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21.01.2020   Karriere
Warum unsere Branche ein Problem hat
Die PR ist weiblich, an der Spitze männlich, jung, urban, ohne Migrationshintergrund - dem Berufsstand fehlt die Vielfalt, meint Gastautorin Cornelia Kunze.
Unser Berufsstand braucht Vielfalt wie die Suppe das Salz. Ohne die Vielfalt der Erfahrungen, des Denkens und des Handelns sind wir langweilig, uninspiriert, monoton und letztlich nicht effektiv. Wir können unsere Aufgaben nicht wahrnehmen: Brücken bauen zwischen schier unüberwindlichen Positionen, Lösungen in festgefahrenen Situationen finden, Veränderung vorantreiben und Einfluss nutzen.
 
Indes: Es fehlt an Vielfalt. Und an Inklusion. Wir sind weiblich, an der Spitze männlich, jung, urban, ohne Migrationshintergrund. Wir folgen denselben Influencern, gehen zu denselben Events, hören denselben Sprechern zu. Unsere Filterblasen sind das Symptom und die Ursache mangelnder Vielfalt.
 
Wir diskriminieren zum Beispiel nach Alter. Haben Sie sich schon mal gefragt, ob jemand zu alt für einen Job sei, weil das Team jung ist oder weil Ihr Kunde ihn zu alt finden würde? Oder weil es der Teamchefin unangenehm wäre, Aufgaben an eine ältere Person zu delegieren? Haben Sie schon mal jemandem einen Job nicht gegeben, weil die Person zu jung aussieht und von Kollegen und Kunden nicht respektiert würde?
 
Wir diskriminieren nach Geschlecht. Halten Frauen für kommunikativer und empathischer, ermuntern sie, in die Kommunikation zu gehen, raten Männern eher zu anderen Berufen. Wir klassifizieren Männer als rational, verkaufs- und durchsetzungsstark, Frauen als sozial und emotional. Befördern nicht nach Leistung, sondern nach Erwartung und Klischee. Auch das macht die gläserne Decke so stabil.
 
Wir pflegen unsere Vorurteile gegenüber fremden Kulturen, dem Headquarter in den USA, den Kollegen in China und Frankreich. Wir finden es schwierig, Kommunikation kulturübergreifend zu gestalten. Unser monokulturelles Umfeld hat uns darauf nicht vorbereitet. Wer stark ausgeprägte Präferenzen für klare Ergebnisse, Pünktlichkeit und sachorientierte Entscheidungen hat, empfindet die Freude an Terminflexibilität, Ambiguität und Beziehungskultur nicht als bereichernd, sondern als ermüdend. Und wertet sie als unprofessionell ab.
 
Wir haben Geistes-, Sozial- und Kommunikationswissenschaften studiert, ein Volontariat oder Traineeship absolviert, werden danach zum Juniorberater oder Projektmanager befördert, in vorgegebenen Gehalts-Leitplanken. Betriebswirte und Juristen gibt es nur wenige in unserem Beruf. Noch weniger Naturwissenschaftler oder Künstler. Wir suchen die aus, die sind wie wir.
 
Karrieren finden oft im Silo statt: Kommunikation oder Marketing, Media Relations oder Social Media, Unternehmen oder Agentur. Ja, es gibt die Wanderer zwischen den Welten. Aber es gibt sie nicht häufig genug. Unsere Branche formiert sich nach dem Ähnlichkeitsprinzip. Und verändert sich deshalb langsamer, als es ihr gut täte.
 
Die Frage, die ich stelle, ist: Wie können wir die Vielfalt der Talente – über Alters-, Länder-, Kultur- und über Abteilungsgrenzen hinweg – auch dafür nutzen, unsere Zukunftsfähigkeit zu sichern? Wie können wir die inkludieren, die anders sind als die „Norm“, ihnen zuhören, ihnen Einfluss ermöglichen, sodass wir die Transformation unserer eigenen Branche vorantreiben und vielleicht sogar Vorbild sind für eine Gesellschaft, die sich damit schwertut?
 
Cornelia Kunze ist Gründerin der Agentur I-Sekai


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