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29.10.2009   News
Wettbewerb der Besserwisser
 

Wissen, Expertise und ein guter Ruf sind die wichtigsten Verkaufsargumente für Unternehmensberater. Wie die Consulter im Kampf um Kunden kommunizieren und warum Publikationen dabei unverzichtbar sind. Von Roland Karle

Berater würden wohl von einer Win-Win-Situation sprechen: Für sein Werk „Die Große Rezession – Amerika und die Zukunft der Weltwirtschaft“ erhielt der Autor Nikolas Piper den Deutschen Wirtschaftsbuchpreis 2009 und die dafür ausgelobte Dotierung von 10.000 Euro. Den Scheck überreichte Stefan Eikelmann von der Strategieberatung Booz & Company, die zusammen mit dem „Handelsblatt“ und der Frankfurter Buchmesse diesen Preis vor zwei Jahren ins Leben gerufen hat. Piper ist um einen Titel und Tantiemen reicher, für Booz ist die gesponserte Prämie gut angelegtes Geld. Schließlich trafen sich Anfang Oktober bei der feierlichen Preisverleihung im Frankfurter Städel-Museum kluge Köpfe und führende Figuren aus der Wirtschaft – eine Gruppe, mit der Unternehmensberater gerne ins Gespräch kommen. Und vor allem wird die Preisvergabe begleitet von bundesweiter Berichterstattung, fettes Clipping inklusive.
Ein Beispiel von vielen, wie Unternehmensberatungen den Weg in die (Fach-)Öffentlichkeit suchen. Das tun sie freilich nicht ohne Kalkül: Im „Wettbewerb der Besserwisser“ kämpfen die Consulting-Firmen um Kunden und Marktanteile, auch und gerade in der Wirtschaftskrise. Gerade jetzt ist guter Rat gefragt, zugleich müssen sich Firmen die Tagessätze von McKinsey & Co auch leisten können.
Alles außer plumpen Parolen
Um ihr Geschäft anzukurbeln, spielen die Unternehmensberater auf der gesamten Klaviatur der Kommunikation. Allerdings streicheln sie lieber piano statt forte über die Tasten: Plumpe Parolen wie „20 Prozent auf alles – außer Tiernahrung“ gehören nicht zum Repertoire. Erfolg versprechend in eigener Sache zu werben funktioniert anders, schließlich verkaufen die Berater keine einfach reproduzierbaren Produkte, sondern Kompetenz und Problemlösungen. „Die Aufgaben im Consulting sind stets sehr kundenbezogen“, betont Peter Steinke, Partner und Leiter Corporate Communications der Droege International Group in Düsseldorf.
Verschwiegenheit gehört zum Geschäft. Klassisches Empfehlungsmarketing stößt da schnell an seine Grenzen. Autos und Schokoriegel kann man wiegen und werten, prüfen und vergleichen – individuelle Beratung kaum. „Expertise und Wissen sind unsere Leistung – und Publikationen dafür ein ganz wichtiger Transporteur“, betont Marion Sommerwerck, Global Director Marketing & Communications bei Arthur D. Little (ADL) in Düsseldorf.
Unter Volldampf publizieren
Wenn Beratungsgesellschaften also fleißig publizieren, prahlen sie nicht aus reiner Eitelkeit mit Wissen, sondern positionieren sich dadurch als Denkstuben der Wirtschaft – und setzen ihre Veröffentlichungen auch als Akquise-Instrument ein. Der Expertenschatz wird verpackt in Vorträge bei Veranstaltungen und Fachbeiträge in der Presse, Trendstudien und Marktanalysen, Bücher und Kundenmagazine. „Wir geben in Deutschland rund 100 relevante Studien im Jahr heraus, global und in den jeweiligen Einzelmärkten sind es mehrere hundert“, sagt Jan Meyer-Berkhout, für Marketing und Kommunikation zuständiger Partner bei Deloitte in München.
Mitunter ist blitzschnelles Reagieren gefragt. Seit Beginn der Krise haben Beratungsfirmen zentnerweise Papier mit Analysen und Empfehlungen zum Thema bedruckt. Einer der Ersten mit praktischen Tipps im Bücherregal war Hermann Simon, Gründer von Simon, Kucher & Partners in Bonn. „33 Sofortmaßnahmen gegen die Krise. Wege für Ihr Unternehmen” zählt laut „Buchreport”-Bestsellerliste zu den 40 meistverkauften Wirtschaftsbüchern im September. Fallbeispiele sowohl aus großen wie kleineren Betrieben machen neugierig, auch das Kapitel „Was kommt nach der Krise?“. Statt die Krankheit noch lange zu sezieren, nimmt Simon das Skalpell in die Hand. Seine Leser lässt er selbstbewusst wissen: „Dieses Buch wird die Krise nicht aus der Welt schaffen, aber ihren Schaden in Grenzen halten. Genau das kann den Unterschied zwischen Sein und Nichtsein eines Unternehmens ausmachen.“
In den PR-Abteilungen der Consulting-Firmen werden in hoher Schlagzahl Inhalte hergestellt und  in passende Pakete verpackt. „Vor allem bei industrieübergreifenden Themen wie ,Steuern’ oder ,Rechnungslegung’ haben sich Spezial-Newsletter  bewährt, weil sie unsere Zielgruppe schnell und in kurzer Taktung über wichtige Entwicklungen informieren”, berichtet Deloitte-Manager Meyer-Berkhout. „In den verschiedensten Märkten dagegen können wir unsere Expertise durch aktuelle Studien in der nötigen Tiefe sehr gut transportieren.“
Nahezu alle größeren Beratungsgesellschaften geben eigene Kundenzeitschriften heraus. Bei Roland Berger ist „Think act“ das „Herzstück der Kommunikation“, wie Marketing-Direktor Torsten Oltmanns sagt (siehe Interview), eine ähnliche Rolle spielt „PWC:“ bei Pricewaterhouse Coopers in Frankfurt. „Es ist das Lead-Medium unseres Publikationsportfolios, das aus verschiedenen Print- und Online-Produkten besteht“, sagt Oliver Heieck, Leiter Marketing & Communications. „Think act“ und „PWC:“ erscheinen beide je vier Mal pro Jahr, eine durchaus übliche Frequenz. Auch Titel wie „Edit Value“ (KPMG), „McKinsey Quarterly“ und „Strategy+Business“ (Booz) landen ähnlich oft in den Management-Etagen von Wirtschaft und Politik.
„Wir wollen der ersten und zweiten Führungsebene Denkanstöße geben, die nicht immer aus dem Kreis der Wirtschaftsthemen kommen müssen“, sagt PWC-Mann Heieck über sein ambitioniertes Magazin. Inhaltlich und optisch soll es mit Kauftiteln konkurrieren können, außerdem aktuell, exklusiv, gegen den Strich gebürstet und – dem Claim „Die Vorausdenker“ entsprechend – in die Zukunft gerichtet sein. Der Anspruch, den nahezu alle PR-Chefs der Beratungsfirmen formulieren, lautet kurz so: seriös ja, langweilig nein. „Wir wollen überraschende Bild- und Textkombinationen finden, die ein Augenzwinkern transportieren können“, ergänzt Heieck. 
Angesichts schmaler Zeitfenster der Zielgruppe, starker Konkurrenz durch firmenunabhängige Titel und zunehmender Kommunikation über digitale Medien fragt sich, ob die Hochglanzware der Consultants überhaupt sinnvoll investiertes Geld ist.  Droege-Kommunikator Steinke wägt durchaus ab. „Die Zahl der Online-Abrufe steigt, weshalb wir im Einzelfall auf Print verzichten“, sagt er. „Prinzipiell aber bleiben gedruckte Publikationen für uns weiterhin wichtig.“ Ein Satz, den Marketing-Experte Oltmanns von Roland Berger dick unterstreicht. „Die echten Chefs nutzen auch das Internet, vertrauen Papier jedoch am stärksten.“

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