Nicht nur in der Deutschen Bank ist dieser Tage viel von Kulturwandel die Rede. In vielen Organisationen stellen sich Entscheider die Frage, ob man mit der bestehenden Unternehmenskultur, der alten DNA, dem geronnenen Gestern, die gigantischen Herausforderungen und Umwälzungen hinein in die digitale Ära meistern kann
"Culture eats strategy for breakfast", schrieb der große Peter Drucker schon vor Dekaden. Er bringt damit die Unmöglichkeit auf den Punkt, eine neue Unternehmensstrategie umzusetzen, wenn ihr die bestehende Unternehmenskultur entgegen steht. Anders ausgedrückt: Die Kultur in einem Unternehmen, also die Summe der gelebten Werte und Normen, kann ein entscheidender Bremsklotz sein für den zukünftigen Erfolg.
Dysfunktionale Kultur muss man ändernDie gute Nachricht: Unternehmenskultur kann man managen. Die entscheidende Ausgangsfrage lautet: Ist die derzeitige Kultur funktional oder dysfunktional im Hinblick auf die aktuelle Unternehmensstrategie? Lautet die Diagnose einer Kulturanalyse, dass sie dysfunktonal ist, muss das Thema auf die CEO-Agenda. Und keinen Zentimeter tiefer.
Damit sind wir schon bei den schlechten Nachrichten: Will eine Organisation ran an ihre DNA, steht sie vor zwei essentiellen Herausforderungen: Tempo und Emergenz. Nicht selten sind die neuen langfristigen Strategieziele verabschiedet, die Vision formuliert. Dann fehlen nur noch die Werte.
Die Mitarbeiter sollen besser miteinander kooperieren, offener, mutiger, engagierter und schneller agieren, es braucht eine Entscheiderkultur und so weiter. Die passenden Werte sollen mal rasch aufgeschrieben und flott auf die Straße gebracht werden. "Bis Weihnachten will ich Erfolge sehen. Sie machen das schon mit ihrem Team, Herr Kommunikationschef, nich wahr?"
Nein, nicht wahr. Die Entwicklung eines stimmigen Leitbildes mit Vision, Unternehmenszweck und Werten braucht sechs bis zwölf Monate. Für die Implementierungsphase sollte eine Organisation 18 bis 24 Monate ansetzen. Mindestens.
Der CEO will es in der Regel schnell. Er braucht schnelle Erfolge. Doch Obacht. Will er dem Veränderungsprozess nicht die nötige Zeit geben, kann man auf die Titelfolie der Mitarbeiterpräsentation gleich schreiben: "Unser neues Leitbild - Geplante Ergebnislosigkeit".
Emergente Systemeigenschaft
Bleibt noch das zweite Problemfeld. Wie verändert man etwas, das man nicht sehen, anfassen, direkt bearbeiten kann? Denn, die Kultur ist emergent. Sie bildet sich aus Eigenschaften und Strukturen des Systems infolge des Zusammenspiels seiner Individuen. Dabei lassen sich die emergenten Eigenschaften der Unternehmenskultur nicht auf Eigenschaften einzelner Mitarbeiter zurückführen.
Die gesamte Organisation auf diese Reise mitzunehmen und die unsichtbaren Kraftfelder zu verändern, ist eine große Kunst. Das braucht Analyse, Expertise, Fingerspitzengefühl und Beharrlichkeit. Reiseziel ist eine funktionale Kultur, im Dienst der Überlebensfähigkeit der Organisation.
Kulturveränderungsprozesse sind nie mit der Verabschiedung der Ziele abgehackt. Aber der Nutzen im Erfolgsfall ist schlicht gigantisch. Denn die Kultur ist in vielen Branchen mit austauschbaren Waren und Dienstleistungen inzwischen die wichtigste Software. Und ohne organisations-spezifische Software läuft gar nichts.
Dr. Volker Klenk, 51, ist Vorstand der
Klenk & Hoursch AG, Agentur für Corporate & Brand Communications in Frankfurt am Main.