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Allianz-Kommunikationschefin Sabia Schwarzer (Foto: Alexander von Spreti)
05.03.2018   Menschen
Sanfte Radikale
Sabia Schwarzer von der Allianz ist anders als andere PR-Chefs. Daniel Neuen über seine Begegnung mit einer der spannendsten Persönlichkeiten der Branche.
Als ich Sabia Schwarzer am Montag vor Weihnachten in München zum Interview traf, überraschte mich die Kommunikationschefin der Allianz mit einer Leckerei: eine Art Crème brûlée mit Lebkuchen und einer Kerze obendrauf – es war mein Geburtstag. Die Strategie der Allianz-Kommunikation sei es, Herzen zu gewinnen, da müsse man auch an so etwas denken, erklärte sie.
 
Herzlichkeit heißt bei Schwarzer nicht, Leuten nach dem Mund zu reden. Als ich – wie ich es immer tue – zwei Aufnahmegeräte auf den Tisch legte und testete, ob diese funktionieren, kommentierte die 48-Jährige: „Das ist ja so deutsch, darf ich das jetzt mal sagen? Ich habe das noch nie getestet.“ Sie lachte, aber es war kein Scherz: Sie fremdelt mit Deutschland und den Deutschen.
 
Erst die Familie
 
Es folgte ein teils verblüffend offenes Gespräch über Wandel, blaue Flecken, schlaflose Nächte, vergossene Tränen und Heimweh nach den USA, wo Schwarzer lange gearbeitet hat (lesen Sie das Interview in der neuen Ausgabe des PR Reports). Und quasi jeder Satz hatte den Subtext: „Ich verbiege mich nicht.“ Schwächen zuzugeben, scheint für die empathische PR-Chefin eine Stärke zu sein.
 
Hinterher fragte ich mich: Ist sie wirklich so? Menschen, die sie gut kennen, sagen ja. „Angstfrei“ nennt sie einer. Ein „Rückgrat aus Titanium“ hatte ihr Vorgänger und Förderer Emilio Galli Zugaro einst Schwarzer attestiert.
 
Das sollte wohl bedeuten: Die Frau hat einen klaren Werte-Kompass, dem sie fast schonungslos folgt. Und sie kann knallhart sein. Ihre Abteilung hat Schwarzer stark umgekrempelt, sie musste Stellen abbauen. Ihr Team hat viele Freiheiten bekommen – und viel mehr Verantwortung. Dieser Umbruch verlief nach außen hin übrigens fast geräuschlos.

Die zweite Frage, die ich mir stellte: Warum ist sie so? Ein Grund – und der Unterschied zu manchen PR-Chefs – ist, dass sie sich kaum über ihren Job definiert. Schwarzer ist ein Vollprofi, aber ihr Beruf ist nicht ihre Berufung. Sie strahlt eine innere Autonomie aus. Die mag auf ihrem Glauben fußen. Jeden Morgen konsultiert die Protestantin eine Bibel-App auf ihrem Smartphone.
 
Mindestens genauso wichtig ist ihre Familie. Vor einigen Jahren war ihr Ehemann schwer krank. Ein Schicksalsschlag, der ihr gezeigt habe, was wirklich wichtig im Leben sei. Und so verlässt sie gegen 18.30 Uhr das Büro, um mit ihren drei Kindern und ihrem Mann zu essen. Freitags arbeitet sie von zu Hause. Am Wochenende und im Urlaub will sie nur in wirklich dringenden Fällen gestört werden.
 
Fremd im eigenen Land

Vielleicht denkt Schwarzer auch wegen der Erfahrungen während der Krankheit ihres Mannes – die Nachbarn in den Staaten kochten wochenlang für ihre Familie – so positiv über die USA. Und womöglich denkt die Deutsch-Inderin wegen Erlebnissen in ihrer Jugend – oft sei sie hierzulande gefragt worden, wo sie ihr Deutsch gelernt habe und wann sie in ihre Heimat zurückkehren wolle – teils kritisch über ihr Geburtsland.

Auf einer übergeordneten Ebene teilt sie diese Sicht mit ihrem Chef Oliver Bäte, der die Allianz erneuern will. Sicherheitsdenken und Pessimismus hat der CEO nicht nur in Bezug auf die Veränderung des Konzerns als Hürden identifiziert, sie behinderten den Wandel des ganzen Lands.
 
Das kann man diskutieren, ich jedenfalls finde: Mit ihrer gelebten Internationalität, fast schonungslos wirkenden Aufrichtigkeit, ihrer Lust an Veränderung und gesunden Haltung zum Job ist Schwarzer eine der spannendsten Persönlichkeiten der Branche. Und den radikalen Wandel der Allianz-PR sollte sich jeder anschauen. Wer wissen will, wie moderne Kommunikation aussehen kann, findet in München eine mögliche Antwort.

Typisch deutsch wie ich manchmal bin, habe ich Schwarzer, die bekanntlich nicht auf Autorisierung besteht, das Interview zum Faktencheck geschickt. Mehr als die Fakten berichtigte sie tatsächlich nicht. Die Frau steht zu dem, was sie sagt. Und die Crème brûlée war lecker.
 
Von Daniel Neuen, Chefredakteur PR Report
 
Tipp: Lesen Sie das ganze Interview mit Sabia Schwarzer im aktuellen PR Report. Darin spricht die Kommunikationschefin der Allianz ausführlich über Regelbrüche, verunsicherte Mitarbeiter, German Angst und Kommunikation als Speerspitze des Wandels.

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