Nach dem Fall Relotius: „FAZ“-Digitalchef Carsten Knop und der Berater Thomas Knüwer über Dichtung und Wahrheit in der Unternehmenspresse.
Als die Medienrepublik Deutschland über den Fall Claas Relotius diskutierte, meldete sich Carsten Knop bei Twitter zu Wort.
„Als ich Journalismus bei den Kollegen Schwertfechter „Westfälische Rundschau“ Herdt, Rudnick, Döring „Börsen-Zeitung“ und Dunsch „FAZ“ gelernt habe, ging es zuerst stets um Genauigkeit. Fakten beherrschen den Unternehmensjournalismus. Alles andere fliegt sofort auf. Gut so“, schrieb der jetzige Chefredakteur für digitale Produkte der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“.
Das gab Widerspruch von Thomas Knüwer. Er war 14 Jahre lang beim „Handelsblatt“, gründete im Jahr 2009 die Agentur Kpunktnull und schreibt in seinem Blog „Indiskretion Ehrensache“ häufig kritisch über die Medienlandschaft. Im PR Report haben wir den Twitter-Schlagabtausch der beiden fortgesetzt. Hier dokumentieren wir Auszüge – das ganze Doppelinterview lesen Sie
in unserer aktuellen Ausgabe.
Knop und Knüwer über den Fall Relotius ...
Knop: So etwas wie Relotius ist im Unternehmensjournalismus unvorstellbar, weil es ganz andere Checks and Balances gibt. Die Unternehmen lesen sehr genau, was wir schreiben und würden es sofort richtigstellen, wenn wir groben Unfug verzapfen. In meiner Ausbildung bei der „Börsen-Zeitung“ und bei der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ habe ich vermittelt bekommen, dass es zuerst um Genauigkeit geht. Diese beiden Medien legen auch heute noch extrem Wert auf Akkuratesse. Oft genug mussten wir uns den Vorwurf gefallen lassen, nicht aggressiv genug zu sein. Aber diese Aggressivität hat zum Teil ihren Preis.
Knüwer: Der Fall Relotius sollte Anlass sein, zu hinterfragen, was in der alltäglichen Berichterstattung schiefläuft. Personalisierung ist dabei ein Punkt, auch Gewichtung. Wer sich anschauen will, was in der Unternehmensberichterstattung derzeit falsch läuft, muss nur das „Manager Magazin“ zur Hand nehmen. Das hat schon seit Jahren nur noch wenig mit seriösem Journalismus zu tun, weil es brutal personalisiert, weil es Dinge imaginiert, die einfach Blödsinn in Bezug auf das Verhältnis der handelnden Personen untereinander sind. Da tobt ständig Krieg. So tickt die Wirtschaft einfach nicht. Sie ist viel langweiliger, als sich das viele in Redaktionen vorstellen.
Knop und Knüwer über Fehlentwicklungen in der Unternehmenspresse ...
Knüwer: Das „Manager Magazin“ ist die Fehlentwicklung auf Ecstasy. Solche Dinge passieren ständig. Ein simples Beispiel: Im Januar gab es eine Meldung in der „Welt“, dass Bayer einen neuen Cheflobbyisten hat. Der kommt von Mars und ist Parteimitglied ohne Funktion bei den Grünen. Korrekt wäre die Überschrift gewesen: „Mars-Kommunikator wird Cheflobbyist bei Bayer“. Stattdessen schreibt man: „Grüner wird Cheflobbyist für Glyphosat“. Das ist eine brutale Überspitzung, die vor allem dazu dienen soll, dass dieser Artikel im Social Web geteilt und nicht unbedingt gelesen wird. Die Rechten werden das total geil finden. Journalisten sollten so viel Rückgrat und Wissen über das Social Web haben, dass sie sich solche überspitzten Überschriften nicht mehr leisten.
Knop: Gute Journalisten müssen gute Überschriften machen, ohne dass sie inhaltlich falsch werden. Andernfalls tut sich der ganze Berufsstand keinen Gefallen. So habe ich das auch nicht gelernt. In meiner Ausbildung ging es eher darum, auf den hintersten Seiten eines Geschäftsberichts überraschende, spannende Dinge zu finden, die auf einer Pressekonferenz nicht erwähnt wurden, die man alleine hatte. Dann kommt man auch ohne jede Überspitzung aus. Wirtschaft ist oft genug aus sich heraus spannend. Da reicht eine handwerklich gut gemachte Überschrift völlig aus. Es gibt eben unterschiedliche Arten von Unternehmensjournalismus.
Knop und Knüwer zu der Frage, ob Unternehmen angesichts von Content Marketing und Social Media in Zukunft noch Journalisten brauchen ...
Knop: Selbstverständlich, weil wir nach wie vor eine viel höhere Glaubwürdigkeit haben als die Pressestelle eines Unternehmens.
Knüwer: Sehe ich genauso. Es gibt ein falsches Verständnis von Content Marketing. Es geht nicht darum, Unternehmensnachrichten zu lancieren, sondern Verbraucher mit Themen zu erreichen, die diese spannend finden und die von klassischen Redaktionen nicht abgedeckt werden. Content Marketing funktioniert bei Haarpflege- und Ernährungstipps. Da sind Marken genauso glaubwürdig wie Medien. Content Marketing funktioniert aber nicht bei Jahreszahlen und Unternehmensstrategie. Der Bedarf an Journalismus wird eher noch wachsen.
Tipp: Das ganze Doppelinterview lesen Sie in unserer aktuellen Ausgabe.