Weniger Selbstinszenierung, mehr Wertbeitrag
Die digitale Arbeitswelt bietet gute Chancen für Führungsfrauen, sich zu positionieren. Tatsächlich tun sich viele noch schwer mit der eigenen Markenbildung, meint Gastautorin Silvia Hänig.
Im Zuge einer guten Wirtschaftslage dreht sich auch das Personalkarussell, denn es gibt viel zu tun: Die Digitalisierung bewegt nahezu alle Unternehmensbereiche, schafft neue Tätigkeitsfelder und stellt die bisherige Arbeitsorganisation gehörig auf den Kopf.
Wegducken ist keine Option
Die wirtschaftliche Situation kombiniert mit der facettenreichen Diskussion zu „Frauen in Führung“ oder „Diversity“ schafft ein hervorragendes Momentum für Frauen, ihre Führungsqualitäten öffentlich unter Beweis zu stellen, ja sich sogar als Gestalterinnen der Digitalisierung zu positionieren. Besonders wenn es um Mitarbeiterführung, Vorleben flexibler Arbeitsformen sowie neue Formen der Kommunikations- und Unternehmenskulturen geht. Weibliche Führungskräfte haben hier alle Karten in der Hand, eine Randthematik zur strategischen Kernkompetenz zu machen. Wer das erkennt, interpretiert und umsetzt, vermag die kollaborative Arbeitswelt persönlich zu prägen und kann dadurch für andere zum Vorbild werden.
Aber wo passiert das gerade? Wer ist sich dieser öffentlichen Rolle bewusst und bereitet die eigene Organisation auf übermorgen vor? Die Antworten auf diese Fragen sind alles andere als einfach. Zunächst sollten sich Frauen ihrer Rolle als Chef-Kommunikatorin bewusst werden, diese Aufgabe als Teil ihrer unternehmerischen Agenda verstehen und verinnerlichen. Wegdelegieren ist keine Option.
Der Dialog sollte eine klare Richtung haben und identitätsstiftend sein. Neben der Kommunikation sowohl auf der Ebene der Geschäftsleitung als auch mit den Mitarbeitern haben vor allem die Stakeholder Kunden, Meinungs- und Interaktionsmedien sowie Netzwerke Priorität. Allerdings fremdeln noch viele Damen mit besagten Gruppen. Aber genau auf diese Anspruchsgruppen kommt es im Wettbewerb um Kundenaufträge, Talente und Aufmerksamkeit an. Sie wollen begeistert werden.
Personal Brand ist das A und O
Wichtig für weibliche Führungskräfte, die als Gestalterinnen diese neue Ära prägen wollen, ist es daher, ihren „Personal Brand“ herauszuarbeiten. Um die eigene Markenbildung authentisch aufzubauen, gilt es herauszufinden, welche kommunikativen Neigungen und Persönlichkeitsmerkmale am besten mit den Zielen der neuen Arbeitswelt und den Reputationszielen des Unternehmens korrespondieren. Möchte die Unternehmens-Lenkerin das Vorbild für neue Werte, Arbeits- und Kommunikationskulturen sein? Oder doch der Change-Agent, der für Innovationen Wachstum steht? Oder besser die Teamplayerin, die dafür sorgt, dass agiles Arbeiten über den Globus verteilt funktioniert?
Die Antworten auf diese Fragen hängen stark von der eigenen unternehmerischen Verantwortung ab, sollten aber in der Kommunikation und den persönlichen Eigenschaften zu einem stimmigen Gesamtbild führen. Denn das „Personal Branding“ oder „Leadership Branding“ hat von jeher eine große Strahlkraft auf das Image des Arbeitgebers selbst. Daher sollte der weibliche Entscheider die entsprechende Identifikationsfigur verkörpern.
Weniger Selbstinszenierung, mehr Wertbeitrag
Zwar kommunizieren die meisten frisch gekürten weiblichen Chefs schon vor den ersten 100 Tagen munter drauf los. Beim verschärften Blick auf eine mögliche Positionierungs-Systematik fällt allerdings auf: Die Mehrheit scheint ihre Position in erster Linie dafür zu nutzen, sich auf öffentlichen Bühnen formal besser durchzusetzen. Sie begreifen ihre Außenkommunikation noch zu stark als Projektionsfläche zur Selbstinszenierung und weniger als Möglichkeit einen echten Wertbeitrag zu leisten.
Das mag daran liegen, dass manch ein weiblicher Vorstand kommunikative Botschaften nicht standesgemäß einsetzt. Denn die bloße Vorstellung neuer er „New Work-Kampagnen“, worüber entweder Top-Talente gefunden oder die Möglichkeit von Home-Office Arbeitsplätzen vorgestellt werden sollen, könnte ebenso glaubwürdig ein Unternehmenssprecher vortragen.
Gerade Vorstandsfrauen brauchen thematisch eine andere Flughöhe, die sie öffentlich auf Augenhöhe mit dem Vorstandsvorsitzenden befördert. Damit sollte auch ihr Themenspektrum korrespondieren. Dafür sollten sie die Rolle der häufig übertrieben pflichtbewussten Botschafterin des Unternehmens zugunsten einer modernen Managerin ablegen. Für die Positionierung bedeutet das: diese Frauen sollten zeigen, dass auch sie Mitten im Leben stehen, dass sie klare Verfechterinnen ihrer eigenen Agenda sind und diese auch gegen Widerstände beharrlich weiterverfolgen. Outside-In Perspektive lautet die Devise.
Femme Digitale mit klarer Botschaft
Wer als „Femme Digitale“ Wirtschaftsgeschichte schreiben möchte, braucht eine klare Vision, die in konkrete Kernbotschaften heruntergebrochen wird. Und das ist in einer komplexen Welt gar nicht so einfach. Heute kommt es mehr denn je darauf an, mit einfachen Worten vermitteln zu können, welche wirtschaftliche, soziale und gesellschaftliche Tragweite zum Beispiel ein Wandel in Richtung flexibler Arbeitswelten hat.
Das Zielbild der Person und die dazugehörige Botschaft sollten so angelegt sein, das jederzeit die Wirkungszusammenhänge zwischen der eigenen Mission und der geschäftlichen Entwicklung erkennbar sind. Je besser dieser Spagat gelingt, desto größer ist das Vertrauen. Konkret bedeutet das, je nach Zielgruppenzuschnitt, neue Digitalisierungskonzepte aus unterschiedlichen Perspektiven beschreiben zu können.
Am griffigsten und wirkungsvollsten können diese „Master Narratives“ der modernen Vorreiterinnen natürlich über eine intelligente Kombination aus klassischen, digitalen und firmeneigenen Medien erzählt werden.
Ich bin eine von euch
Insbesondere beim Dialog über die sozialen Netzwerke können Frauen punkten, wenn es darum geht, die „Persönlichkeit“ sprechen zu lassen. Denn die Stakeholder in den sozialen Communities interessiert vor allem die persönliche Einschätzung und der Blick hinter die Unternehmenskulissen: Woran wird gerade gearbeitet? Was läuft gerade nicht rund? Wo möchte man etwas Neues ausprobieren?
Je mehr persönliche Relevanz in die Kommunikation einfließt, umso authentischer ist die soziale Positionierungsbilanz. Es ist wichtig zu demonstrieren: Ich bin eine von euch. Diese Chance sollten sie für sich nutzen. So erhalten sie auch unmittelbare Resonanz auf auf die eigenen Botschaften und können gefühlte Barrieren schneller abbauen. Nirgendwo sonst wie in den sozialen Medien bietet sich durch den direkten Dialog eine derart perfekte Möglichkeit die eigene Rolle zu reflektieren.
Das Social Web lässt Rangunterschiede in eine andere Sphäre abrücken und kann sogar eine gefühlte Kollegialität vermitteln. Das sollten Frauen gezielt für sich nutzen und sich dort über Empathie, Teamgeist, soziale Kompetenz, die andere Perspektive und Einfühlungsvermögen präsentieren. Gerade Frauen können diese Eigenschaften ausspielen. Ihre digitale Handschrift sollte durch einen fähigkeits- und interessensbasierten Dialog auf Augenhöhe zum jeweiligen Fachthema gekennzeichnet sein. Damit verschaffen sie sich als Promoterin der digitalen Arbeitswelt einen Vorteil gegenüber den männlichen Kollegen, die Netzwerke vorwiegend und meist etwas plump zur Selbstvermarktung nutzen.
In der Praxis halten viele Frauen allerdings ihre Emotionalität stark zurück. Sie präsentieren sich als Potenzialträgerin ausschließlich über ihr Fachwissen. Hier gilt es, sich genauer mit den Kommunikations-Mechanismen des Social Web auseinanderzusetzen, um diese subtil für sich einzusetzen. Weg von Überzeugen durch Leistung, hin zu Überzeugen durch Souveränität und Wertbeitrag. Frauen setzen insgesamt noch zu wenig den Werkzeugkasten der Augenhöhe – Diskussion ein. Daran wird deutlich, dass viele Führungsfrauen noch dazu lernen müssen, wenn es um ein nachhaltiges, systematisches Aufbauen der eigenen digitalen Identität geht. Wer allerdings diese Stellhebel geschickt betätigt, hat eine gute Chance, sich als Vorbild und Gestalterin in der Digitalisierung zu positionieren.
Die Autorin: Silvia Hänig ist Inhaberin der Beratung Ikom.