Wandel in Unternehmen kann nur mit einer starken internen Kommunikation gelingen, meinen unsere Gastautoren Christine Karl und Jan Dietrich Müller. Sie sehen aber drei Tendenzen, die die Mitarbeiter-Kommunikation schwächen.
Lange zeichnete sich interne Kommunikation vor allem durch eines aus: Sie war halt da. Da, um Verlautbarungen der Unternehmensspitze zu transportieren. Da, um das Bedürfnis von Führungskräften nach Sichtbarkeit zu bedienen. Da, um durch Storys über außergewöhnliche Hobbys einzelner Mitarbeiter Lockerheit und Menschlichkeit zu suggerieren. Diese Zeiten sind definitiv vorbei. Das ist klar. Weitaus weniger klar jedoch ist, welche Zeiten stattdessen angebrochen sind und welche Rolle interne Kommunikation „heute“ zu erfüllen hat.
Die Königsdisziplinen„Heute“ ist die Chiffre für eine Zeit, in der „Wandel“ – oder, um es vertrauter auszudrücken, „Change“ – über allem steht.
Eine Zeit, in der neue, technologiegetriebene Formen der Zusammenarbeit entstehen (Stichwort Office 365). Eine Zeit, in der das digitale Empowerment, das alle Mitarbeitende in der Tasche tragen, die Membran zwischen „drinnen“ und „draußen“ durchlässig gemacht hat, und zugleich ein Beteiligungsanspruch entstanden ist, dem die interne Kommunikation gerecht werden muss.
Das ist viel Veränderung auf einmal. Wie sollen wir Kommunikatoren damit zurechtkommen? Vielleicht, indem wir unseren Diskurs
über Anwendungsmöglichkeiten von künstlicher Intelligenz in der Unternehmenskommunikation für einen Moment ruhen lassen, innehalten und uns ein paar grundlegende Gedanken über den Daseinszweck von interner Kommunikation machen. Vor allem da, wo viel Veränderung verstanden und verstoffwechselt werden muss, ist die interne Kommunikation als Disziplin gefordert. Sie kann nicht an „alle“ und auch nicht an Algorithmen delegiert werden.
1. Interne Kommunikation ist Wissens- und Verständnisquelle. Gerade weil technologischer Wandel Geschäftsmodelle verändert und sich Kultur und Zusammenarbeit mit ihnen ändern müssen, sind wir es Kolleginnen und Kollegen schuldig, Treiber der Veränderung zu erklären, Implikationen deutlich zu machen sowie die Strategie des Unternehmens und anstehende Umsetzungsschritte zu vermitteln. Und ihnen auch einen kleinen Vertrauensvorschuss zu gewähren gegenüber allen, die nicht für das Unternehmen arbeiten. Wir brauchen interne Kommunikation, um relevanten Kontext herzustellen zu jener Organisation, in die unsere Kolleginnen und Kollegen jeden Tag acht Stunden Lebenszeit investieren und die ihnen dafür im Gegenzug ihr Gehalt überweist.
2. Interne Kommunikation ist eine Form von Leadership. Wir brauchen sie als Agenda-Setzer für Führende und Geführte. Wer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ernst nimmt – und wer den Unternehmenserfolg ernst nimmt –, der weiß um die zwei Königsdisziplinen der internen Kommunikation: enable and engage. Wir brauchen interne Kommunikation, um jede und jeden zu befähigen und zu motivieren, zum Erreichen der Unternehmensziele beizutragen.
3. Interne Kommunikation schafft eine geteilte Realität für alle, die am Projekt Unternehmenserfolg mitwirken wollen und mitwirken sollen. Wir brauchen interne Kommunikation als Antidotum gegen Partikularinteressen, Silodenken und Fragmentierung von Denken und Handeln.
Tendenz zur SelbstaufgabeDiese drei Leistungsversprechen gilt es einzulösen. Aber wie? Das ist die Frage. The jury is out. Gleichwohl lassen sich Tendenzen beobachten, die unserer Auffassung nach nicht auf das Ziel einzahlen.
Da wäre erstens die Tendenz zur Selbstaufgabe – Stichwort „intern ist extern“. Sie entzieht Mitarbeitenden das Anrecht auf einen Wissens- und Verständnisvorsprung. Ist das wertschätzend?
Zweitens: die Tendenz zur kompromisslosen User-Orientierung im Zuge der Digitalisierung. Sie führt zur Nachahmung jener Filterblasen, die schon in den kommerziellen sozialen Medien die Audience spalten. In einer auf gemeinsame Ziele ausgerichteten Organisation geht es nicht vordringlich darum, was dem einzelnen User „relevant“ erscheint (das kann nämlich extrem ausschnitthaft sein). Sondern letztlich doch immer darum, Handlungsorientierung und -bereitschaft mit Blick auf die Unternehmensziele zu schaffen. Und dabei auch die „Blue Collars“ nicht zu vergessen!
Drittens eröffnet die Tendenz zur Kanal-Innovation jede Menge Spielplätze, „auch mal was Tolles mit Technologie“ zu machen. Aber um den Preis, die ohnehin komplexe Kanallandschaft trotz enger Budgets weiter anzureichern. Und, je mehr auf „User Generated Content“ gesetzt wird, um den Preis, Inhalte in wachsendem Umfang kuratieren zu müssen, deren Erstellung außerhalb der Kommunikation einen nicht erfassten Aufwand verursacht hat. Aufwand, der in die Umsetzung neuer Produkte und Services hätte fließen können, also in top und bottom line, nicht in Selbstdarstellung. Ja, auch wir Kommunikatoren sind gefordert, unternehmerisch zu denken!
VertrauensvorschussIn Unternehmen, die sich dem Wandel stellen, ist Aufmerksamkeit eine unter vielen knappen Ressourcen. Nehmen wir diese Herausforderung an! Seien wir ernsthaft relevant für das Unternehmen. Unterstützen wir mit der internen Kommunikation den sense of urgency und nicht den Spieltrieb. Sorgen wir mit klug integrierten Touchpoints dafür, dass Office 365 mit seinen neuen Formaten nicht in atomisierte Team-Realitäten führt.
Nehmen wir Mitarbeitende mit auf die Strategie-Reise – live durch Town Halls und Roadshows, aber auch durch Material zum Lesen. Ja, Print! Gewähren wir einen Vertrauensvorschuss, einen Wissens- und Verständnisvorsprung. Er wird sich durch Einsatz fürs Unternehmen auszahlen. Und den brauchen wir in stürmischen Zeiten.
Von Christine Karl (Head of Corporate Media, Strategy & Employee Communications bei MAN Energy Solutions) und Jan Dietrich Müller (Head of Group Communications and Marketing bei MAN Energy Solutions). Dieser Text erschien zuerst in der Rubrik "Resonanz"
in der aktuellen Ausgabe des PR Reports, in der wir Reaktionen und Stimmen unserer Leser zu unserer Berichterstattung sammeln.
Tipp! In den vergangenen Ausgaben des PR Reports haben wir uns intensiv mit dem Wandel der internen Kommunikation beschäftigt.
- Die besten Intranetsysteme: Welche Lösungen bei den größten deutschen Unternehmen zum Einsatz kommen. Eine Übersicht. (
PR Report 6/2018)
- Die PR-Innovation des Jahres: Siemens pimpt seine interne und externe Kommunikation mit Künstlicher Intelligenz. Das soll die Arbeit vereinfachen, birgt aber auch Risiken. (
PR Report 2/2019)
- Eine neue Welt: Wie die Deutsche Bahn ihre interne Kommunikation digitalisiert und warum Brotdosen-Inhalte besser funktionieren als Videos. (
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- Die Tempomacher: Binnen kurzer Zeit führte die Zulieferfirma Mann + Hummel ein mobiles Intranet ein. Warum der Rückhalt des Top-Managements entscheidend ist und der Betriebsrat früh eingebunden werden muss. (
PR Report 2/2019)
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PR Report 3/2019)
- Gegen die Mail-Flut: Wie die Münchner Firma Payback ihr mobiles Intranet eingeführt hat. (
PR Report 1/2019)
- Immer am Ball: Welche Hürden die Sparda-Bank Berlin bei der Einführung einer Mitarbeiter-App überwinden musste. (
PR Report 1/2019)
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