Chinesen in Deutschland: der Eigenständige
Mit der Eröffnung eines F&E-Zentrums in Stockholm begannen im Jahr 2000 Huaweis Aktivitäten in Europa. Inzwischen arbeiten europaweit über 7.000 Mitarbeiter für den Telekommunikations-Privatkonzern mit Hauptsitz in Shenzhen/China.
Außerhalb Chinas gilt der Kontinent als zweiter Heimatmarkt: Wichtige Forschungsbereiche und globale Kompetenzzentren sind hier angesiedelt. In Deutschland ist Huawei seit gut einem Jahrzehnt vertreten und beschäftigt rund 1.600 Mitarbeiter an 18 Standorten. Nicht zuletzt als Bekenntnis zu diesem wichtigen Markt – und weil in Nordrhein-Westfalen Großkunden wie Vodafone oder die Deutsche Telekom residieren – hat das chinesische Unternehmen Anfang 2008 auch die Westeuropa-Zentrale von London nach Düsseldorf verlegt. In München unterhält Huawei sein Europäisches Forschungszentrum. „Die deutsche Forschungslandschaft bietet für uns hervorragende Rahmenbedingungen“, begründet Patrick Berger als Communications Manager der hiesigen Tochtergesellschaft, „seit 2006 sind wir hierzulande mehr als 30 Forschungskooperationen mit 19 Institutionen eingegangen.“
Berger arbeitet von Berlin aus, wo Huawei 2011 als erstes Unternehmen aus China ein Hauptstadtbüro eröffnete. Deutschland habe in der „Glokalisierungsstrategie“ eine wichtige Rolle, betont Berger. Mit der zunehmenden Globalisierung gehe auch eine Lokalisierung einher, „das heißt, eine enge Verwurzelung im lokalen ,Ökosystem’ durch eine zunehmende Einbindung lokaler Talente, Partnerschaften mit lokalen Playern“. Huaweis Strategie dabei ist, sich vor allem organisch zu entwickeln. „Wir sind ein global agierender Technologiekonzern, der nicht oder nur in sehr bescheidenem Umfang durch M&A-Aktivitäten wächst“, erklärt Berger. Man habe „in Deutschland keinen Mittelständler übernommen, haben auch keine entsprechenden Pläne und vor allem keine Expertise, die uns qualifizieren würde, die Gründe für solche Übernahmen zu analysieren“.
Damit will er Vorurteile abbauen, chinesische Firmen gebärdeten sich wie hungrige Drachen, die sich ihren Platz auf den Märkten der Welt mit viel Geld erkaufen und einen heimischen Anbieter nach dem anderen schlucken könnten. Und Berger tritt auch der immer wieder kolportierten Unterstellung entgegen, Huawei Deutschland sei der verlängerte Arm der Mutter oder gar des chinesischen Regimes. Natürlich gebe es interkulturelle Unterschiede, die bei gemeinsam gestalteten Maßnahmen immer wieder der Vermittlung bedürften – etwa in Bezug auf die Kommunikation mit Medien und anderen Stakeholdern. „Aber wir haben als deutsche Tochter eines chinesischen Global Players in der Kommunikation deutlich größere Freiheiten als manche deutsche Tochter von westlichen Konzernen“, so Berger. Er wisse von Kollegen britischer oder französischer Unternehmen, dass sie jede deutsche Pressemitteilung von mehreren Stellen in ihren Zentralen in Frankreich und UK freigeben lassen müssten. Berger: „Wir können so etwas völlig autonom entscheiden und müssen für sehr viele lokale Kommunikationsaktivitäten mit niemandem in Shenzhen Rücksprache halten. Umgekehrt können wir auch globale Vorgaben mit guten Argumenten in Frage stellen und bekommen gegebenenfalls die Freiheit, einen Sonderweg zu gehen, der lokal gesehen erfolgsversprechender ist.“