Anna-Maria Zahn verantwortet als Director Social Media Research die fachliche Leitung des auf dieses Thema spezialisierten Instituts ForschungsWeb in Nürnberg. Seit 2014 ist sie Leiterin der neu gegründeten Initiative Analytics and Monitoring des Bundesverbands der Digitalen Wirtschaft (BVDW). Im Interview kontert sie die Kritik an ihrer
aktuellen B2B-Benchmark-Studie und räumt mit romantischen Ideen zum Social Web auf. Es sei "nicht mehr die schöne Spielweise, auf der man einfach mal machen und ausprobieren kann".
Ihre B2B-Studie will die Wirkung von Facebook-Kampagnen transparenter und Facebook-Werbebudgets besser steuerbar zu machen. Sind das angesichts der kleinen Erhebungsmenge nicht reichlich vermessene Ziele?
Zahn: Vielleicht vermessen für andere. Aber wir verkaufen nichts, was wir nicht auch verantworten können. Mit unserer Studie haben wir einen ersten Schritt gemacht, wir stehen am Anfang einer Entwicklung. Der Benchmark ist nicht als einmalige Erhebung zu verstehen, sondern als fortlaufender Prozess mit stetig aktualisiertem Datenmaterial. Derzeit sind wir dabei, weitere B2B-Unternehmen in den Benchmark zu integrieren, sodass sich die Frage nach der Erhebungsmenge ab der Aktualisierung im Januar auch für Sie nicht mehr stellen wird. Wichtig dabei ist auch hervorzuheben, für welche Zielgruppe wir hier einen Benchmark aufbauen und zur Verfügung stellen: Es geht um B2B-Unternehmen in Deutschland, für die bisher jegliche Vergleichszahlen fehlen. Allein das ist schon ein großer Mehrwert, wie wir als Resonanz auf unsere Initiative immer wieder zurückgespielt bekommen.
Aber mit Verlaub, die Grunderkenntnis klingt schon etwas banal: Gib für Deine Facebook-Kampagne mehr aus und Du erreichst bessere Ergebnisse. Glauben Sie wirklich, dass sich ein Unternehmen Social-Media-Erfolg erkaufen kann?
Es ist im Prinzip wie im Fußball. Je mehr Geld Sie zur Verfügung haben, desto bessere Spieler können Sie kaufen. Haben Sie deswegen automatisch den gewünschten Erfolg? Mit Sicherheit nicht. Ähnlich verhält es sich bei den Facebook Ads. Natürlich können Sie Erfolg nicht kaufen, jedoch ermöglichen größere Budgets automatisch größere Hebeleffekte in Bezug auf Ihre Ads - die Fähigkeit effektive Ads zu schalten einmal vorausgesetzt. Als Unternehmen lernen Sie auch durch das Feedback beziehungsweise durch das Ausbleiben des gewünschten Feedbacks, was bei ihrer Zielgruppe ankommt und was nicht.
Und was konkret bringt den Unternehmen diese Erkenntnis?
Dieses Wissen können sie wieder für andere Facebook-Maßnahmen einsetzen. Am Ende lernen manche Marketingabteilungen ihre Zielgruppe so erstmals auch wirklich kennen. Zudem ist hier wiederum darauf zu achten, worauf sich unsere Studie bezieht. Wir geben mit den Ergebnissen Social-Media-Managern ein Werkzeug an die Hand, den Erfolg ihrer Facebook-Ad-Kampagnen mit anderen Unternehmen vergleichen und damit zu einer besseren Einschätzung des eigenen Erfolgs gelangen zu können. Der Erfolg der kompletten Social-Media-Maßnahmen, die sich in der Regel aus verschiedensten Aktivitäten zusammensetzen, muss mit einem Multimethoden-Studiendesign und immer abgestimmt auf die jeweils verfolgten Ziele gemessen und bewertet werden.
Facebook-Kampagnen haben in der Regel drei Ziele: die Fanpage befeuern, auf die Website des Unternehmens lenken und die Arbeitgebermarke stärken. Nun erklären Sie, dass etwa die Erhöhung der Fanzahl kein sinnvolles Ziel sei.
Die schiere Erhöhung der Fanzahl kann kein nachhaltiges Ziel eines Social-Media-Managers sein. Ein Auftritt bei Facebook ist kein Selbstzweck, sondern folgt anderen Unternehmenszielen. Beispielsweise Employer Branding, also mehr und höher qualifizierte Bewerber auf die eigenen Stellenanzeigen zu lenken. Oder Absatz, also E-Commerce oder Leadgeneration. Grundsätzlich geht es im Social Web dann im nächsten Schritt auch eher um Interaktion und Austausch. Eine kleine, aber dafür sehr aktive Community ist aus unserer Sicht zielführender als Millionen Fans, die mit meiner Fanpage nicht interagieren. Unserer Meinung nach hat sich diese Erkenntnis auch bereits in der Branche durchgesetzt. Professionell arbeitende Unternehmen haben schon längst nicht mehr nur die bloße Anzahl der Fans im Visier. Bei einer neuen Fanpage kann es kurzfristig natürlich dennoch sinnvoll sein, die Seite mit ad-generierten Likes ein wenig anzuschieben. Und dass dies auch im B2B-Bereich sehr erfolgreich gelingen kann, zeigen die Ergebnisse unserer Studie.
In den USA reift die Erkenntnis, dass die zielführende Messung von Social-Media-Kennzahlen unmöglich ist. Warum halten wir beharrlich daran fest?
Ist das so, ja? Es ist sicher nicht immer dienlich, in jeder Situation Social-Media-Aktivitäten mit monetären Zielen zu verknüpfen, aber es lässt sich auf lange Sicht nur schwer vermeiden. Social Media ist erwachsen geworden. Es ist nicht mehr die schöne Spielweise, auf der man einfach mal machen und ausprobieren kann. Mittlerweile ist Social Media fester Bestandteil in der Unternehmenswelt mit eigenen Budgets, Ressourcen und so weiter, und somit unterliegt es auch den gleichen Messkriterien. Daher ist unser Benchmark eine Hilfe für jeden Social-Media-Manager, der seinem Chef den Nutzen seines Investment in Social-Media-Facebook-Kampagnen erklären muss.
Interview: Bijan Peymani