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Lars Rosumek (c) LPRS
21.02.2018   Menschen
"Ich bin der, der am Spielfeldrand steht"
Zum letzten PR-Salon des Winters durfte der LPRS, der Verein der Leipziger PR-Studierenden, Voith-Kommunikationschef Lars Rosumek begrüßen. Im anschließenden Interview erzählte Rosumek, wie er zur Unternehmenskommunikation kam und wie er seinen Job versteht.
Herr Rosumek, wie entwickelt man ein kommunikatives Gespür für die Themen eines global agierenden Technologiekonzerns – und wie haben Sie sich persönlich im Laufe Ihrer Karriere darauf vorbereitet?
 
Lars Rosumek: Eine große Herausforderung lag sicherlich in der enormen Internationalität des Geschäfts. Ich war davor in der Unternehmensberatung und hatte fast ausschließlich deutsche Mandanten. Es ist einfach etwas anderes, wenn man mit chinesischen Unternehmen zusammenarbeitet oder in Brasilien unterwegs ist – das war sicherlich eine Herausforderung.  Dem kann man natürlich begegnen, indem man beispielsweise an interkulturellen Trainings teilnimmt, was sicher auch alles gut und richtig ist. Auch habe ich besonders zu Beginn sehr viel Literatur über unsere Zielmärkte studiert. Trotzdem glaube ich, dass man dieser Aufgabe letztendlich nur mit Erfahrung begegnen kann, indem man in die jeweiligen Länder reist. Ich habe am Anfang großen Wert darauf gelegt, sehr schnell unsere großen Standorte kennenzulernen und mit den jeweiligen Verantwortlichen vor Ort in Kontakt zu treten. Dabei war mein Ziel nicht vorrangig selbst viel zu sprechen, sondern den Kollegen vor Ort zuzuhören und auf diesem Wege lernen zu können.
 
Sie haben in Ihren Publikationen und Interessen einen starken Fokus auf politischen Themen.  Inwiefern hat Ihnen dieses Hintergrundwissen bei Ihrer bisherigen Tätigkeit als Kommunikationschef von Voith geholfen, relevante Themen zu identifizieren und aus der Umwelt zu filtern, kurz: Issues Management zu betreiben?
 
Bei diesen Chancen- und Risikothemen geht es ja häufig um Themen im Schnittfeld von Gesellschaft, Politik und Wirtschaft. Bei diesem Spannungsfeld ist es sicherlich von Vorteil, zu verstehen, wie politische Entscheidungsprozesse funktionieren, wie gesellschaftliche Veränderungen entstehen und wie man gesellschaftliche Themen positionieren kann, oder auch wie man eine Thematik bei Entscheidergruppen verankern kann. Unabhängig davon habe ich auch ein großes persönliches Interesse an politischen Inhalten, ich bin ein zutiefst politischer Mensch, was meiner Meinung nach für den Job als Kommunikationschef sehr hilfreich ist. Ich glaube zum Beispiel nicht, dass es ein Zufall ist, dass in sehr vielen Unternehmen die Governmental Relations-Bereiche an den Kommunikationschef berichten – das ist bei uns genauso.
 
Wie hält man sich als Kommunikationschef bei der Fülle an Informationen schlichtweg selbst up-to-date, um mit viel kommunikativem Feingefühl den eigenen Mitarbeitern im Tagesgeschehen zur Seite stehen zu können?
 
Sehr viel durch den Austausch mit Kollegen, mit Partnern und vertrauten Personen in der Kommunikations- und Businesswelt, die mit ähnlichen Problemstellungen konfrontiert sind. Aber auch Benchmarking spielt eine Rolle bei uns. Wir benchmarken sehr viel und schauen uns an, wie andere etwas umsetzen, – was geht gut und was geht nicht – und am Ende spielen auch hier Erfahrungswerte eine große Rolle. Ich behaupte zum Beispiel nicht, dass ich Dinge besser kann als meine Mitarbeiter, denn das würde bedeuten, dass ich etwas falsch gemacht habe bei der Auswahl meiner Mitarbeiter. Oft wissen und können meine Mitarbeiter Dinge viel besser als ich, beispielsweise würde ich mich selbst nicht als den größten "Social-Media-Experten" bezeichnen, ich nutze selbst viele Kanäle, aber da haben eindeutig einige meiner Mitarbeiter viel mehr Know-How und Wissen. Sie brauchen aber vielleicht bei anderen Themen Hilfestellung und suchen meinen Rat. Dabei geht es dann vielleicht eher um eine strategische Frage oder um Konzernerfahrung, die gefordert ist.

So sehe ich auch meine Aufgabe als Kommunikationschef allgemein: Ich sage immer: Ich bin der, der am Spielfeldrand steht und dafür Sorge trägt, dass meine Spieler die besten Schuhe und besten Trikots haben, das Flutlicht brennt und der Rasen sauber gemäht ist. Die Kollegen, die auf dem Platz stehen, müssen aber das Spiel machen. Meine Aufgabe ist es, die besten Rahmenbedingungen und Managementstrukturen zu schaffen und hinter der Mannschaft stehen. Aber ich muss am Ende des Tages nicht überall der Experte sein.
 
Voith ist nicht nur ein Technologiekonzern, der international agiert, sondern auch in verschiedenen Geschäftsfeldern tätig ist – sehen Sie es als größte Herausforderung beim Issues Management an den internationalen Rahmen zu betrachten oder die Entwicklungen der unterschiedlichen Bereiche permanent im Blick zu haben?
 
Der Fokus liegt bei uns darauf, den technologischen Überblick über unser Produktportfolio zu haben, – was sind welche Kernprodukte und -Technologien in den einzelnen Bereichen, die wir in diesem Jahr vermitteln wollen und was sind die Hebel, die wir hierzu in Gang bringen müssen? – das muss aus meiner Sicht auf einer globalen Ebene passieren. Für die anderen Themen haben wir entsprechende Teams in den Regionen. Ich habe beispielsweise in Sao Paulo Mitarbeiter, die wissen, was in Brasilien passiert. Die Kollegen kennen das lokale System und sind auf dem aktuellen Kenntnisstand, was sowohl politisch als auch gesellschaftlich zum jeweiligen Zeitpunkt relevant ist – das muss daher nicht vom Headquarter aus dezidiert beobachtet werden, dies wäre aus meiner Sicht sogar schädlich.
 
Anfang Januar diesen Jahres haben Mitarbeiter von Voith Turbo und Hydraulik erstmals für mehr Flexibilität im Arbeitsalltag gestreikt. Forderungen nach modernen Arbeitszeitmodellen ist nur ein Beispiel für die zahlreichen Umbrüche, mit denen sich gerade etablierte Unternehmen heutzutage konfrontiert sehen. Welche Strategie fahren Sie, um nicht nur schnell auf neue Gegebenheiten reagieren zu müssen, sondern sich auf kommunikationsrelevante Themen vorbereiten zu können?
 
Auf den ganz konkreten Fall angesprochen: Zu dieser Zeit war in unserer Branche wieder Tarifrunde und einige unserer Standorte im süddeutschen Raum waren hiervon betroffen. Die IG Metall hat mit den Arbeitgebern verhandelt und in vielen Metall-und Elektrobetrieben liefen zu dieser Zeit solche Aktionen. Da ging es zum einen um das Thema Entgelt und zum anderen um flexiblere Arbeitszeiten für die gesamte Branche, es ging nicht im Speziellen um Voith.
 
Generell ist auch das aber auch ein gutes Beispiel, warum Kommunikation lokal aufgestellt sein sollte: In den USA gibt es Mitbestimmungsgesetze, wie wir sie in Deutschland kennen, in dieser Form nicht.
 
Zum Abschluss noch eine etwas persönliche Frage: Sie haben ursprünglich Journalismus, Geschichte und Theaterwissenschaften studiert und haben erste praktische Erfahrungen beim Leipziger Studentenradio Mephisto und dem MDR sammeln können. Wie kam es dazu, dass Sie doch sozusagen zur Gegenseite, der Unternehmenskommunikation, gewechselt sind?
 
Ich habe irgendwann gemerkt: Wenn man journalistisch arbeitet, ist das immer ein sehr kurzlebiges Geschäft. Im Print und im Fernsehen, Hörfunk und Online sogar noch viel stärker habe ich ein Thema, mit dem ich mich beschäftige und dann liefere ich dazu meinen Beitrag ab. Das hat sich ein bisschen so angefühlt, wie ‚ich werde Vater und dann ist das Kind gerade auf der Welt und dann wird es mir wieder weggenommen‘. Das journalistische Arbeitsumfeld ist ein sehr schnelldrehendes Geschäft, oft bleibt leider nur Zeit, sich oberflächlich mit einem Thema zu beschäftigen. Das soll keinesfalls ein Vorwurf sein. Die Zeitung für den nächsten Tag muss nun mal gefüllt und produziert werden. Ich habe für mich nur entschieden, dass ich gerne längerfristig an Themen arbeiten möchte. Und das kann ich meiner Meinung nach perfekt in der Kommunikation, indem ich genau an diesem Schnittfeld mit Journalisten, Wirtschaftsvertretern, Politikern und gesellschaftlichen Akteuren arbeite – das macht mir großen Spaß.
 
Wenn ich da nochmal kurz nachhaken darf: War der Wunsch nach einer Identifikation mit den Produkten eines Unternehmens und die tiefe Einarbeitung in unternehmensrelevante Themen auch der Grund gewesen, warum Sie von Agenturseite letztendlich zum Konzern gewechselt sind?
 
Ich habe ja auf Beratungsseite gearbeitet und bin dann auf Konzernseite gewechselt. Ich glaube, dass Agenturen wirklich ein tolles Umfeld sind, um sich mit vielfältigen Themen zu beschäftigen. Es ist natürlich auch da manchmal so, dass man eher oberflächlich an Dingen arbeiten muss, aber es gibt eben auch viele langfristige Kundenbeziehungen. Wir hatten in der damaligen Beratung auch langjährige Key Accounter, die drei, vier, fünf oder sogar sechs Jahre für einen Kunden gearbeitet haben und den Kunden in dieser Zeit begleitet haben. Aus meiner Sicht ist das ein ideales Umfeld, um sich mit verschiedenen Themen zu beschäftigen – gerade für junge Menschen, die neu in die Branche einsteigen, um eine "Grundausbildung" zu bekommen.

Was in einem Unternehmen schon der Fall ist, ist die Tatsache, dass ich natürlich jetzt viel mehr Verständnis für die internen Strukturen eines Konzerns habe, als ich das auf Agenturseite erfahren konnte. Als Berater auf Agenturseite hat man ja in der Regel mit den Kommunikationschefs der Unternehmen gesprochen, aber das ganze Feld dahinter – das Zusammenwirken aus vielen unterschiedlichen Abteilungen, dem Vorstand und externen Zielgruppen –  habe ich gar nicht betrachten können, da ich meist nur mit einem Ansprechpartner im Kontakt war. Dadurch habe ich nur die Spitze des Eisberges gesehen, aber den Eisberg unter Wasser habe ich nie so richtig kennenlernen können. Und das ist etwas, was für mich unglaublich spannend ist: Zu sehen, wie die internen Strukturen, Konstellationen und Entscheidungswege in einem großen, internationalen Konzern funktionieren.

Interview: Sarah Maus, Master Communication Management

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