentur ist alles auf New Work ausgerichtet: Es gibt unbegrenzten Urlaub, ein Einheitsgehalt, „T-Error“ genannte Kommunikationstrainings und der Montag ist – wie es in der Mail steht – „Schontag“. Das wussten wir alles ganz genau,
denn für diese Ausgabe haben wir uns angesehen, wie das Modell funktioniert.
Nur: Es fehlten noch die Fotos – und so stöhnte ich: „Die machen es ja wie die Frisöre vor 30 Jahren.“ Was erstens unfair und zweitens falsch war – gearbeitet wird bei Quäntchen und Glück natürlich trotzdem. Und mein schlechtes Gewissen wegen solch negativer Gedanken wurde noch größer, als sich Riechers umgehend mit einer „Ich-kümmere-mich“-Mail meldete. Der Mann scheint zu wissen, was Journalisten brauchen.
2. „Da wir ja in Sprints arbeiten“Agiles Arbeiten liegt schwer im Trend. Komisch wird es allerdings, wenn Unternehmen vor lauter Agilität bewegungsunfähig werden. So baten wir vor einiger Zeit eine Firma darum, uns bei einer großen Geschichte mit ihrem Datenschatz zu unterstützen.
Vorteil für das betreffende Unternehmen: gute PR in eigener Sache, da es auf diesen (anonymen und frei zugänglichen) Daten sein Geschäft aufbaut. Vorteil für uns: wenig Aufwand für Suche und Rechnerei. Die Pressesprecherin des Unternehmens, mit viel Vorlaufzeit an Bord geholt, fand den Plan genauso bestechend wie wir.
Trotzdem passierte wochenlang wenig. Dann – Hallelujah! – ein Lebenszeichen: „das Ticket“ habe es „in den Sprint geschafft“. Wir nahmen nun an, dass das was mit „Scrum“ zu tun habe, eine der modernen Projektmanagement-Methoden, und dachten, nun gehe alles seinen Gang.
Ging es auch, nämlich voll agil – oder eben auch nicht, je nach Sichtweise. Zwei Wochen zogen ins Land, ohne dass etwas geschah. Dann – Hallelujah! – die Daten. Dass diese nicht so geliefert wurden, wie wir sie gerne gehabt hätten, wusste man bei dem Unternehmen auch. Aber: „Eine Nachjustierung würde zwei Wochen dauern, da wir ja in Sprints arbeiten.“ Hm...
Gesprintet sind wir schließlich lieber selbst, heißt: Wir haben die Daten aus dem Netz gefischt und selbst gerechnet. Ging relativ schnell.
Autor: Daniel Neuen, Chefredakteur PR Report
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