Man kann nicht von allen geliebt werden: Martin Brüning, Kommunikationschef des Handelsriesen Rewe, über Haltung und Heldentum.
PR Report: Vor einigen Wochen haben Sie bei einer DPRG-Veranstaltung einen Vortrag gehalten, in dem Sie einerseits mahnten, dass Kommunikatoren Haltung gegenüber dem Top-Management zeigen sollten, andererseits aber auch warnten, sie sollten nicht den unerschrockenen, ausschließlich der Wahrheit verpflichteten Helden spielen. Martin Brüning: Der Held stellt sich selbst in den Mittelpunkt und das ist schlecht. Denn es geht in der Kommunikation nie um einen selbst, sondern es geht um das Unternehmen oder die Sache. Ich finde, dass man Mut und Haltung braucht, aber Heldentum führt zu nichts. Schon gar nicht bei jüngeren Kollegen mit Familie und Kindern und einem noch nicht abbezahlten Reihenhaus.
Wie mutig muss ein Kommunikator sein?Sehr mutig. Mut ist die Voraussetzung dafür, den Job gut zu machen. Nach innen, um sich Gehör zu verschaffen. Aber auch nach außen, weil Kommunikation keine Ingenieurskunst ist, die bis ins Letzte in ihren Wirkungen vorhersehbar ist. Es gibt immer einen Faktor Ungewissheit, weil man nie zu 100 Prozent sagen kann, wie eine Botschaft beim Empfänger ankommt. Wer anfängt, alles bis ins Letzte zu durchdenken, wird nie eine Kommunikation hinkriegen. In Krisen sowieso nicht.
Wie mutig kann man nach innen sein?Mut korreliert mit Werten, an denen ich mich orientiere, zu denen ich stehen muss. Und Mut muss einhergehen mit Demut vor der Verantwortung, die man hat. Ein zentraler Wert für mich ist Wahrhaftigkeit. Das heißt nicht, dass wir alle die Hosen runterlassen müssen bis auf das Allerletzte. Es gibt Geschäftsgeheimnisse und andere Dinge, die Wettbewerber und Öffentlichkeit nichts angehen. Aber das Ethos der Wahrhaftigkeit muss man haben. Und für das lohnt es, intern zu streiten, auch mit Vorständen und Top-Managern. Wir dürfen nicht die „Christel von der Post“ sein.
Was meinen Sie damit?Dass wir nicht nur Techniker von Botschaften sein dürfen. Es darf nicht nur darum gehen, ob wir eine Pressemitteilung machen oder eine Pressekonferenz. Wir müssen in der Sache mitreden, um vor Entscheidungen direkt klarzumachen, was diese für die Reputation bedeuten können.
Dafür muss man unangenehme Gespräche führen, man muss Nein sagen können.Und man muss mit den Folgen leben können. Die Idee, in einem Konzern von allen geliebt zu werden, ist falsch. Es geht darum, dass man mitdiskutiert und Kontroversen ausficht. Man kann auch nicht immer mit allen einer Meinung sein. Das muss man aushalten können. Widerspruch löst auch Gegenreaktionen aus.
Sie sprachen vom „Ethos der Wahrhaftigkeit“. Indes müssen Kommunikationsprofis dafür sorgen, dass ihr Arbeitgeber möglichst gut aussieht. Sind beide Dinge miteinander vereinbar?Ich sehe nicht, warum es da einen Konflikt geben sollte. Selbstverständlich müssen wir das Positive unserer Botschaften in den Vordergrund rücken. Und wir dürfen und müssen das gut verpacken, etwa durch Storytelling und Personalisierung. Das ist eine zentrale Aufgabe. Mit Ethos der Wahrhaftigkeit meine ich eine grundlegende Haltung zur Kommunikation, zur Funktion, zu den Möglichkeiten und Grenzen der PR. Es geht um die Haltung, der Wahrheit verpflichtet zu sein und sie im Sinne einer positiven Reputation für mein Unternehmen in PR umzusetzen.
Wie wehrt man sich gegen Kräfte im Unternehmen, die die Presse kontrollieren und die Öffentlichkeit hinters Licht führen wollen und beides auch von der Kommunikation verlangen?Unsere Aufgabe ist es, zur Reputation des Unternehmens beizutragen. Und wenn jemand in mein Büro kommt, der meint, lügen diene der Reputation des Unternehmens, diskutiere ich mit ihm, um klarzumachen, dass das der falsche Ansatz ist. Man kann mich nicht zwingen, Lügen zu kommunizieren, das werde ich auch nicht tun. Natürlich habe ich in meinem Berufsleben schon den Satz gehört „Sie haben die Presse nicht im Griff.“ Genauso ist es. Genauso. Und es kann für mich auch nie der Anspruch sein, die Presse im Griff zu haben. Die Währung, mit der wir Kommunikatoren handeln, ist Vertrauen. Und dieses Vertrauen kann niemals die Unwahrheit als Basis haben. Wer das glaubt, muss zum Arzt. Wenn man sich gegenseitig vertraut, kann man auch Dinge offen besprechen, die hinterher nicht in der Zeitung stehen. Deshalb gibt es ja Hintergrundgespräche, um Journalisten zur Einordnung zu befähigen. Dafür muss man sich vertrauen. Das ist ein Geben und Nehmen: Ich kann nicht Vertrauen von Journalisten einfordern, wenn ich sie bescheiße.
Tipp: Bei diesem Interview handelt es sich um einen Auszug aus einem längeren Gespräch mit Martin Brüning in der aktuellen Ausgabe des PR Reports (als
E-Paper und im
iKiosk. Für Abonnenten
kostenlos). Darin geht es auch darum, wie sich PR-Leute gegenüber dem Top-Management Respekt verschaffen können und warum es besser ist, Fehler einzugestehen.
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