Die Virtualisierung der PR
Manche Meldungen klingen schon blöd. Eine amerikanische Fima, stand jüngst in einem Branchenmagazin, will mit einer Software PR-Agenturen überflüssig machen. Die Software unterstütze PR-Treibende dabei, Kernbotschaften zu erstellen und damit Pressetexte zu generieren. Darüber hinaus könnten sogar automatisiert Beziehungen zu Journalisten aufgebaut werden. Die Basisversion von PressFriendly, so der Name der Wunderprogrammierung, gibt es schon für 99 Dollar im Monat. Das klingt doch nach einem echten Schnäppchen.
Zehn Jahre voller Umwälzungen
Klingt schräg? Gar unmöglich? Vorsicht. Ich halte es für gar nicht unwahrscheinlich, dass softwaregestützte Prozesse diesen Bereich unseres Handlungsfeldes revolutionieren, optimieren, rationalisieren.
Wie antiquiert klingen beispielweise - aus heutiger Sicht - die folgenden Ausführungen über innovative Intranets? "Für die interne Kommunikation spielt der Reifegrad von Content Management und Portal-Technologien eine zentrale Rolle ... wer ein solches Portal für seine Mitarbeiter einrichtet, schafft eine moderne Form des schwarzen Bretts ... die Systeme erlauben das Verbreiten von Informationen als Text, Grafiken, Fotos oder Tabellen."
Diese Texthappen sind erst 2004 erschienen. In einem Buch mit dem vielversprechenden Titel "Public Relations - Perspektiven und Potenziale im 21. Jahrhundert". Verfasst von klugen Leuten, die damals durchaus innovative Strömungen beschrieben.
Software gestützte Kommunikationsprozesse werden Standard
Das Beispiel zeigt: Die Realität hat das vor zehn Jahren Bekannte und Vorhersehbare mit einem irren Speed gleich mehrfach überrundet. Heute reden wir von Enterprise Social Software-Plattformen wie Yammer und Jive, über Bottum-up-Changeprozesse durch interne und externe Social-Media-Kanäle, über globale Peer-to-Peer-Dialoge, kollektive Intelligenz und Partizipation durch hochperformante intelligente Software. Wenn man betrachtet, mit welchem Eifer und Investment in großen Unternehmen heute Enterprise 2.0- und Digital-Workplace-Ideen eingeführt werden - und welche Fehler dabei gemacht werden - dann ist das ebenso feenhaft wie faszinierend. Wie auch immer man dazu steht, all das war vor gerade mal zehn Jahren unvorstellbar.
Innovationstempo nimmt weiter zu
Die oben erwähnte Software, die Agenturen ersetzt, mag bloßes Startup-Bullshit-Getöse sein von ein paar aufgeweckten Jungs an der amerikanischen Westküste. Aber sie werden Nachahmer haben. Zweifelsohne wird die fortschreitende Digitalisierung auch die Virtualisierung vieler Prozesse in der Unternehmens- und Markenkommunikation vorantreiben. Das Innovationstempo wird dabei noch zunehmen. Ein hohes Interesse an neuer Software und an Technologieplattformen wird daher für Kommunikatoren unverzichtbar. Und sei es nur, um im richtigen Moment den richtigen Rat geben zu können. Denn heute, und erst recht übermorgen, gilt auch in der Kommunikation: Technology drives Strategy.
Dr. Volker Klenk ist Vorstand der Klenk & Hoursch AG, Agentur für Corporate & Brand Communications in Frankfurt am Main.