FairPlane: Im Zweifel für den Passagier
Projekt: „Angry Passenger” Kampagne – Verbund zum Kampf für Fluggastrechte
Aufgabe: Das seit 2005 in einer EU- Verordnung geregelte Recht von Flugpassagieren auf Ausgleichszahlungen mit Hilfe einer Kampagne sichern
Kunde: Fairplane, Wien
Agentur: C.O.M.B.O. Communications Agentur für Unternehmenskommunikation & Marketing GmbH, München
Bei verspäteten oder annullierten Flügen steht Passagieren oftmals ein finanzieller Ausgleich zu. Fairplane unterstützt als Verbraucherschutz-Plattform Fluggäste dabei, diese Ansprüche mit Hilfe spezialisierter Anwälte bei Fluglinien durchzusetzen. Seit die EU-Fluggastrechte 2005 in Kraft getreten sind, wehren sich Fluggesellschaften dagegen und leisten entsprechende Lobby-Arbeit. Nicht ohne Wirkung: Anfang 2013 kündigte die EU-Kommission eine Revision der entsprechenden Verordnung an, die sich stark zum Nachteil betroffener Passagiere auswirken würde. Darauf machte Fairplane mit einer bundesweiten Kampagne aufmerksam und rückte das Thema in das Bewusstsein von Politikern, Verbraucherschützern und der Öffentlichkeit.
Aufgabenstellung
Das Recht von Passagieren auf Ausgleichszahlungen regelt die seit dem Jahr 2005 geltende EU-Verordnung (EU-VO 261/2004). Seit deren Inkrafttreten versucht die Airline-Industrie jedoch, sie wieder auszuhebeln. Anfang 2013 kündigte die EU-Kommission eine Revision der Verordnung bis zum Ende desselben Jahres an. Nach Schätzungen des Dachverbands der europäischen Fahrgastverbände „European Passengers’ Federation“ würden damit 72 Prozent der betroffenen Passagiere ihren Entschädigungsanspruch verlieren. Während Experten wie Rechtsanwälte, Verbraucherschützer und auch Politiker hellhörig wurden, nahm die Öffentlichkeit kaum Notiz von den EU-Plänen. Zwar sind geschätzt zwölf Millionen Passagiere in der EU pro Jahr ausgleichsberechtigt, doch nur eine sehr geringe Zahl der Betroffenen kennt ihre Rechte. Noch weniger versuchen, diese durchzusetzen, da sie die Konfrontation mit der vermeintlich stärkeren Airline scheuen. Das Ziel für Fairplane : Über eine PR-Aktion die Öffentlichkeit zu erreichen. Zum einen sollte die Kampagne Verbrauchern ihre Rechte aufzeigen. Zum anderen sollte auf den Missstand der Aushebelung der Passagierrechte aufmerksam gemacht und Druck auf die politischen Entscheidungsträger aufgebaut werden.
Umsetzung
Fairplane beauftragte die Agentur Combo Communications im Juni 2013 mit der Organisation und Durchführung einer Pressekonferenz in Berlin. Combo Communications berät Fairplane seit Juni 2012 in allen Belangen der Öffentlichkeitsarbeit. Kunde und Agentur setzten sich zum Ziel, die Fluggastrechte wenige Monate vor dem geplanten Beschluss bundesweit zum Thema zu machen, um rechtzeitig auf die Politik Einfluss zu nehmen. Die Herausforderung lag zunächst darin, als einzelnes Unternehmen eine Kampagne mit politischer Schlagkraft wirkungsvoll umzusetzen. Daher galt es, alle Kräfte zu bündeln: Mit den beiden großen, direkten Mitbewerber-Portalen Flightright und EUclaim bildete Fairplane eine strategische Allianz. Combo Communications erarbeitete Hand in Hand mit den Verbraucherschutz-Portalen ein Konzept für die Presseveranstaltung:
Als Datum wurde der 29. August 2013 gesetzt – rund ein Monat vor dem Termin für eine wichtige Anhörung des EU-Parlaments. Um den gemeinnützigen Anspruch zu verdeutlichen, wurde die European Passengers’ Federation als einladende Organisation ins Boot geholt. Unabhängige Experten wurden als öffentliche Fürsprecher gewonnen: Aus juristischer Perspektive vertrat der Reiserechtler Prof. Dr. Ronald Schmid die Position der Verbraucher. Erfahrene, auf Reiserecht spezialisierte Anwälte wurden ebenfalls überzeugt, das Projekt öffentlich zu unterstützen. Politisch stellte sich Michael Cramer, Mitglied des EU-Parlaments und Sprecher der Grünen im Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr, an die Seite der Allianz. Combo Communications koordinierte die Planung der Veranstaltung mit allen Beteiligten, was nicht immer einfach war: Der schlüssige Ablauf der Pressekonferenz, die Gestaltung und Freigabe der Unterlagen musste mit vielen Personen an unterschiedlichen Orten abgestimmt werden. Unmittelbar vor der Pressekonferenz wurde offiziell eine gemeinsame Interessenvertretung mit dem Namen „Angry Passenger“ gebildet und auf der Pressekonferenz vorgestellt. Über das Portal www.angry-passenger.org können Nutzer eine Online-Petition ausfüllen, die den Entscheidungsträgern in Brüssel und den jeweiligen Ländern übermittelt wird. Zudem informiert das Portal über die EU-Pläne und hat einen Forderungskatalog an die Parlamentarier aufgestellt. Die involvierten Rechtanwälte erstellten für die Pressekonferenz Positionspapiere, in denen sie Stellung zu den Auswirkungen der geplanten Änderung der Fluggastrechte nahmen. Flankierende Maßnahmen waren der Versand zweier Pressemitteilungen zur geplanten Revision und zum Portal angry-passenger.org. Hintergrundinformationen, die die bisherige Fassung der Fluggastrechte-Verordnung mit den geplanten Änderungen verglichen, machten die negativen Auswirkungen verständlich und gaben den Journalisten ein detailliertes Bild der Problematik. Nachrichtenagenturen wurden vorab mit den Informationen versorgt und verbreiteten umfangreiche Beiträge, die von nahezu allen relevanten Nachrichtenmedien aufgegriffen wurde.
Die Resonanz der Journalisten war zunächst verhalten. Das komplexe politische Thema musste verständlich aufbereitet und die öffentliche Brisanz herausgestellt werden, was unter anderem durch zahlreiche Telefongespräche mit Medienvertretern erreicht wurde. Zur Pressekonferenz kamen schließlich über 25 Teilnehmer – darunter Vertreter von öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten, Nachrichtenmagazinen, Fachmedien und reichweitenstarken Tageszeitungen. Neben Journalisten nahmen auch Stakeholder wie ADAC, Bundesverband der Verbraucherschutzzentralen sowie Airlines teil. In der gesamten Branche erregte die Veranstaltung viel Aufmerksamkeit.
Ergebnisse
Durch die Kooperation mit Partnern und Experten sowie die auf die Beeinflussung der öffentlichen Meinung ausgerichtete Kommunikation konnte die geplante Revision als aktuelles und dominierendes Medienthema platziert werden. Ab dem 29. August 2013 wurden innerhalb weniger Tage rund 350 Veröffentlichungen generiert. Die Zugriffszahlen auf die Portale von Fairplane, EUclaim und Flightright stiegen signifikant. Auf dem vorher unbekannten Portal von „Angry Passenger“ gingen innerhalb kürzester Zeit mehrere hundert Petitionen an die abstimmenden Parlamentarier ein. Diese reagierten mit persönlichen Antworten – zwischen EU-Bürgern und Parlamentariern entstand ein unmittelbarer Austausch.
Die PR-Maßnahmen hatten nachhaltige politische Auswirkungen: Die österreichische Verkehrsministerin Doris Bures (SPÖ) erklärte nach der Berliner Pressekonferenz, dass Österreich dagegen stimmen würde. In Deutschland fand der Petitionsaufruf unter anderem Unterstützung von der damaligen Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner. Im Koalitionsvertrag bezog die neu gewählte Bundesregierung klar Stellung: „Bei der Neuregelung der Fluggastrechteverordnung und des Pauschalreiserechts setzt sich Deutschland für den Erhalt des bestehenden Schutzniveaus ein“. Die EU-Kommission wurde von dem plötzlichen Gegenwind von mehreren Seiten überrascht. Der Prozess zur sicher geglaubten Entscheidung im September 2013 geriet ins Stocken. Lesungen und Anhörungen wurden mehrfach verschoben. Fairplane , Combo Communications und die Allianz für Fluggastrechte arbeiten kontinuierlich daran, die Öffentlichkeit weiter mit Informationen zu Fluggastrechten zu versorgen und über den Status quo in Brüssel aufzuklären.
Die Kampagne „Angry Passenger“ wurde 2014 für den PR Report Award in der Kategorie Public Affairs nominiert.
Die Autoren
Karin Eilks ist Junior PR-Consultant bei Combo Communications.
Andreas Sernetz ist Gründer und Geschäftsführer von Fairplane.