Theoretisch gut gemeint, aber praktisch fruchtlos - so lässt sich die Bilanz zuspitzen, die Christopher Storck vier Jahre nach der Verabschiedung der "
Barcelona Declaration of Research Principles" zieht. Storck, Managing Director im Düsseldorfer Büro von Hering Schuppener - und hat einst selbst an dem Werk mitgearbeitet.
Sieben Prinzipien für ein Halleluja – in der Theorie legen die „Barcelona Principles“ die Basis für gutes Kommunikations-Controlling. Wie fällt Ihre Bilanz für die Praxis aus?
Christopher Storck: Ich kann keinen nennenswerten Effekt erkennen. Wer in der Evaluation der Medienarbeit vorher mit Sinn und Verstand gearbeitet hat, macht das weiter so. Wer das nicht kann oder will – weil Unternehmen den Werbeäquivalenzwert berechnet haben wollen oder das Geld für sinnvolle Messgrößen nicht ausgeben –, geht wegen der 2010 in Barcelona verabschiedeten Grundsätze nicht auf Konfrontationskurs mit seinen Kunden. Sofern die Unternehmenskommunikation nicht den Sachverstand und den Mut zeigt, der nötig ist, um dem Top-Management den Wert ihrer Arbeit zu demonstrieren, bewirken Deklarationen von Dienstleistern überhaupt nichts.
Ziele vorgeben, Leistung bewerten, Transparenz herstellen: Vieles, was die Prinzipien verbürgen, klingt überaus banal. Warum tun sich Kommunikatoren dennoch so schwer?
Die Kommunikationsfunktion ist oft nicht in den Strategieprozess des Unternehmens integriert. Wo der Kommunikationschef bei der Strategiefindung nicht die Rolle des Stakeholder-Anwalts ausübt, wo er nicht damit betraut ist, die Reputationsarbeit zu organisieren, die Mitarbeiter in allen Teilen des Unternehmens leisten müssen, dort hängen die Ziele der Unternehmenskommunikation in der Luft. Und wenn Ziele in den Augen der Geschäftsführung, der ihre Erreichung schließlich dienen soll, keine unverzichtbare Leistung darstellen, dann trägt die Transparenz der erzielten Ergebnisse nicht dazu bei, den Kommunikatoren Anerkennung und Respekt zu verschaffen.
Kann es auch damit zusammenhängen, dass es gerade der PR trotz allen Bemühens bisher nicht wirklich gelungen ist, mit anderen Disziplinen auf Augenhöhe zu kommen?
Das Problem scheint mir nicht darin zu bestehen, mit anderen Disziplinen auf Augenhöhe zu kommen. Die Herausforderung liegt eher darin, dem Top-Management zu vermitteln, welche Leistungen die Kommunikationsfunktion zum Erreichen der Unternehmensziele beitragen kann. Nehmen wir die Mittelausstattung zum Maßstab, dann trauen die meisten Vorstände und Geschäftsführungen der PR im Vergleich zu anderen Unternehmensfunktionen keine besonders großen Leistungsbeiträge zu. Der Schlüssel zur Augenhöhe liegt in der Bereitschaft, die Komfortzone der Medienarbeit zu verlassen und dem Management zu helfen, Probleme zu lösen und Chancen zu nutzen.
Die "Barcelona Principles" geißeln den Werbeäquivalenzwert und erteilen dem AVE-Modell eine Absage. Doch autistisch halten viele PR-Verantwortliche daran fest…
Wer den Werbeäquivalenzwert ins Feld führt, um dem Top-Management zu beweisen, dass die PR-Arbeit mehr Wert schafft als sie kostet, will etwas Richtiges. Und er wählt dieses untaugliche Mittel, weil er kein anderes sieht oder zur Hand hat. Die Diskussion und Abstimmung über die "Barcelona Principles" bestätigt das: Die Ächtung des Werbeäquivalenzwerts war der einzige Punkt, um den gestritten wurde - und zwar lang und heftig. Am Ende hat fast ein Drittel der 150 Delegierten dagegen gestimmt. Dazu passt, welche anderen beiden Grundsätze nicht praktisch einstimmig angenommen wurden: der Vorrang der Reputationsmessung vor der Medienevaluation und die Forderung, die Auswirkungen der PR auf den Geschäftserfolg zu messen.
In den USA setzt sich die Erkenntnis durch, dass die zielführende Messung von Social-Media-Kennzahlen unmöglich ist. Warum glauben wir hier das besser zu wissen?
Für die Evaluation der Vorgänge in partizipativen Medien gilt das Gleiche wie für die Kommunikation mit Stakeholdern auf allen übrigen Plattformen: Wer zieldienliche Kennzahlen erheben will, muss zuvor konkretisieren, welche Ziele zu welchem Zweck verfolgt werden und wie deren Erreichung gemessen werden soll. Wenn darüber Vereinbarungen getroffen werden zwischen allen, die als Macher oder Kümmerer Verantwortung für die Umsetzung tragen, dann wird mit messbaren Zielen geführt. Mit generischen Kennzahlen werden bloß Erbsen gezählt – ohne dass Erbsensuppe auf dem Speiseplan stünde.
Prof. Dr. Christopher Storck, Managing Director im Düsseldorfer Büro von Hering Schuppener, berät Firmen bei der Formulierung und Kommunikation von Strategien, bei Aufbau und Schutz wirtschaftlich relevanter Reputation sowie der Strukturierung und Steuerung von Kommunikationsabteilungen. Parallel dazu ist er Professor für Strategie und Kommunikationsmanagement an der Quadriga Hochschule Berlin. Storck gehört den wissenschaftlichen Beiräten der Bundesverbände der Pressesprecher (BdP) und Compliance Manager (BCM) an sowie der Leitung des Fachkreises Kommunikations-Controlling im Internationalen Controller Verein. Von 2009 bis 2013 war er Vorsitzender des Arbeitskreises "Wertschöpfung durch Kommunikation" der Deutschen Public Relations Gesellschaft.
Interview: Bijan Peymani
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